Stoppt die Rüstungsforschung an deutschen Unis!

27.04.2022, Lesezeit 4 Min.
Gastbeitrag

Die Organisierung von Studierenden und Beschäftigten an den Universitäten gegen den Krieg in der Ukraine muss sich auch gegen die Profite, die deutsche Universitäten mit Rüstungsforschung und Militärkooperation machen, richten.

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Foto: Klasse gegen Klasse

„Was kann ich tun?“, fragen sich viele Menschen seit der Krieg in der Ukraine ausgebrochen ist. Wir beobachten auch unter Studierenden und Uni-Angestellten den Drang, sich gegen den Krieg zu engagieren: Spendenaktionen, humanitäre Soforthilfe, gemeinschaftliches Verpacken von Spenden für die Transporte an die ukrainische Grenze – all das ist dringend notwendig. Ein Punkt, der dabei allerdings keine Erwähnung fand, ist, dass die Uni an der Rüstungsforschung, die für den Krieg betrieben wird, kräftig mitverdient.

Das Pentagon allein überwies 21,7 Millionen Dollar an Drittmitteln an deutsche Unis, wie ein Spiegel-Artikel 2019 darlegte. Davon gingen knapp 4 Millionen Dollar an die Rüstungs­forschung der LMU. Aktuelle Zahlen erhärten die zentrale Rolle der LMU; seit dem Erscheinen des Artikels erhielt sie zusammengerechnet zusätzliche 1,5 Millionen Dollar aus dieser Quelle. Zu den weiteren Geldgebern der Rüstungsforschung an deutschen Unis gehören neben dem Pentagon weitere Verteidigungsministerien, Rüstungsunternehmen und die Bundes­wehr. In deren Interesse forschen deutsche Universitäten u.a. an Aufklärungssatelliten, Radarsystemen oder, wie im Falle der LMU, an neuen Sprengstoffen. Die Gesamtsumme der Drittmittel für Rüstungsforschung an deutschen Universitäten ist nicht bekannt. 2018 wurde ein Antrag von Politiker:innen der Grünen und der SPD für eine  Anhörung des Ausschusses für Wissenschaft und Kunst im bayerischen Landtag zur „Transparenz an bayerischen Hochschulen“ bzgl. der Themen Drittmittel, Transparenz und Rüstungsforschung von der CSU abgelehnt. Bei den meisten Projekten handelt es sich um sogenanntes Dual Use, also um Forschung, die sowohl militärisch als auch zivil genutzt werden kann. Der Geschäftsführer des International Peace Bureau, des größten weltweiten Friedens­netzwerks, Rainer Braun, schätzt deutschlandweit die Summe aller Drittmittel aus militärischen Quellen auf eins bis 1,5 Milliarden Euro.

Weiterhin werden Drittmittel zunehmend zur Grundlage von Forschung überhaupt. Der Wettbewerb um deren Einwerbung steuert sowohl das individuelle Erkenntnis­interesse als auch die Forschungsentwicklung insgesamt. Wenn Hochschulen in die Abhängigkeit von Unternehmen geraten, werden sie immer stärker von externen, wirtschaftlichen Verwertungsinteressen korrumpiert.

Die Vergangenheit zeigt, dass sich Widerstand gegen die bestehenden Verhältnisse an der Uni formieren kann. Bewegungen wie die Außerparlamentarische Opposition (APO) in Deutschland, das Free Speech Movement in den USA oder die Mai-Unruhen in Paris forderten in den 1960er Jahren eine umfassende Hochschul-, und Bildungsreform, demonstrierten gegen den Vietnamkrieg, organisierten Proteste gegen den westlichen Imperialismus und übten Kritik an der wachsenden Gefahr eines Atomkriegs durch die Aufrüstung der reichen Industrienationen.

Es kam zu einer Solidarisierung der Arbeiter:innen mit den Studierenden und zu Besetzungen, wie z.B. der Sorbonne in Paris, die Mitte April dieses Jahres als Protest gegen das Ergebnis der ersten Runde der französischen Präsidentschaftswahl erneut besetzt wurde. Diese Kampftradition der Studierenden ist auch an unserer Uni, der LMU — trotz der Schwierigkeit, sich es heute vorzustellen — nicht fremd: 2009 wurde das Audimax im Hauptgebäude von Studis für über sechs Wochen besetzt, um sich gegen die Bologna-Liberalisierungsreform zu wehren. Mit Unterstützung von zahlreichen wissenschaftlichen Beschäftigten und einigen Profs wurden dadurch weite Stücke der Reform gestoppt und die Studiengebühren abgeschafft.

Studierende und Beschäftigte leisten angesichts des Kriegs in der Ukraine humanitäre Hilfe, während die Unis hinter ihrem Rücken am Krieg mitverdienen und ihre finanziellen Interessen auf den Schultern von Studis und Personal austragen. Lasst uns die kriegstreiberischen Strukturen der Universitäten aufbrechen, damit sie Orte des geistigen Austauschs und keine Waffenschmieden sind.

Wir als Studierende und Beschäftigte von Münchner Hochschulen und Unis fordern:

  • Humanität statt Waffen – Aufnahme und unbürokratische Unterstützung aller Geflüchteten sowie Anerkennung aller Abschlüsse von ausländischen Unis
  • Einführung einer gesetzlich verpflichtenden Zivilklausel für alle Unis – auch für Dual-Use-Forschung
  • Nutzung der 100 Milliarden und aller weiterer Mittel des Verteidigungsetats für Bildung, Gesundheit und Soziales
  • Sofortige Beendigung der Finanzierung der Universität der Bundeswehr aus Steuermitteln sowie Einstellung der dortigen Forschung und Lehre
  • Entfristung der Verträge an der Uni statt Aufrüstung
  • Grundfinanzierung der Forschung aus öffentlichen Geldern – gegen das Korrumpieren der Unis durch die Wirtschaft
  • Wiederaufnahme der Kooperation mit russischen Unis und Forschungseinrichtungen

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