Regierung verfestigt Leiharbeit und Werkverträge

26.05.2016, Lesezeit 4 Min.
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Die Bundesregierung einigte sich auf ein Maßnahmenpaket, das angeblich „den Missbrauch bei Leiharbeit und Werkverträgen“ bekämpfen soll. In Wirklichkeit werden den Bossen neue Schlupflöcher für Tarifflucht und Lohndumping gegeben und die Prekarisierung immer breiterer Schichten der Lohnabhängigen legitimiert.

„Es wird in Zukunft klare Regeln geben für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, um den Missbrauch bei Leiharbeit und Werkverträgen zu bekämpfen.“ So pompös verkündete Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) die Einigung der Regierungsspitzen zum entsprechenden Gesetzesentwurf.

In den Monaten zuvor fanden harte Auseinandersetzungen zwischen den Koalitionspartner*innen bezüglich des Gesetzes statt. Während die CDU auf weitere Ausnahmeregelungen und Entschärfungen drängte, weigerte sich die CSU sogar, jegliche Neuregulierung von Leiharbeit und Werkverträgen zu regeln. Die SPD setze dem keinen ernsthaften Widerstand entgegen und schwächte den Entwurf maßgeblich ab. Mit nur einer Kundgebung in München sprang die DGB-Bürokratie der Sozialdemokratie in die Bresche.

Ab jetzt gilt eine Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten für Leih- und Zeitarbeiter*innen. Das bedeutet, dass Unternehmen Leiharbeitsverträge nicht mehr unendlich verlängern können. Zudem muss nach dem neunten Monat das „Equal-Pay“-Konzept angewendet, also gleiche Entlohnung hergestellt werden. Des weiteren sollen Werkverträge schärfer nach Gültigkeit überprüft werden und die Beschäftigung von Leiharbeiter*innen in bestreikten Konzernen verboten werden.

Diese gut klingenden Worte machen jedoch vor allem deutlich, dass die Sozialdemokratie Erfahrung darin hat, brutale Angriffe auf Arbeiter*innenrechte gut zu verkaufen. Denn dies geschieht im Kleingedruckten.

Es ist keineswegs so, dass nach 18 Monaten Leiharbeit Schluss sein muss. Dies kann durch Tarifverträge verlängert werden – die selbst für diejenigen Betriebe gelten, die den Tarifvertrag selbst nicht unterschrieben haben. Außerdem bezieht sich die Dauer auf den*die Arbeiter*in, nicht aber auf den Arbeitsplatz. An diesem können alle mindestens 18 Monate ein*e neu*e Leiharbeiter*in Platz nehmen.

Auch bei der Regelung zur gleichen Bezahlung gibt es Ausnahmen. Sollten nach den ersten sechs Wochen Zuschläge zum Einstiegslohn gezahlt worden sein – wie es in der Metall- und Chemieindustrie Gang und Gebe ist – muss erst nach 15 Monaten gleicher Lohn gezahlt werden. Genug Zeit, um neues Personal zu finden. Zudem wurde die Unterbrechungszeit zwischen zwei Einsätzen, die eingehalten werden muss, wenn sie getrennt gezählt werden, von sechs auf drei Monate reduziert. Das macht es schwer, auf die neun Monate zu kommen. „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ – ein so grundlegendes Prinzip der Arbeiter*innenbewegung – in der BRD für viele Beschäftigte keine Realität.

Künftig müssen verschiedene Bedingungen erfüllt sein, um Werkverträge zu vergeben. Doch diese sind genauso schwammig wie zahnlos. Und das Verbot von Leiharbeiter*innen als Streikbrechende gilt nur dann, wenn sie die gleiche Arbeit wie ihre streikenden Kolleg*innen erledigen. Das Mitspracherecht über Werkverträge wird den Gewerkschaften weiter verweigert. Das ist besonders wichtig, denn bei Leiharbeit und Werksverträgen geht es nicht nur um Lohndrückung, sondern auch den Angriff auf gewerkschaftliche Rechte und die Spaltung der Belegschaft.

Leiharbeit und Werkverträge schossen im letzten Jahrzehnt wie Pilze aus dem Boden und verbreiteten sich flächendeckend. Aktuell sind rund 800.000 Menschen von Leiharbeit betroffen. Immer mehr Firmen vergeben Werkverträge oder stellen Leiharbeiter*innen nicht nur für spezifische Aufgaben an. So geschieht es auch am Botanischen Garten in Berlin, wo sich die Beschäftigten gegen Outsourcing und Prekarisierung wehren.

Genauso wie bei Befristung oder Tarifflucht handelt es sich dabei um Formen der Prekarisierung, die Löhne zu drücken und soziale Rechte einzustreichen. Für Arbeiter*innen bedeutet dies häufig: Fehlende Sicherheit, kein Urlaub, längere Arbeitszeiten und geringere Löhne. Die neue Regelung der Großen Koalition schiebt dieser elenden Situation nicht nur keinen Riegel vor, sie sichert Leiharbeit und Werkverträge ab und schafft weitere Schlupflöcher für die Konzerne.

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