Saudi-Arabien: Verbündeter des Westens, Anführer der Konterrevolution

07.01.2016, Lesezeit 6 Min.
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Der Terrorstaat Saudi-Arabien hat am letzten Samstag, den 02.01.2016 in der Hauptstadt Riad 47 Menschen exekutiert. Die Kluft zwischen Saudi-Arabien und dem Iran vergrößert sich. Die Spannungen im Mittleren Osten sind so stark, dass nun in der gesamten Region eine konfessionelle Kriegsstimmung herrscht.

Anlässlich der Massenhinrichtung formten sich Proteste in mehreren Ländern in der Region, angeführt von den schiitischen Gemeinschaften. Zu den Exekutierten gehört auch der prominente schiitische Geistliche Scheich Nimr Bāqir al-Nimr, der im Zuge des arabischen Frühlings im Osten Saudi Arabiens zum Sprachohr der schiitischen Oppositionellen wurde. Die schiitische Minderheit im Osten des Landes beschwert sich seit langer Zeit über die gesetzliche und religiöse Diskriminierung durch die wahabitische Monarchie.

Besonders im Iran waren die Proteste geprägt von tiefer Wut: Die Spannungen zwischen dem Iran und Saudi-Arabien sind auch durch den Konflikt in Syrien gewachsen. Teheran unterstützt dort das Regime von Präsident Baschar al-Assad, Riad hingegen die Gegner Assads. Einen Tag nach der Exekutionen fanden vor der saudischen Botschaft in Teheran massenhafte Proteste statt, die mit der Brandstiftung der Botschaft endeten. Politische und religiöse Anführer aus dem Iran betonten, Saudi Arabien werde einen hohen Preis für die Exekutionen des schiitischen Oppositionellen zahlen müssen. Am 03. Januar brach die Monarchie dann die Beziehungen zum Iran ab und zog ihre Diplomaten zurück. Am selben Tag wurde die Vertretung Irans und alle mit ihr verbundenen Einrichtungen aufgefordert, das Land zu verlassen.

Hinrichtungen gehören in Saudi-Arabien zum Alltag. Saudi-Arabiens Henker richten im Schnitt an jedem zweiten Tag einen Menschen hin. Bereits im vergangenen Jahr wurden 175 Menschen exekutiert – seit Jahrzehnten ein Höchstwert. Die von der Barbarei betroffenen sind die schiitische Minderheit, Frauen, Homosexuelle und Oppositionelle.
Saudi-Arabien ist der Anführer der Reaktion gegen den arabischen Frühling. Die Monarchie lehnte nicht nur die demokratischen Machtwechsel ab, sondern unterstütze alle konterrevolutionären Kräfte mit Waffen und Geld. Deshalb unterstützte sie gemeinsam mit Kuwait und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) den Militärputsch von General Al Sisi in Ägypten, der heute ein bonapartistisches Diktatur-Regime verwaltet.

Gleichzeitig trifft der von der Öl-Monarchie mit herbeigeführte historische Erdöl-Tiefpreis die Wirtschaft stark. Schon im vergangenen Jahr mussten sie ein Haushaltsdefizit von 90 Milliarden Dollar verzeichnen und im kommenden Jahr soll sich diese Situation noch verschärfen. Angesichts dieser Aussichten kündigte das Königshaus einen harten Sparkurs, Aufhebung von Subventionen und die Einführung neuer Steuern ein, die die Lebensbedingungen der Bevölkerung stark beeinflussen werden.

Hinrichtungen im Schatten des Konflikts zwischen Regionalmächten

Der Iran gilt in der Region als Vertreter der Schiiten und stärkster Gegner des Saud-Regimes. Besonders der Bürger*innenkrieg in Syrien hat die Spannungen zwischen Saudi-Arabien und dem Iran verschärft: In Syrien unterstützt die Monarchie jegliche oppositionelle Gruppe und ist für die Bewaffnung dieser Gruppen verantwortlich. Auch wenn sie heute Teil der Koalition gegen den IS ist, steht es fest, dass sie die Bildung der salafistischen Armee des Islam unterstützen, um Assad zu bekämpfen und innerhalb der verschiedenen islamistischen Fraktionen Kraft zu gewinnen. Das primäre Interesse des Saudi-Regimes in Syrien besteht darin, das schiitische Regime in Iran isolieren und zu entmachten.

