Red Brain Nr. 14: Fight Sexism!

29.09.2012, Lesezeit 9 Min.
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Red Brain ist eine linke, antikapitalistische SchülerInnenzeitung, die von einer unabhängigen SchülerInnengruppe (in Zusammenarbeit mit RIO) am John-Lennon-Gymnasium in Berlin-Mitte und nun auch am Immanuel-Kant-Gymnasium in Berlin-Lichtenberg her­ausgegeben wird. Die Ausgabe gibt es als PDF, die einzelnen Artikel gibt es unten:

Editorial und so…

Es ist wieder soweit!

Die zweite Red Brain-Ausgabe in diesem Schuljahr beinhaltet einige Dinge, denen man alltäglich begegnet – leider. So werden wir unter Anderem mit dieser Ausgabe eine Reihe antisexistischer Artikel veröffentlichen, die tiefer auf die Gründe und Ausdrücke des Sexismus eingehen werden. Im November wird zu diesem Thema auch ein vom JLG-Aktionskomitee veranstalteter Aktionstag für alle Schüler*innen stattfinden. Ein weiteres Problem, dem besonders unsere Genoss*innen des Kant-Gymnasiums ausgesetzt sind, da ihre Schule in der Nähe eines Nazi-Treffpunktes liegt, ist der Faschismus.

Wie wir seid auch sicherlich ihr alle schon lange auf die Red Brain-Party am Freitag gespannt! Am Samstag findet außerdem in vielen deutschen Großstädten eine Protestaktion unter dem Namen „umFAIRteilen“ statt. Wie erst letztens in vielen Zeitungen zu lesen war, verdienen selbst in Zeiten der Krise die Superreichen mehr und mehr – während die lohnabhängige Bevölkerung immer ärmer wird. Dieser Prozess wird in unserem Glossarartikel erklärt.

Eure Red Brain-Redaktion

Fight Sexism!

„Atemberaubend du!“, steht in neongelben Lettern auf einem Plakat in meinem Fitnessstudio, darunter ist in eine weiße, schlanke Frau zu sehen, die in Sport-BH und Hotpants joggt – die Szene wird „bewundert“ von einigen ebenfalls weißen Männern. Was sich die Macher*innen dieser Werbung wohl gedacht haben? Mache Sport nicht für dein Wohlbefinden sondern um Männern zu gefallen?

Es ist schon seltsam, wie Feminist*innen in denn 2000ern von allen Seiten immer wieder vorgeworfen bekommen, haltlos zu übertreiben und wie gleichberechtigt die moderne westliche Frau doch wäre. Sie könne theoretisch ja alles machen, was sie will. Dabei liegen die Grenzen, die zu bekämpfen sind, nicht mehr im rechtlichen sondern im gesellschaftlichen Bereich. Wer einmal seinen Blick dafür geschärft hat, findet Sexismus überall, nicht zuletzt in sich selbst.

Von dem Moment an, in dem wir geboren werden, werden wir mit gesellschaftlichen Vorstellungen, Zwängen und (Irr)gläuben konfrontiert. Wie tief Sexismus, Rassismus usw. in unserem Bewusstsein verankert sind, kann uns ohne einen aktiven Reflexionsprozess kaum bewusst werden.

Das fängt schon im Kindergarten an. Wenn ein Junge ein Mädchen „ärgert“, ihr Schmerzen zufügt durch Haare­ziehen oder ähnliches, heißt es oft nur: „Oh, das bedeutet doch nur, dass er dich mag“. Warum ein Junge durch reines Interesse an einem Mädchen Berechtigung erlangt, ihr körperliches Leid zu zufügen, kann man nach den Regeln der Ethik wohl kaum erklären.

Doch trotz einiger offener Missstände würden sich nur 29% Prozent der Amerikanerinnen und 42% der Britinnen als Feministinnen bezeichnen. Mit welchem Teil von Gleichbereichtung sie wohl nicht einverstanden sind? Mit dem Wahlrecht? Dem Recht auf Selbstbestimmung? Wahrscheinlich nicht. Viel mehr fühlen sich viele Frauen durch die Bezeichnung als Feministinnen in ihrer Weiblichkeit angegriffen. Dabei wird angenommen, dass eine Feministin einem unattraktiven, männerhassenden, unrasierten Stereotyp entspricht.

