Schluss mit der Kriminalisierung der Kurdistan-Solidarität!

05.12.2018, Lesezeit 10 Min.
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Hunderte Anzeigen laufen gegen kurdische und linke Aktivist*innen, die sich mit kurdischen Organisationen solidarisiert haben. Wir erklären uns solidarisch mit allen Betroffenen dieser Kriminalisierung und rufen zur Unterstützung der Solidaritätskampagne auf.

Die innere Militarisierung schreitet voran: Die Polizeiaufgabengesetze wurden in mehreren Bundesländern stufenweise verschärft. Dadurch wurde die Versammlungs- und Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Die Bundeswehr und die Polizei rekrutieren mittels Werbekampagnen und staatlicher Unterstützung innerhalb der Schulen und Universitäten. Es beginnt die Debatte über die Dienstpflicht. Geflüchtete werden in Ankerzentren und menschenunwürdigen Lagern eingesperrt und Asylgesetze systematisch verschärft, um Abschiebungen zu beschleunigen. Eine weitere Grundsäule der repressiven Innenpolitik basiert auf der Kriminalisierung linker Aktivist*innen und Organisationen. Ausgerüstet mit zahlreichen Befugnissen, greift die deutsche Polizei im Auftrag des Innenministeriums immer wieder durch.

Diese Repression dient dazu, es der Regierung und dem Staat zu erleichtern, soziale Bewegungen zu atomisieren und sie aus der Öffentlichkeit wegzudrängen. Diese Disziplinierungsmaßnahme soll die eigene autoritäre und imperialistische Politik im Inneren und Äußeren entlasten. Im Mittelpunkt der Angriffe steht momentan die Kriminalisierung kurdischer Organisationen und prokurdischer Aktivist*innen. Da die kurdische Bewegung und die Geflüchtetenproteste viele Jugendliche in Deutschland politisiert haben, stößt die Repression auf viel Unzufriedenheit.

Die traditionellen Kriminalisierungsmuster des deutschen Staates werden auch hierbei angewendet. Die sogenannten Gastarbeiter*innen aus der Türkei brachten nicht nur ihre Arbeitskraft, sondern später auch ihre politischen Organisationen mit sich. Mehrere kommunistische Organisationen, die zu der Zeit in der Türkei starker Repression ausgesetzt waren, haben ihre Exilorganisationen in Deutschland gegründet. Ihre politische Organisierung in Deutschland als kommunistische Arbeiter*innen und Aktivist*innen war eine Gefahr für das deutsche Kapital, sodass sie systematisch verfolgt und verboten wurden.
In diesem Zusammenhang wurden im März 2017 die Symbole der kurdischen Volks- und Frauenverteidigungseinheiten (YPG und YPJ), des Verbandes der Studierenden aus Kurdistan e.V. (YXK) und des kurdischen Kulturvereins NAV-DEM durch eine Verfügung des Innenministeriums faktisch verboten.
Seitdem zeichnet sich ein regelrechter Verfolgungswahn ab, bei dem die Behörden nicht nur die Komplizenschaft zwischen den deutschen und türkischen Regierungen, sondern auch die politische Motivation hinter den Verfahren offenbaren. In Bayern wird das besonders anschaulich. Zwischen März 2017 und November 2018 gab es hunderte Anzeigen gegen Aktivist*innen.

Es ging um das Teilen von Bildern und Presseartikeln in den sozialen Medien, um das Singen von kurdischen Liedern und das Zeigen von Fahnen und Symbolen der kurdischen Bewegung auf Kundgebungen oder Demonstrationen. Um Aktivist*innen einzuschüchtern, kommt es regelmäßig zu Hausdurchsuchungen, zu Festnahmen auf Demonstrationen und zu Drohungen den Betroffenen das Aufenthaltsrecht zu entziehen.
Während die türkische Regierung unter Erdogan versucht, jegliche Opposition in der Türkei zu zerschlagen, die streikenden Arbeiter*innen, wie die am neuen Flughafen Istanbul, festnimmt und als „Terrorist*innen“ bezeichnet, die Kurd*innen und andere Minderheiten massiv unterdrückt, werden die Oppositionellen im Exil von der deutschen Regierung erpresst, linke migrantische Organisationen kriminalisiert und politisch aktive Migrant*innen mit Abschiebung bedroht.

