Russland: Linker Soziologe Kagarlitzki wegen Kritik am Kreml zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt

04.03.2024, Lesezeit 3 Min.
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Boris Kagarlitzky im Jahr 2014 bei einer Veranstaltung der Linkspartei. Foto: Fraktion die LINKE / Flickr, CC BY 2.0 DEED

Der russische Intellektuelle wurde wegen "Rechtfertigung von Terrorismus" angeklagt und am 13. Februar vom russischen Militärberufungsgericht zu fünf Jahren Haft in einer Strafkolonie verurteilt.

Schon am 25. Juli 2023 verhaftete der russische Föderale Sicherheitsdienst (FSB) Boris Kagarlitzki, einen bekannten Politikwissenschaftler und Soziologen, Herausgeber des Online-Magazins Rabkor und Direktor des Instituts für Globalisierung und soziale Bewegungen.

Im Dezember vergangenen Jahres wurde Kagarlitzki dann wegen „öffentlicher Rechtfertigung des Terrorismus“ verurteilt, nachdem er ein Video veröffentlicht hatte, in dem er die Bombardierung der Krim-Brücke im Oktober 2022 kommentierte. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft habe er mit dem Video den ukrainischen Angriff gebilligt und zur Nachahmung ermutigt.

Boris Kagarlitzki wurde zu einer Geldstrafe von 609.000 Rubel (circa 6.200 Euro) verurteilt, nach deren Zahlung er wieder freigelassen wurde. Die Staatsanwaltschaft ging jedoch in die Revision. Am 13. Februar verschärfte das russische Militärberufungsgericht seine Strafe massiv auf fünf Jahre in einer Strafkolonie. In den vergangenen Jahren hatte die Regierung Putin bereits ihre Feindseligkeit gegenüber Kagarlitzki verschärft. Im Mai 2022 wurde er zum „ausländischen Agenten“ erklärt.

Abseits davon, dass Boris Kagarlitzki ein weltberühmter Politikwissenschaftler und Soziologe ist, ist er auch ein Marxist, der sein Wissen im Klassenkampf erworben hat. Kagarlitzki ist Teil der sozialistischen Weltbewegung und hat mehr als eine Generation von Marxist:innen ausgebildet. Er war ein linker Oppositioneller in der Sowjetunion. Mit diesem Urteil wird er zu einem politischen Gefangenen in Putins Russland.

Seit seiner Verhaftung im Juli 2023 setzen sich Organisationen für seine sofortige Freilassung ein und weisen darauf hin, dass seine Inhaftierung auf die jüngste Kritik an Putins Regierung zurückzuführen ist. Sie ist Teil der eskalierenden Verfolgung und Unterdrückung von Aktivist:innen und Kritiker:innen. Dazu gehört auch, dass bereits die Bezeichnung des Kriegs mit der Ukraine als „Krieg“ kriminalisiert wird.

Natalia Zviagina, Direktorin von Amnesty International Russland, kommentierte den Hergang:  „Dieses Urteil ist ein eklatanter Missbrauch der vagen Anti-Terror-Gesetzgebung, die als Waffe zur Unterdrückung abweichender Meinungen und zur Bestrafung eines Kritikers der Regierung eingesetzt wird. Mit der strafrechtlichen Verfolgung von Boris Kagarlitzki – einem renommierten Soziologen, dessen kritische Haltung gegenüber der Regierungspolitik allgemein bekannt ist – zeigen die russischen Behörden wieder einmal, wie brutal sie gegen alle Formen des politischen Widerspruchs vorgehen. 

Diese Verurteilung und die Intransparenz des Gerichtsverfahrens sind ein weiteres deutliches Beispiel für den Umgang mit politisch Andersdenkenden in Russland. Es ist ein klarer Angriff auf die Meinungsfreiheit, mit der Absicht, kritische Stimmen durch Angst und Repression zum Schweigen zu bringen.

Dieser Fall ist kein Einzelfall, sondern Teil eines umfassenderen, systematischen Programms zur Unterdrückung der Opposition und zur Kontrolle dessen, was in Russland gesagt werden darf und was nicht. Amnesty International fordert die sofortige Freilassung von Boris Kagarlitzki und fordert die internationale Gemeinschaft auf, sich mit ihm zu solidarisieren und gegen das Unterdrücken kritischer Meinungen und die fortgesetzte Aushöhlung der Menschenrechte in Russland zu protestieren.“

Dieser Artikel erschien zuerst am 20. Februar auf Spanisch bei La Izquierda Diario, der Zeitschrift unserer argentinischen Schwesterorganisation PTS, Mitglied der internationalen Strömung FT-CI.

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