Jedoch bedeutet die Abschaffung des Patriarchats nicht, dass Frauen aufhören müssen, sich zu schminken und zu rasieren. Es muss nicht einmal bedeuten, dass sie ihr Kopftuch abnehmen. Es bedeutet nur, dass sie diese Dinge für sich tun und lassen können und das nicht, um Männern zu gefallen oder um ihre Abneigung zu verhindern. Es geht darum, gegen die Unfreiheit, darüber Entscheidungen für sich selbst und den eigen Körper zu treffen, anzugehen.

Und dies kann, um wirklich etwas zu ändern, nicht eine reine Entscheidung bleiben, sondern muss ein täglicher Kampf sein, sich zu bilden, hinter den eigenen Positionen zu stehen und sich solidarisch mit anderen Opfern von Sexismus zu zeigen. Vor allem bedeutet es einen Kampf gegen die Gesellschaft, die solche Ungleichheit hervorbringt.

Denn das Machstpiel der Geschlechter ist nicht auf eine Kultur, einen Kontinent oder eine Religion reduziert, sondern findet für jeden von uns statt – Frauen wie Männer. Der erste Schritt jedoch ist wohl, die Bereitschaft, jede Annahme oder Äußerung in Bezug auf die Geschlechternormen zu hinterfragen und sich im Falle von Diskriminierung und ungleicher Behandlung auch einmal gegen den Strom zu stellen.

Das Plakat in meinem Fitnessstudio wurde jedenfalls durch freundliches Nachfragen abgehängt und durch zwei Plakate von dem Athleten Mo Farah und der Athletin Jessica Ennis ersetzt. Ein kleiner Sieg. Als ich jedoch nach den Namen der beiden auf Google suchte, bot mir die Suchmaschine als Vorschläge für Farah Begriffe wie „training“, „olympics“ und „news“ an, die für Ennis dagegen beschränkten sich auf; „bikini“, „bum“, „fat“, „hot“, und „weight“. Ernüchternd, aber auch ein weiterer Antrieb, der Kategorisierung von Feminist*innen zu trotzen und unbeirrt für die eignen Ideale und Freiheiten einzustehen.

20 Jahre Pogrom in Lichtenhagen

Kurz nach der „Wende“ gab es in Ost-Deutschland eine große Anzahl von Rechtsextremen. Nach 40 Jahren Diktatur und einem radikalen Wechsel des Wirtschaftssystems hatten viele, durch das Entfallen des Rechts auf Arbeit und einer zusammengebrochenen Industrie, keine Arbeitsplätze. Viele suchten, enttäuscht und verraten durch eine stalinistische Diktatur, eine Perspektive in der extremen Rechten.

Zu dieser Zeit befindet sich im hoffnungslosen Rostocker Stadtteil Lichtenhagen ein Aufnahmeheim für Asylant*innen, die „ZAst“. Im Sommer 1992 brodelt es schon im Bezirk. Rund um das jämmerlich überfüllte Heim lagern viele Asylant*innen monatelang obdachlos in Grünstreifen der Häuserblocks. Aus Fremdenfeindlichkeit wird ein buchstäblicher Hass. Am 22. August 1992 wird ein Pogrom gegen die ZAst losgetreten. Schon in den Vormittagsstunden versammeln sich immer wieder Gruppierungen, die mit Steinen die Fenster des Asylheims einwerfen und die Asylant*innen verprügeln. In den Abendstunden versammeln sich circa 2.000 Rechtsextreme und greifen das Haus mit Baseballschlägern und Molotow-Cocktails an. Die Faschist*innen hindern die Feuerwehr daran, das lodernde Heim zu erreichen. In den Mitternachtsstunden taucht dann zum ersten Mal die Polizei auf, die, maßlos unterbesetzt und halbherzig, die Faschist*innen nicht zurück drängen kann – und sich bald wieder zurückzieht, dann aber die zur Verteidigung angereisten Antifaschist*innen angreift.