Hinter diesen politischen Verfolgungen in Deutschland stehen die imperialistischen Interessen des deutschen Staates in der Türkei, in Syrien, im Irak, etc. Um seine wirtschaftlichen Interessen in der Region durchzusetzen, weiterhin dort zu investieren und Waffen zu verkaufen, halten Deutschland und die NATO die Zusammenarbeit mit der türkischen Regierung aufrecht. Die deutschen Panzer, die in den 90er Jahren kurdische Dörfer zerstörten, rollten ebenfalls im März, als die türkische Armee mit Dschihadisten den kurdischen Kanton Afrin erobert hat. Das Verbot von kurdischen Symbolen kriminalisiert die Solidarität mit dem kurdischen Widerstand und entzieht dem kurdischen Volk ihre politische Selbstbestimmung und Repräsentation. In diesem Sinne können wir die antikurdischen Gesetze in Deutschland als kolonialistisch einstufen.

Kampf gegen die Kriminalisierung, Rechtsruck und Imperialismus!

Die Kurd*innen in Deutschland, so wie die Türk*innen, Araber*innen oder balkanischen Bevölkerungsgruppen, sind Teil der multiethnischen Arbeiter*innenklasse. Die migrantischen Teile und Geflüchteten sind ihrer Grundrechte und Repräsentation beraubt. Hunderttausende von ihnen haben weder Wahlrecht, noch Anspruch auf Sozialleistungen, noch dieselben Arbeitsbedingungen wie die Arbeiter*innen mit deutscher Staatsbürgerschaft. Viele der Geflüchteten werden als billige Lohnkräfte eingesetzt und arbeiten öfters illegalisiert.

Der Rassismus und die nationale Unterdrückung sind somit Teile der Spaltungspolitik, die vom deutschen Regime durchgesetzt wird. Dagegen müssen wir die Einheit der multiethnischen Arbeiter*innenklasse und der Unterdrückten auf unsere Fahnen schreiben und jegliche Spaltung in unseren Reihen durch unseren gemeinsamen Kampf beseitigen. Wir müssen auch gegen die Spaltung der migrantischen Arbeiter*innen vorgehen, beispielsweise der türkischen und kurdischen Arbeiter*innenklasse, die durch jahrelange gezielte, rassistische Propaganda und Politik des türkischen Regimes entstanden ist. Wir müssen zeigen, dass es nur den Herrschenden, den Kapitalist*innen dient, dass der Kampf gegen die Ausbeutung und die nationale Selbstbestimmung gespalten wird.

Die kurdischen und geflüchteten Frauen werden nicht nur aufgrund ihrer Herkunft oder des Aufenthaltsstatus unterdrückt, sondern arbeiten vermehrt unter sehr prekären Bedingungen, verdienen viel weniger als ihre männlichen Kollegen und sind Angriffen auf ihr Recht auf Abtreibung ausgesetzt. Die migrantischen Frauen werden von den bürgerlichen Medien wegen ihrer Kleidungen oder ihrer Kultur massiv angegriffen und stehen oftmals im Zentrum der rassistischen Hetze.

Als Arbeiter*innen in imperialistischen Ländern, deren Regierungen für die Unterdrückung und Ausbeutung von kolonialen und halbkolonialen Länder verantwortlich sind, ist es unsere Pflicht das Recht auf nationale Selbstbestimmung der unterdrückten Völker, wie der Kurd*innen bedingungslos zu verteidigen.
Es ist die Regierung in Deutschland, die durch ihre Investitionen unsere Klassengeschwister im Nahen Osten ausbeutet, Waffen an die autoritärsten Regime verkauft und ihnen politische Unterstützung leistet. Es ist die deutsche Regierung, die dafür verantwortlich ist, dass Tausende Menschen jedes Jahr im Mittelmeer sterben, weil sie vor Kriegen mit Hunderttausenden Opfern fliehen, von denen die Kapitalist*innen in Deutschland profitieren.

Es ist aber eben auch dieselbe deutsche Regierung, die unsere Lebensgrundlage hier in Deutschland angreift, Kürzungen und Privatisierungen in der öffentlichen Daseinsvorsorge durchsetzt, Hunderttausende Menschen durch Hartz IV oder unzureichende Rente in Armut drängt, oder besonders in ostdeutschen Bundesländern eine rasante Deindustrialisierung durchgeführt hat, was zur Folge hatte, dass 80 Prozent der ostdeutschen Bevölkerung bei der Wiedervereinigung ihre Arbeitsplätze verloren haben.

So ist der Kampf gegen die Kriminalisierung der kurdischen Bevölkerung und linker Aktivist*innen, mit dem Kampf gegen die Prekarisierung, die Spaltung der Arbeiter*innenklasse, für gleiche Bürger*innenrechte für alle, gegen die Angriffe auf die Rechte der Frauen und dem Kampf gegen den deutschen Imperialismus verbunden.

