#internationalistcamp: Auf der Revolutionären Internationalistischen Sommerakademie, die vom 13.-18. Juli in Barcelona stattfand, war der zweite Tag vollständig den Frauen und LGBTI* gewidmet. Frauen, Männer und Menschen anderer Geschlechter diskutierten auf mehreren Workshops und einer Abschlussveranstaltung über aktuelle Theorien und Fragen der feministischen Bewegung. " /> #internationalistcamp: Auf der Revolutionären Internationalistischen Sommerakademie, die vom 13.-18. Juli in Barcelona stattfand, war der zweite Tag vollständig den Frauen und LGBTI* gewidmet. Frauen, Männer und Menschen anderer Geschlechter diskutierten auf mehreren Workshops und einer Abschlussveranstaltung über aktuelle Theorien und Fragen der feministischen Bewegung. " />

Strategien für die Befreiung der Frauen und LGBTI*

22.07.2016, Lesezeit 6 Min.
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#internationalistcamp: Auf der Revolutionären Internationalistischen Sommerakademie, die vom 13.-18. Juli in Barcelona stattfand, war der zweite Tag vollständig den Frauen und LGBTI* gewidmet. Frauen, Männer und Menschen anderer Geschlechter diskutierten auf mehreren Workshops und einer Abschlussveranstaltung über aktuelle Theorien und Fragen der feministischen Bewegung.

„Wir wollen einen lebendigen Marxismus, der sich – ohne seine Prinzipien aufzugeben –, mit den aktuellen Theorien und Problemen der Ausgebeuteten und Unterdrückten auseinandersetzt“, sagte eine Frau auf dem Abschlussplenum des zweiten Tages der Sommerakademie. Seit 10 Uhr morgens hatten Aktivist*innen aus Frankreich, Deutschland, dem Spanischen Staat und anderen Ländern über drängende Fragen der feministischen und LGBTI*-Bewegungen diskutiert.

Es gab Workshops über die Queer-Theorie und über das Verhältnis der LGBTI*-Bewegung zur marxistischen Linken durch die Geschichte. Außerdem ging es die Frage der Prostitution, den Internationalismus der Revolutionärinnen Rosa Luxemburg und Clara Zetkin und den Ursprung patriarchaler Gewalt. Abends wurde alles zusammengetragen: Frauen debattierten über die verschiedenen Strategien der Emanzipation, die die feministische Bewegung heute anbietet. Das Ziel davon war eine revolutionäre Strategie, die die Gesamtheit der Lebensverhältnisse und Probleme der Frauen und LGBTI* in den Blick nimmt.

Kein Vertrauen in den Staat

In vielen Diskussionen spielte die Frage eine Rolle, was Frauen und LGBTI* vom Staat zu erwarten haben. Können wir zum Beispiel mit Gesetzen gegen patriarchale Gewalt kämpfen? Diese Vorstellung existiert oft unter Feministinnen, vor allem solchen, die sich in die Institutionen des Staates haben integrieren lassen. Dadurch zeigen sie ein zu begrenztes Verständnis davon, was patriarchale Gewalt überhaupt ist. Denn wie Verónica Landa von der Gruppe Clase contra Clase und der Frauenorganisation Pan y Rosas im Spanischen Staat erklärte:

„Für uns existiert eine Kette der Gewalt, die von sexistischen Anmachen auf der Straße über die Lohndiskriminierung am Arbeitsplatz hin zu Frauenmorden und Vergewaltigungen reicht.“

Nicht alle Formen dieser Gewalt sind gleich, aber alle hängen miteinander zusammen, begünstigen sich gegenseitig und durchziehen so das Leben der Frauen. Der Staat als derjenige, der zum Beispiel eine Abhängigkeit vieler Frauen in der Familie mit organisiert, ist nicht neutral. Er ist vielmehr Garant der Weiterexistenz der Gewalt – auch wenn er einige ihrer Formen zu bestrafen vorgibt.

