Russland: mehr als 5.600 Verhaftungen bei Protest am Sonntag

02.02.2021, Lesezeit 4 Min.
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Foto von Konstantin Lenkov / Shutterstock.com

Am Sonntag gingen erneut Zehntausende in hundert russischen Städten auf die Straße und forderten die Freilassung des rechtsliberalen Oppositionsführers Alexej Nawalny. Putins Regierung reagierte erneut mit harter Repression. Am Dienstag wurde Nawalny zu 3,5 Jahren Gefängnis verurteilt.

Die Regierung von Wladimir Putin hat am Sonntag verschärfte Repression gegen die Demonstrationen eingesetzt, die erneut im ganzen Land stattfanden. Neben vielen Verletzten durch den Einsatz von Schlagstöcken, Gas und sogar Taserpistolen gab es eine historische Anzahl von Festnahmen.

Laut der Website OVD Info wurden 5.646 Personen in Moskau, St. Petersburg, Wladiwostok, Nowosibirsk, Jekaterinburg und anderen Städten festgenommen. Eine noch nie dagewesene Zahl in der Geschichte des Landes, was die Angst des Regimes vor einer Eskalation der Proteste widerspiegelt.

Angesichts der friedlichen Demonstrationen war die Rerpression völlig unverhältnismäßig. Dazu gehörte die Verhaftung mehrerer Anführer:innen der Organisationen, die die Proteste organisiert hatten, darunter die Sprecherin der Partei „Russland der Zukunft“, Kira Jarmisch, und Nawalnys Ehefrau, Julia Nawalnaja. Viele Menschen wurden schon festgenommen, als sie ihre Häuser verließen, damit sie die Kundgebungsorte nicht erreichten. Mehr als 80 Journalist:innen (die an ihren Westen als solche erkennbar waren) wurden ebenfalls verhaftet.

Die Demonstration in der Hauptstadt erlitt die härteste Repression. Die Behörden leiteten aufgrund der Verhaftungen mehr als 2.000 Verwaltungsverfahren ein, zu denen noch Dutzende von Strafverfahren hinzukommen. Bereits am 23. Januar, am ersten Tag der Proteste für die Freilassung von Nawalny, hatte die Regierung in Dutzenden von Städten Repression ausgeübt und mehr als tausend Verhaftungen vorgenommen, darunter auch Julia Nawalnaja.

Am Montag verhängten die Gerichte weiterhin Haftbefehle gegen die wenigen Anführer:innen des Protests, die sich nicht bereits seit letzter Woche in Gewahrsam befanden, wie der Anführer von Offenes Russland, Alexej Piwowarow.

Unterdessen rechtfertigte die Regierung provokativ die Unterdrückung der Demonstrationen, die sie als „illegal“ bezeichnete, mit dem Hinweis auf das Demonstrationsverbot zur Verhinderung der Ausbreitung von Covid-19. Sie schob die Schuld an den Vorfällen auf angeblich gewalttätige Gruppen von Demonstrant:innen.

„Es gab eine ziemlich große Anzahl von Hooligans und Provokateuren mit einer mehr oder weniger aggressiven Haltung gegenüber den Ordnungskräften, was unzulässig ist“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow.

Auf die Frage, ob der Präsident die brutalen Bilder der Repression gesehen habe, die von Journalist:innen und von den Demonstrant:innen selbst mit ihren Handys aufgenommen und in verschiedenen Medien und sozialen Netzwerken verbreitet wurden, rief Peskow dazu auf, „nicht jedes Video, das bei diesen illegalen Demonstrationen aufgenommen wurde, auf primitive Art und Weise zu bewerten.“

In diesem autoritären und stark repressiven Klima fand am heutigen Dienstag der Prozess gegen den Oppositionsführer Alexej Nawalny statt. Das Gericht verurteilte ihn nach Antrag des Föderalen Strafvollzugsdienstes mit Unterstützung der Generalstaatsanwaltschaft zu 3,5 Jahren Haft. In Bezug auf das Thema sagte Peskow unverblümt, „wir müssen mit der vollen Härte des Gesetzes handeln“.

Nawalny, Anführer der rechtsliberalen „Anti-Korruptions“-Partei „Russland der Zukunft“, wurde am 17. Januar in Untersuchungshaft genommen, als er aus Deutschland zurückkehrte. Dort hatte er sich mehrere Monate von der Vergiftung erholt, die er im vergangenen August erlitten hatte. Alle Verdächtigungen zielen auf Putins Regierung, die eine lange Geschichte der physischen Verfolgung ihrer Gegner:innen hat.

Die Regierung wirft Nawalny vor, die Bedingungen einer 3,5-jährigen Bewährungsstrafe, die 2014 gegen ihn verhängt und vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte für rechtswidrig erklärt wurde, nicht erfüllt zu haben. Darüber hinaus weist die Opposition darauf hin, dass die Vorwürfe der Korruption gegen Nawalny von der Regierung erfunden wurden.

Am Vorabend der Ankunft des Hohen Vertreters der EU für Außenpolitik, Josep Borrell, könnte dieses ganze Szenario noch mehr diplomatische Probleme für Putin bringen. Bereits jetzt wird er von Bundeskanzlerin Angela Merkel als Verantwortlicher für die Vergiftung von Nawalny bezeichnet und wird nun für die brutalen Szenen der Repression kritisiert.

Dieser Artikel erschien zuerst auf Spanisch bei La Izquierda Diario.

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