Sparen bis es quietscht 2.0: Berliner SPD will mal wieder beim Personal kürzen

01.06.2021, Lesezeit 6 Min.
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Der Berliner Haushaltsplan für das Jahr 2022, der am 22. Juni – in drei Wochen – vom Senat beschlossen werden soll, sieht Kürzungen beim Personal vor. Währenddessen bereitet sich die Berliner Krankenhausbewegung auf Streiks gegen Personalmangel und Tarifflucht vor. Wie können die Kürzungspläne zurückgeschlagen werden? Ein Diskussionsbeitrag für die Berliner Krankenhausbewegung.

Nachdem am 12. Mai 8.297 Unterschriften der Beschäftigten von Berliner Krankenhäusern an den Senat übergeben wurden, geht der Kampf der Berliner Krankenhausbewegung weiter. Die Forderungen der Bewegung sind klar: Alle Stationen der Krankenhäusern müssen mit neuem Personal besetzt werden, außerdem soll es endlich den Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes (TVöD) für alle geben.

Nun gibt die Initiative dem Senat und den Krankenhausleitungen noch einmal 100 Tage, um endlich auf ihre Forderungen einzugehen – sonst wird ab September gestreikt. In den kommenden Wochen finden unterschiedliche dezentrale Aktionen der Bewegung statt, um Unterstützung aus der Berliner Bevölkerung zu bekommen und die Abgeordneten unter Druck zu setzen. Bisher haben diese nur Lippenbekenntnisse abgegeben.

Die größte Frage ist die Finanzierung der für den Personalaufbau und Tarifzahlung notwendigen Geldmittel des Senats. Und genau da lässt sich die RRG-Regierung bisher nicht beeindrucken. Seit Jahren führt sie eine Kürzungs- und Privatisierungspolitik in der öffentlichen Daseinsvorsorge durch, nicht zuletzt bei der Berliner S-Bahn.

Milliarden von Euros aus dem staatlichen Haushalt wurden während der Corona-Krise Großaktionären und Großkonzernen zur Verfügung gestellt, die teilweise trotzdem Beschäftigte entlassen wollen oder es schon getan haben. Geld, was durch jahrelangen Personalabbau und Kürzungen in den letzten Jahren eingespart wurde.

Wie sieht jedoch der aktuelle Berliner Haushalt aus und was erwartet uns unter der neuen Regierung ab Oktober? Mitte Mai kündigte der Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) an, dass wegen des Anstiegs der neuen Schulden um 7,3 Milliarden Euro während der Corona-Krise auf 63 Milliarden Euro im laufenden Haushalt, der Senat gezwungen ist, einen neuen Sparkurs durchzusetzen.

Es sollen vor allem Einsparungen beim Personal stattfinden und für die nächsten Jahren „keine strukturellen Stellenaufwächse“ mehr geben. Der Haushaltsentwurf soll bereits am 22. Juni vom Senat beschlossen werden, also in nur drei Wochen. Nach der Wahl soll das neue Abgeordnetenhaus und der Senat darüber erneut abstimmen.

Nein zum Sparhaushalt des Rot-Rot-Grünen Senats! Für unbefristete Streiks und Mobilisierungen dagegen!

Berliner Krankenhäuser sind landeseigene öffentliche Unternehmen. Tarifabschlüsse und Personalpolitik sind also mehr politische Entscheidungen des regierenden Senats als Entscheidungen der Klinikleitungen. Das bedeutet, dass wir uns gegen diesen Sparhaushalt für das nächste Jahr stellen und ihn zurückdrängen müssen.