Auch die Annäherung zwischen dem Iran und den USA (mit Deutschland im Schlepptau) war für Saudi-Arabien und den zionistischen Staat Israel ein unglücklicher Moment. Sie sahen den Nachteil an dem Atomabkommen darin, die Rolle Irans als Regionalmacht gefestigt zu haben. Die Aufhebung der wirtschaftlichen Sanktionen ermöglichte aus Sicht der beiden Terror-Staaten die aktive Beteiligung Irans an den Entscheidungsprozessen über die geopolitische Zukunft der Region.

Auch im Jemen stehen sich der Iran und Saudi-Arabien gegenüber, wo sich ein klassischer Stellvertreter*innenkrieg zwischen den beiden Regionalmächten abspielt. Die Monarchie führt eine regionale militärische Koalition an, die die hauptsächlich schiitischen Huthi-Rebellen bekämpft. Diese wiederum werden vom Iran unterstützt. Der saudische König Salman ibn Abd al-Aziz Al ruft die Golfstaaten dazu auf, gemeinsam gegen die Bedrohung der regionalen Stabilität, die vom Iran ausgehen würde, vorzugehen.

Die Beziehungen zwischen der saudischen Monarchie und dem Imperialismus besteht darin, dass Saudi-Arabien die Stabilität der Energiemärkte durch Öl-Abkommen sichert und die westlichen Imperialismen vor möglichen Bedrohungen aus der Region schützt. Saudi-Arabien ist einer der führenden Importeure von Waffen aus Deutschland. Alleine in der ersten Jahreshälfte 2015 erhielt die Öl-Monarchie Waffen im Wert von 178,6 Millionen Euro. Besonders im arabischen Frühling setzte die saudische Monarchie sich stark dafür ein, die demokratischen Massenbewegungen zu vernichten.

Die Reaktion der westlichen Imperialismen auf diesen Konflikt ist zutiefst heuchlerisch. Sie bekunden ihre Sorgen über die Menschenrechtsverletzungen in Saudi-Arabien, während aber der Bruch der politischen Partnerschaft mit diesem nicht in Frage kommt. Das blutige Gesicht der westlichen Imperialismen lässt sich an der politischen Situation im Nahen Osten deutlich erkennen. Das Saudi-Regime eröffnete den Imperialismen im arabischen Frühling den Weg, die Massenbewegungen zu beeinflussen. Nun erleben die unterdrückten Völker die Konsequenzen der imperialistischen Interventionen in der Region, die konfessionelle, reaktionäre Kriege produziert haben. Weil die Monarchie den geopolitischen und wirtschaftlichen Interessen der westlichen Imperialismen dient, spielen die Massenhinrichtungen oder Unterdrückungen an Minderheiten keine besondere Rolle.

Die Stellvertreter*innenkriege im Nahen und Mittleren Osten betreffen nur die Arbeiter*innen, Jugendliche, Frauen, landlose Bäuer*innen, Minderheiten und unterdrückte Völker wie Kurd*innen und Palästinenser*innen. Die Völker sind erschöpft von den Stellvertreter*innenkriegen, die nur nach Interessen der Imperialismen und Regionalmächten geführt werden. Gegen die konfessionelle und nationale Spaltung besteht heute die Aufgabe darin, die revolutionäre Front der Arbeiter*innen und Unterdrückten aufzubauen.

NACHTRAG: Der Beitrag wurde nachträglich geändert. Die Höhe der Waffenexporte bezieht sich alleine auf die erste Jahreshälfte 2015, und nicht auf das gesamten Jahr, wie wir ursprünglich schrieben.

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