So können strengere Gesetze nicht verhindern, dass im Spanischen Staat in diesem Jahr schon 59 Frauen getötet wurden. Denn die Gesetze greifen die Grundlage der patriarchalen Gewalt – das Patriarchat selber und den Kapitalismus – nicht an. Um wirklich die Gewalt zu stoppen, braucht es eine vom Staat unabhängige Frauenbewegung, die gemeinsam mit der Arbeiter*innenklasse gegen Patriarchat und Kapitalismus kämpft

Auch in der Debatte zur Prostitution spielte diese Frage eine Rolle. Die feministische Bewegung spaltet sich heute in zwei Lager: Abolitionist*innen, die für das Ende der Prostitution durch die Bestrafung der Freier kämpfen, und Regulationist*innen, die für die Legalisierung und die Regulierung durch den Staat eintreten. „Beiden gemein ist, dass sie Vertrauen in den bürgerlichen Staat setzen“ analysierte Marta Clar (ebenfalls Clase contra Clase und Pan y Rosas).

Aus dem Blick geraten dabei die kapitalistischen und patriarchalen Verhältnisse, die der Prostitution ihre heutige Form geben. Ebenso wird so unter den Tisch gekehrt, wie oft der Staat den Frauen mit Polizeirepression, imperialistischer Politik und rassistischen Aufenthaltsgesetzen das Leben schwer macht – viele der Frauen in Prostitution kommen aus (halb-)kolonialen Ländern. Statt Vertrauen in den Staat brauchen wir eine antiimperialistische Position und eine Bewegung, die bessere Arbeits- und Lebensbedingungen für alle Frauen erkämpft.

Revolutionärer Marxismus als Waffen in den Händen der Frauen und LGBTI*

Die Abenddebatte war den verschiedenen Strategien der Emanzipation gewidmet. Auf dem Podium grenzte Cynthia Lub von Clase contra Clase und Pan y Rosas unsere marxistische Strategie von der des postmodernen und des institutionalisierten Feminismus ab. Diese Strömungen haben die Kritik der kapitalistischen Verhältnisse vollkommen aufgegeben. Ebenso grenzte sich Lub vom Stalinismus ab, der die Frauenbewegung immer nur als Spaltung der Klasse abgelehnt hat, und damit das Patriarchat weiter stützte. Mit diesem Verrat hat der Stalinismus die tragische Trennung der Arbeiter*innenbewegung von der Frauenbewegung errichtet.

Unsere Aufgabe ist es, diese Trennung zu überwinden. Denn nur gemeinsam mit der Arbeiter*innenklasse kann die Frauenbewegung siegen. Aber während die Arbeiter*innenbewegung sich kaum um die Emanzipation der Frauen interessiert, grenzt sich der Feminismus von den Arbeiter*innen und ihren Problemen ab – auch denen der Arbeiterinnen. Der bürgerliche Feminismus spricht kaum von Prekarisierung und Arbeitslosigkeit, kaum vom Abbau der Sozialsysteme und der Last der Hausarbeit. Gerade davon müssen wir aber sprechen. Und es gibt Beispiele, auf die wir uns beziehen können. Wie Cynthia Lub auf dem Podium sagte:

Wir sind stolz darauf, hier auch die Frauen von Panrico und Telefónica zu haben; stolz darauf, Teil dieser neuen Generation von Frauen zu sein, die gegen dieses kapitalistischen und patriarchale System kämpft. Sie haben, als sie gegen Prekarisierung und Entlassungen kämpften, für die Rechte von allen Frauen gekämpft. Die Frauen von Panrico waren bei den Demonstrationen für das Recht auf Abtreibung, gegen Homophobie, gegen Gewalt. Sie haben angefangen, explizit oder nicht, die Verbindungen zwischen feministischer Bewegung und Arbeiter*innenklasse wieder aufzubauen.

In der Abenddebatte wurde von einer*m Teilnehmer*in aufgeworfen, dass es auch die Aufgabe des revolutionären Marxismus sein müsse, für diejenigen zu kämpfen, die sich außerhalb des binären Geschlechtersystems befinden. Dies wurde von allen im Saal enthusiastisch aufgenommen. Auch in den folgenden Tagen zeigten sich die Aktivist*innen noch beeindruckt von den Diskussionen des Tages. Denn er zeigte den Willen auf, revolutionäre Organisationen aufzubauen, die sich mit der Gesamtheit der Fragen, die die Unterdrückten und Ausgebeuteten bewegen, beschäftigen. Er zeigte, dass der revolutionäre Marxismus eine starke Waffe ist, wenn er mit offenen Augen die Welt betrachtet. Die Kraft eines Marxismus, der sich voller Inbrunst den Fragen der Frauen und LGBTI* annimmt, wurde an diesem Tag deutlich.

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