Es reicht daher nicht, dass einzelne Abgeordnete Lippenbekenntnisse über ihre Unterstützung abgeben, sondern es muss bereits jetzt bis zur Abstimmung am 22. Juni Mobilisierungen der Berliner Krankenhausbewegung gegen den Senat geben, mit der Forderung, dass dieser Haushaltsentwurf zurückgenommen wird. Die Linkspartei sollte sich am 22. Juni gegen den Haushalt positionieren und die Regierungskoalition verlassen, falls dieser Sparhaushalt durchgesetzt wird! Sie darf sich nicht an einer kommenden Landesregierung in Berlin beteiligen, die einen solchen Kürzungsplan hat. Aus der Opposition heraus sollte sie sich hinter die Streikbewegung in den Kliniken stellen und mit aller Kraft Kürzungsmaßnahmen bekämpfen.

Das Geld für die Finanzierung des Gesundheitssystems und Forderungen der Berliner Krankenhaus Bewegung ist da. Die Kampagne “Deutsche Wohnen und Co. enteignen” will große Wohnungskonzerne enteignen und sie in Gemeineigentum überführen. Die Linke will jedoch Entschädigungen für die Enteignungen zahlen. Die geplante Höhe variiert zwischen acht und 30 Milliarden Euro. Diese Entschädigungen sollen durch Mieteinnahmen finanziert werden. Die Großaktionäre sind jedoch nicht entschädigungsbedürftig. Im Gegenteil: Sie sind die Gewinner:innen der Krise.

Wenn man keine Entschädigungen zahlen würde, hätte man zusätzliche Mittel im Haushalt (die nicht-gezahlte Höhe der Entschädigungen), die für Investitionen in Gesundheitssystem ausgegeben werden könnten und damit wohl deutlich sinnvoller angelegt wären. Als Krankenhausbewegung, Mieter:innenbewegung und Gewerkschaften sollten wir ab September gemeinsam unbefristete Streiks und Mobilisierungen organisieren:

– für die Rücknahme der Kürzungspläne des Senats,
– für entschädigungslose Enteignungen der Wohnungsunternehmen,
– für eine Finanzierung des Gesundheitssystems durch Vermögensabgaben und Verstaatlichungen.

Für eine bundesweite Streikbewegung!

In diesem Sinne ist es ein großer Erfolg der Berliner Krankenhausbewegung, dass sie die Perspektive der Streiks aufwerfen und es auch seitens der Kolleg:innen Anstrengungen gibt, die Bewegung bundesweit auszuweiten. Ver.di sollte noch dieses Jahr auch in weiteren Bundesländern Krankenhausbewegungen anstoßen. Es braucht eine bundesweite Streikbewegung.

Daher ist es notwendig, den Kampf für einen neuen Entlastungstarifvertrag für alle Krankenhausbeschäftigten mit Forderungen nach massiven Investitionen in das Gesundheitssystem, Abschaffung der Fallpauschalen (DRGs) und der Einführung einer Vermögenssteuer für die Finanzierung der Kosten zu verbinden. Alle Maßnahmen für mehr Personal müssen der Kontrolle der Beschäftigten unterliegen, die eigenständig über Sanktionen bei Verstößen der Geschäftsführung entscheiden sollen.

Die Einheit der Pflegekräfte und der ausgelagerten Servicebeschäftigten sollte in dieser Bewegung befestigt werden. Streiks und Tarifverhandlungen für einen Entlastungstarifvertrag und der Kampf für die Eingliederung aller Tochterunternehmen sollten gemeinsam geführt werden, um zu verhindern, dass die Regierung die Beschäftigten gegeneinander ausspielen kann. Es braucht Versammlungen aller Krankenhausbeschäftigten vor und während der Streiks, die die vollständige Kontrolle über die Streiks und die Verhandlungen haben sollten, indem sie über alle Fragen offen diskutieren und verbindliche Abstimmungen durchführen. Tarifkommissionen und gewerkschaftliche Vertreter:innen sollten aus diesen Versammlungen heraus gewählt werden und jederzeit abwählbar sein. So können wir effektiv sicherstellen, dass niemand von außen, weder die Regierung noch der Bundesvorstand und die Bürokratien der Gewerkschaften, sondern einzig die Beschäftigten selbst über den Streik und seinen Fortgang entscheiden.

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