Gegen die Repression des Staates, den Rechtsruck und die Kriminalisierung von kurdischen und linken Aktivisten*innen brauchen wir deswegen eine starke Bewegung, die aus allen migrantischen und linken Organisationen, Gewerkschaften und anderen Arbeiter*innenorganisationen besteht.
Die Gewerkschaften müssen die demokratischen Forderungen der migrantischen Arbeiter*innen aufnehmen und sich konkret gegen ihre politische Unterdrückung stellen. So wie die Bildungsgewerkschaft GEW sich mit den entlassenen Akademiker*innen in der Türkei solidarisiert und ihre Freilassung von der türkischen Regierung gefordert hat, müssen sich alle Gewerkschaften der Kriminalisierungswelle gegen die Oppositionellen hier in Deutschland entgegenstellen.

Neben der Forderung für ein Ende der Kriminalisierung der kurdischen und linken Organisationen, müssen wir für die Freilassung aller politischen Gefangenen in Deutschland und in der Türkei kämpfen. In Deutschland unter anderem für die Freilassung der türkischen und kurdischen Aktivist*innen und in der Türkei für die Freilassung der festgenommenen, streikenden Arbeiter*innen, Akademiker*innen, Abgeordneten, der tausenden Studierenden und jungen Aktivist*innen in der Türkei, aber auch für die Freilassung des PKK-Führers Abdullah Öcalan.

Während wir für einen sofortigen Stopp aller Waffenexporte in die Türkei und an andere reaktionäre Kräfte in der Region kämpfen, stellen wir uns gegen jegliche imperialistische Intervention im Nahen Osten.

Wir kämpfen gegen die Rüstungsforschungen an den Universitäten, gegen das Werben der Bundeswehr an Bildungseinrichtungen, gegen die Polizeiaufgabengesetze und die willkürliche Polizeirepression. Alle Abschiebungen, besonders der kurdischen Aktivist*innen müssen gestoppt, allen Geflüchteten und Migrant*innen volle Bürger*innenrechte gewährleistet werden. Die Kriminalisierung der Selbstorganisierung der Frauen und ihrer Organisationen muss ein Ende haben.

Alle angeklagten Aktivist*innen, die sich mit dem kurdischen Befreiungskampf solidarisiert haben, müssen freigesprochen und die Verbote aller kurdischen Organisationen aufgehoben werden. Die weitreichenden Überwachungsmaßnahmen müssen unverzüglich beendet werden. Wir brauchen einen gemeinsamen Kampf für die Rücknahme der Polizeiaufgabengesetze, die vor allem dazu eingesetzt werden, die Jugend, Geflüchtete und Migrant*innen zu kriminalisieren.

Als einen ersten Schritt rufen wir alle linke, migrantischen Organisationen, die Gewerkschaften, alle Arbeiter*innenorganisationen und Aktivist*innen dazu auf, sich mit den Betroffenen der Klagewelle wegen des Zeigens der Symbole von YPG/YPJ zu solidarisieren, ihnen praktische Unterstützung zu leisten und sich an der Kampagne „Solidarität sichtbar machen!“ zu beteiligen!

Für die Freiheit der politischen Organisierung!
Für das Selbstbestimmungsrecht des kurdischen Volkes!
Für das Ende der Repression gegen linke und kurdische Organisationen!

Kundgebung gegen die Kriminalisierung der YPG und YPJ

Solidarische Aktivist*innen, wie in diesem Fall unser Genosse Benjamin Ruß, der gegen das Verbot der YPG protestierte, werden aktuell kriminalisiert und müssen sich der polizeilichen Repression stellen. Am Freitag, dem 14.12.2018, wird nun eine Gerichtsverhandlung gegen unseren Genossen stattfinden, der wegen des Verstoßes gegen das Vereinsgesetz angeklagt ist – in Worten, wegen des Vorwurfes eine kurdische YPG-Flagge auf Facebook geteilt zu haben.

Wir rufen auf, Solidarität sichtbar zu machen und ihn an diesem Tag bei unserer Kundgebung sowie seinem Prozess zu begleiten.

Schluss mit der Kriminalisierung der kurdischen Befreiungsbewegung!

Wann? Freitag, 14. Dezember, 8:15 bis 14 Uhr
Wo? Amtsgericht München, Nymphenburger Straße 16, 80335 München
Facebook-Event

Kampagne: Solidarität sichbar machen!

Hunderte Anzeigen laufen gegen kurdische und linke Aktivist*innen, die sich mit kurdischen Organisationen solidarisiert haben. Wir erklären uns solidarisch mit allen Betroffenen dieser Kriminalisierung und rufen zur Unterstützung der Solidaritätskampagne.

Kampagnenseite: https://sichtbarmachen.noblogs.org/ 
Für  Spenden: https://sichtbarmachen.noblogs.org/spenden/ 

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