Repression fünf Jahre nach der „ägyptischen Revolution“

26.01.2016, Lesezeit 4 Min.
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Von der tunesischen Revolution inspiriert, kam es am 25. Januar 2011 in der Hauptstadt Kairo zum Aufruhr gegen die diktatorische Regierung von Husni Mubarak. Letztlich wurde die Revolution jedoch niedergeschlagen. Fünf Jahre später herrscht in Kairo ein anderer Diktator. Zum Jahrestag der Revolution wurde die Hauptstadt komplett mit Panzern und Sicherheitskräften abgeriegelt.

Im Juli 2013 hatte Abd al-Fattah al-Sisi militärisch gegen die Regierung der Muslimbruderschaft von Mursi geputscht. Seitdem herrscht massive Repression gegen oppositionelle Gruppen, um ein Wiederaufflammen der Massenproteste zu verhindern. So wurden seither nach Angaben von Aktivist*innen mindestens 2500 Menschen ermordet und über 50.000 Menschen ohne Anklage und unter Folter in politische Haft genommen – über 150 Oppositionelle sind spurlos verschwunden. Frauen und Homosexuelle werden von Sicherheitskräften vergewaltigt und bis zum Tode gefoltert. Bei den ersten Zeichen von Protesten oppositioneller Gruppen werden Schlägertrupps der Polizei und Panzer eingesetzt.

Denn die Al-Sisi-Diktatur fürchtet sich fünf Jahre später immer noch vor der ägyptischen Revolution. Zur Vorbereitung auf den fünften Jahrestag des „Tages der Revolte gegen Folter, Armut, Korruption und Arbeitslosigkeit“ rüstete das Regime auf: Kairo wurde schon am vergangenen Wochenende von Polizisten und Soldaten belagert. Auf dem Tahrir-Platz fuhren Panzer auf. Die Krankenhäuser wurden in Alarmbereitschaft versetzt. Mindestens 5000 Wohnungen wurden in den letzten Tagen durchsucht, dutzende Aktivist*innen, Journalist*innen, Ärzt*innen und Rechtsanwält*innen verhaftet.

Die Staatsgewalt nutzt auch öffentliche Medien wie Fernsehprogramme, um die Bevölkerung einzuschüchtern. Sollten sie am 25. Januar auf die Straße gehen, würden sie entweder im Gefängnis oder im Grab landen, hieß die barbarische Botschaft. So betonte der Bonaparte Al-Sisi: „Warum höre ich Rufe nach einer weiteren Revolution? Warum wollt ihr Ägypten ruinieren? Ich bin durch euren Willen an die Macht gekommen und nicht gegen euren Willen“.

Doch die Wahrheit sieht anders aus: Al-Sisi hatte 2013 die Massenproteste gegen die moderat-islamische Mursi-Regierung, die in den Wahlen nach dem Sturz Mubaraks an die Macht gekommen war, für einen Militärputsch ausgenutzt. Die Mursi-Regierung hatte mit neoliberalen Maßnahmen die Arbeiter*innen angegriffen und der herrschenden Korruption nur ein anderes Gesicht verliehen.

Al-Sisi nutzte die gebotene Chance auch im Interesse der Imperialismen – besonders Deutschland und USA –, aber auch der Regionalmacht Saudi-Arabien und des zionistischen Staates Israel. Erhellend sind die Worte von Ägyptens Außenminister Samih Schukri: „Die militärische Zusammenarbeit ist für uns sehr wichtig. Wir führen einen Krieg gegen den Terror und verteidigen hier auch Europa.“ Besonders deutsche Firmen sind in Ägypten sehr aktiv. An den Megaprojekten des Staates sind sie in erster Reihe beteiligt. So baut Siemens in Ägypten neue Gas- und Windkraftwerke im Wert von rund acht Milliarden Euro.

Die Probleme, gegen die sich die Massen Anfang 2011 richteten, gelten heute noch verstärkt: Folter, Armut und Korruption. Welche Lehren sind also aus dem Scheitern der ägyptischen Revolution zu ziehen?

Trotz der Kampferfahrungen – besonders in Mahalla, dem Zentrum der Textilindustrie, und in Kafr al-Dawar im Nildelta – konnte die Arbeiter*innenklasse in Ägypten die politische Führung nicht übernehmen. Linke Gruppen wie die „Revolutionären Sozialisten“ schwankten zwischen zwei reaktionären Lagern wie Mursi und Al-Sisi, statt auf die politische Unabhängigkeit der Arbeiter*innenklasse zu setzen. So wurde zunächst Mursi als Teil des „demokratischen Lagers“ gegen Mubarak kritisch unterstützt, später die Armee unter Sisi, die gegen Mursi putschte. Im Sommer letzten Jahres hat die Gruppe „Revolutionäre Sozialisten“ wiederum eine Front mit Mursis Muslimbruderschaft ins Leben gerufen. Wie Marx sagte: „Hegel bemerkte irgendwo, daß alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen, hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce.“

Es gibt sehr viele Lehren aus der Niederlage der Revolution zu ziehen: In diesen Ereignisse haben wir ein weiteres Mal die Etappentheorie scheitern sehen, d.h. die Strategie der politischen Unterordnung der Arbeiter*innenklasse unter die bürgerlichen Führungen im Kampf gegen Diktaturen oder reaktionäre Regime.

Doch die ägyptische Erfahrung zeigt: Es ist nur die Arbeiter*innenklasse, die demokratische Rechte durchsetzen, die imperialistische Barbarei in der Region beenden und der Ausbeutung und Unterdrückung ein Ende setzen kann. Diese Forderungen können allerdings nur von einer revolutionären Partei der Arbeiter*innenklasse im Kampf um die Macht verwirklicht werden, d.h. durch die Zerstörung des bürgerlichen Staates und Gründung der Organe der Arbeiter*innen und Unterdrückten. Das ist die strategische Lehre aus dem Scheitern des arabischen Frühlings.

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