Revolutionärer Bruch mit SDS und LINKE: Aufbau von Waffen der Kritik in Münster

19.06.2023, Lesezeit 8 Min.
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Foto: privat

In Münster haben wir, fünf ehemalige Mitglieder des SDS, den Bruch mit der Linkspartei endgültig vollzogen und begonnen, Waffen der Kritik, die neue Hochschulgruppe von Klasse Gegen Klasse, und die Arbeiter:innengruppe KGK Workers, aufzubauen.

Im Münsteraner SDS haben wir lange das Verständnis vertreten, unabhängig der Linkspartei, revolutionäre Politik machen und den Klassenkampf vorantreiben zu können. Die Entwicklungen des Münsteraner wie des Bundes-SDS und die Erfahrungen der letzten Jahre in zahlreichen (Organizing-)Kampagnen haben uns jedoch eines Besseren belehrt.

Dem Namen nach eine Neugründung des legendären alten SDS, ist dieLinke.SDS alles andere als das. Der Verband ist keineswegs organisatorischer Ausdruck einer großen Studierendenbewegung, denn so etwas gibt es in Deutschland nicht mehr, sondern er ist ein loser Zusammenhang kleiner und mittelgroßer Studigrüppchen, die zwar formal an über 60 Städten existieren, aber nur sehr bedingt als geeinter, strategischer und überregional wirksamer politischer Akteur auftreten. In der Klimabewegung konnte der SDS zwar zeitweilig recht beeindruckenden Einfluss gewinnen, doch blieb dies leider ohne große politische Konsequenzen. In den meisten SDS Gruppen herrscht eine gewisse politische Beliebigkeit und Unverbindlichkeit, was natürlich auch an der notorischen Instabilität und starken Fluktuation der Mitgliedschaften liegt. Der SDS Münster bspw. tauscht sich alle 3-4 Jahre personell völlig aus. Erfahrungen werden so nie langfristig gemacht, politische Fehler werden immer wieder wiederholt, das theoretische Niveau bleibt allgemein recht niedrig und der Einfluss reformistischer und identitätspolitischer Ideen ist daher groß.

Revolutionär ist der SDS in seiner jetzigen Form sowieso nicht, auch wenn dies manchmal sein Selbstbild ist. Man ist finanziell und politisch völlig von der LINKEN abhängig. In vielen Städten dient man als verlängerter Arm der LINKEN an der Hochschule, ja geht sogar zum Teil seltsame StuPa-Wahlbündnisse mit CampusGrün, Jusos, manchmal auch mit irgendwelchen autonomen Gruppen oder der SDAJ ein. Der Grad der direkten politischen Zusammenarbeit mit den LINKE-Strukturen (falls noch vor Ort vorhanden) variiert zwar stark, aber eine vollständige finanzielle Abhängigkeit ist nicht zu leugnen. Das macht sich auch in den verschiedenen Politikansätzen bemerkbar, die die unterschiedlichen Gruppen und Fraktionen im SDS vorschlagen. Sie alle bleiben in letzter Konsequenz auf dem Boden des Kapitalismus, sie alle sind abhängig von den Wahlergebnissen einer reformistischen Partei.

Die Abhängigkeit und Nähe zur Partei beweist der Bundes-SDS aktuell in aller Offenheit. Im Leitantrag, der auf dem Bundeskongress an diesem Wochenende beschlossen wurde, betont er im Absatz zur Krise der Linkspartei, dass er sich als LINKE-Jugendkader und linkes Korrektiv der Partei versteht. Kritik an Regierungsbeteiligungen oder dem reformistischen, bürokratischen Charakter der Partei bleiben jedoch aus. Ist der SDS programmatisch doch oftmals radikaler als seine Mutterpartei, so haben die revolutionären Knospen aber keine Chance, sich zu entfalten. Sie verdorren im Schatten des Reformismus, der eine langfristige revolutionäre Organisierung verhindert.

In der Praxis wurde dies deutlich, wo in Bündnissen und verschiedenen Tarifkämpfen die eigenen Kräfte erschöpft wurden, ohne die fortschrittlichen Teile der Arbeiter:innenklasse anzusprechen und in der eigenen Organisation zu verankern. Stattdessen wurden die eigenen programmatischen Forderungen systematisch auf das durchschnittliche Bewusstseinsniveau der Bewegung zurückgefahren, wodurch am Ende zwar große Bündnisse und Gruppen aufgebaut werden konnte, die aber politisch nicht mehr den fortschrittlichsten Teil der Bewegung darstellten, sondern hinter ihrer Bewusstseinsentwicklung zurückblieben. Durch diese Strategie ist man selbst zum stumpfen Ökonomismus herabgesunken, kann nur die Uneinigkeit der Bewegung verwalten, aber kann sie nicht als revolutionäre Vorhut anführen.

Deutlich wurde die Schwäche dieser Taktik beispielsweise bei der Kampagne „TVN-2020”, bei der es darum ging, als SDS in die Klimabewegung zu intervenieren, um diese dann zu einem Bünd­nis mit den streikenden Busfahrer:innen zu be­wegen. Dabei wurden die Methoden des Organi­zings angewendet. Das Ergebnis hatte in An­betracht der Coronapandemie tatsächlich be­grenzte Erfolge, doch wurde kein Wert auf die langfristige Einbindung der Aktivist:innen und Busfahrer:innen gelegt, wohin denn auch?