Das ist keine Ausnahme. Der Polizeiapparat stellt das Gewaltmonopol des kapitalistischen Staats dar. Damit dient er – gleich dem gesamten bürgerlichen Staat – der herrschenden Klasse als Gesamtheit. Es sollte also niemanden verwundern, dass die Polizei nichts gegen das Pogrom unternommen hat. Und das Parlament hat mit der faktischen Abschaffung des Asylrechts 1993 genauso brutal die Asylant*innen angegriffen.

Red Brain-Glossar:
A wie Ausbeutung

Herr Thom hat eine Fabrik, in der Fenster hergestellt werden. Er hat viel Geld investiert, um diese Fabrik aufzubauen. Er allein kann seine vielen Maschinen aber nicht selbst bedienen. Er braucht also mehrere Arbeiter*innen, die für ihn diese Maschinen bedienen, also Arbeit für ihn verrichten. Im besten Fall schließt er also mit mehreren Arbeiter*innen einen Arbeitsvertrag ab. Zum Beispiel mit Herrn Krause. Herr Krause ist arbeitslos. Damit er zusammen mit seiner Frau die Familie ernähren und die Wohnung bezahlen kann, muss er wieder Geld verdienen.

Herr Thom gibt Herrn Krause einen bestimmten Geldbetrag, damit der für ihn Arbeit verrichtet. Herr Krause arbeitet nun 8 Stunden in der Fabrik, um Fenster für Herrn Thom herzustellen. Nicht direkt für Herrn Thom, der will ja nicht super viele Fenster zu Hause haben – er will sie nur verkaufen und einen Gewinn erzielen, um beispielsweise neue Maschinen zu kaufen und sich gegen die Konkurrenz durchzusetzen.

Herr Krause stellt in den 8 Stunden, die er arbeitet, einen deutlich höheren Wert her, als der, den er für seine Arbeit ausgezahlt bekommt. Diesen Überschuss nennt man Mehrwert. Dieser Mehrwert gehört Herrn Thom.
Herr Thom profitiert also von der Arbeitsteilung, indem er mehrere Arbeiter*innen einstellt, die für ihn die Arbeit verrichten. Er bezahlt ihnen weniger Geld dafür als sie an Wert für ihn produzieren. Das nennt man Ausbeutung.

Der Wert, den die Arbeit Herrn Krauses hat, bestimmt sich daraus, was er für seine Reproduktion benötigt, also für Schlaf, Essen, Wohnung, Kultur etc.. Letztendlich kauft Herr Thom, mit der Arbeit von Herrn Krause, eine Ware, die für ihn einen größeren Wert herstellt als er bezahlt und sich zusätzlich mit dem bezahlten Geld immer wieder selbst wiederherstellt.

Herr Krause wird also nie soviel Geld anhäufen können, um wie Herr Thom eine Fabrik zu kaufen oder Arbeiter*innen anzustellen. Er hat also nur seine Arbeit, die er verkaufen muss, um zu überleben. Herr Thom jedoch kann sich, dadurch, dass er Geld und Arbeiter*innen hat, immer mehr leisten, expandieren – wenn er effektiv genug ist, sogar weltweit. Auf diesem Prinzip beruht unser jetziges Gesellschaftssystem – auf dem Prinzip der Ausbeutung.

Termine von Red Brain

* offenes Treffen des Antifaschistischen Bundes Imanuel Kant
jeden Freitag, 13:45 Uhr, A203

* Treffen des JLG-Aktionskomitees
jeden Montag, 16 Uhr, Lennongrad

* offenes Treffen von Red Brain
jeden Freitag, 16 Uhr, Lennongrad

* Demonstration „umFAIRteilen“
Sa, 29.9., 11:30 Uhr Potsdamer Platz

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