Nachdem man beide Gruppen einmal erfolgreich aneinander gewöhnt und zu gemeinsamen Erklärungen, Demos, ge­genseitigen Soliaktionen bewegt hatte (was alles großartige Dinge sind), folgte darauf aber nichts Weiteres. Die Gewerkschaftsbürokratie verhandelte einen schrecklich schlechten Tarifvertrag und die Genoss:innen im SDS hatten keine Antwort auf diese Situation. In der Folge verließen Beschäftigte frustriert die Gewerkschaft. Die eige­ne Organisation bot zwar für einige Klimaakti­vist:innen einen neuen Raum, konnte aber wegen ihrer Natur als reine Studiorga keine Beschäftigen aufnehmen.

Für die langfristige Organisierung der fortschrittlichen Teile der Arbeiter:innenklasse braucht es die konsequente Abwendung von Gewerkschafts- und Parteibürokratie und damit den Bruch mit der Linkspartei. DIE LINKE besitzt schon lange kein revolutionäres Potenzial mehr. Im Gegenteil ist sie seit ihrer Gründung Teil der Regierung in verschiedenen Bundesländern und Kommunen und trägt dabei Abschiebungen, Zwangsräumungen, Privatiserungen und Polizeigewalt mit. Aktuellstes Beispiel sind die Verbote der Demonstrationen in Solidarität mit Lina E. und den weiteren Verurteilten des Antifa-Ost-Prozesses in Leipzig, die durch die rot-rote Stadtregierung und das Ordnungsamt, das der Linkspartei untersteht, beschlossen wurden.

Egal wie fortschrittlich und ehrlich die reformistischen Bemühungen der Linkspartei auch sein mögen, in der Bürokratie des bürgerlichen Staates werden sie durch das strukturelle Übergewicht der Interessen der Bourgeoisie und der bürgerlichen Klassenjustiz sofort zunichte gemacht. Wir wollen uns nicht zufrieden geben mit der Mitverwaltung des Kapitalismus, sondern wollen dieses krisengeplagte System endgültig überwinden, um eine Demokratie der Arbeiter:innenklasse zu errichten.

Aber wie kann eine Alternative zur LINKEN aussehen, in der wir uns als Studierende und Arbeiter:innen revolutionär organisieren können?
Wir sehen die Universitäten als zentrale Orte der Ideologieproduktion, an denen wir unsere Rolle als Studierende darin sehen, den Kampf gegen die Hegemonie der bürgerlichen Ideologie zu führen. Gleichzeitig müssen wir die Kämpfe an den Unis mit denen der Arbeiter:innen verbinden. Als Studierende sind wir einerseits in der Regel selbst Ausgebeutete dieses Systems, die oft unter prekären Bedingungen zu niedrigen Löhnen arbeiten, um letztendlich doch kaum über die Armutsgrenze hinauszukommen. Andererseits besitzen wir eine besondere Spontanität und Radikalität, mit der wir den Kampf der Arbeiter:innenklasse unterstützten und ihm eine neue Dynamik verleihen können. Frankreich im Mai 1968 war dafür ein leuchtendes Beispiel. Doch es fehlte damals wie heute an einer revolutionären Massenpartei der Arbeiter:innenklasse, die die Bewegung zum Sieg hätte führen können. Um die Gründung einer solchen Partei vorzubereiten, braucht es bereits im Hier und Jetzt eine revolutionäre sozialistische Organisation, die komplett mit dem Reformismus und der Mitverwaltung des Kapitalismus bricht.

Bei Waffen der Kritik können wir uns als Studierende organisieren und an der Seite der Arbeiter:innen gegen dieses ausbeuterische System kämpfen. Mit KGK Workers bauen wir in Münster gleichzeitig eine Gruppe auf, in der sich die fortschrittlichen Kräfte aus der Arbeiter:innenbewegung engagieren können, die mit dem Zusammenbruch der LINKEN sonst resigniert und ohne Perspektive zurückgelassen worden wären. Zusammen können wir die zentralen Hebel erobern, den Kapitalismus an seiner Achillesferse treffen und ein System ohne Unterdrückung im Sinne unserer Bedürfnisse – nicht der des Kapitals – aufbauen.

Um den bürgerlich-kapitalistischen Staat zu überwinden, müssen wir außerdem über den nationalstaatlichen Rahmen hinaus agieren. Aus diesem Grund gehören wir, die wir uns um die Online-Tageszeitung Klasse Gegen Klasse gruppieren, welche von der Revolutionären Internationalistischen Organisation (RIO) herausgegeben wird, zu einem internationalen Netzwerk für den Wiederaufbau der Vierten Internationale, die unseren Kampf gegen die eigene herrschende Klasse mit dem internationalen Kampf gegen den Imperialismus und Kapitalismus verbindet.

Unsere Auftaktveranstaltung „Klassenkämpfe in Europa: Ein Potential gegen die Krise?“ findet am 01.07. um 19 Uhr im Kulturzentrum Odak statt. Gemeinsam wollen wir die Voraussetzungen für einen tatsächlichen Sieg im Klassenkampf beleuchten sowie eine Strategie diskutieren, welche Schritte wir bereits heute in Deutschland in diese Richtung gehen können. Sei dabei und diskutiere mit uns! Die Veranstaltung bietet dir außerdem eine gute Gelegenheit, die Gruppen Waffen der Kritik und KGK Workers kennenzulernen.

Veranstaltung in Münster


Klassenkämpfe in Europa: Ein Potential gegen die Krise


Jugendliche und Arbeiter:innen betreten vereint die Bühne in Frankreich und Großbritannien. Eine Diskussion über die revolutionäre Perspektive der Verbindung der Kämpfe. Veranstaltung am 01. Juli um 19 Uhr im Odak Kulturzentrum, Münster.

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