Post-Streik: Klassenkampf statt Däumchen drehen!

09.06.2015, Lesezeit 4 Min.
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Am gestrigen Montag begann der unbefristete Streik der Post-Beschäftigten in ganz Deutschland. Ein harter Kampf wird notwendig sein. Doch die Gewerkschaft ver.di mobilisiert die KollegInnen mit angezogener Handbremse. So sind in Berlin zwar 1.000 ArbeiterInnen zu einer Streikversammlung gegangen. Doch nach einer Stunde wurde die Versammlung für beendet erklärt. Die KollegInnen wurden hauptsächlich von der Bürokratie mit netten Worten berieselt und mussten sich dann anhören, dass es diese Woche keine Aktionen mehr in Berlin gäbe. Vom groß angekündigten Streik wird damit wenig zu sehen sein.

Dabei ist die Wut der Beschäftigten auf ihre Bosse groß. Die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen in den letzten Jahren ging einher der Ausgliederung vieler Beschäftigter in neu gegründete Subunternehmen. Damit unterwandert die Deutsche Post AG (DP AG) nicht nur den bestehenden Haustarifvertrag, sondern erhöht außerdem den Leistungsdruck auf KollegInnen, die bisher noch im Mutterkonzern angestellt sind. Diese Subunternehmen unterliegen dem schlechteren Tarifvertrag der Versand- und Logistikbranche. Dabei liegen die Löhne teilweise zwar über denen der DP AG, schwanken jedoch abhängig von der Region enorm. Außerdem erschwert diese Praxis durch die Zersplitterung von Tarifverträgen und KollegInnen die gewerkschaftliche Arbeit. Die Forderung nach einer Rückführung dieser Gesellschaften in den bestehenden Haustarifvertrag ist somit zentral für den Bestand gewerkschaftlichen Widerstands.

Für den Donnerstag hat ver.di eine gemeinsame Kundgebung von Leipziger und Berliner Postangestellten in Leipzig angekündigt. Doch auch die Mobilisierung dafür ist lächerlich. Gerade mal einen Bus aus Berlin mit 45 Plätzen bei 1000 Streikenden stellt die Gewerkschaft zur Verfügung. Kein Wort verloren die BürokratInnen auch über den Arbeitskampf bei Amazon, der in Leipzig besonders präsent ist. So könnten die Beschäftigten bei Amazon bspw. einen Streiktag einlegen, um gemeinsam mit den Angestellten der Post zu streiken. Eine solche Verbindung würde den Forderungen aller Streikenden eine enorme Schlagkraft verleihen. Ähnlich sieht es mit den angekündigten Streiks an der Charitè aus, die am 22. Juni beginnen sollen.

Doch die Durchsetzung solcher Anliegen scheint der Bürokratie weniger am Herzen zu liegen. Um gegen die Angriffe der Geschäftsführung auf den Streik – Versetzung von BeamtInnen, Einsatz von LeiharbeiterInnen zum Streikbruch – bestehen zu können, wäre es aber nötig, die Kraft der KollegInnen vollständig zu entfalten, auch gegen den Willen der Gewerkschaftsbürokratie. Deshalb ist es notwendig diesen Streik zu demokratisieren und zu politisieren. Eine demokratisch gewählte Streikleitung, offene Streikversammlungen, bei denen Streikmaßnahmen kollektiv diskutiert werden können, sowie die Selbstorganisierung der ArbeiterInnen im Betrieb sind dabei zentrale Faktoren. Erforderlich ist vor allem eine Ablehnung der Sozialpartnerschaft, die letztlich den Interessen der KapitalistInnen dient. Schon jetzt ist die Schlagkraft der Beschäftigten groß. Einige Filialen in Berlin sind komplett dicht, andere können den Ansturm kaum bewältigen. Diese Schlagkraft mit weiteren Aktionen in der Stadt und vor den Filialen zu entfalten, ist umso zentraler, um auch mit StreikbrecherInnen zu diskutieren und sie im Zweifel durch Blockaden am Betreten der Filialen zu hindern.

Dieser Streik reiht sich in eine für Deutschland bemerkenswerte Streikwelle ein, die die letzten Wochen geprägt hat. Eine Streikwelle, die ein Indiz für die Zuspitzung der Klassenwidersprüche in der BRD ist. Dabei spielt der deutsche Staat keine neutrale Rolle. Der Ausweitung des Niedriglohnsektors wurde mit Hartz IV der Weg bereitet und das Streikrecht mit dem neuen Tarifeinheitsgesetz massiv attackiert. Auch bei der Post ist die Bundesregierung nicht unbeteiligt, da sie immer noch größter Anteilsnehmer ist. Diese Anteile nutzt sie aber keineswegs dazu, um die Geschäftsleitung zu bremsen, sondern lässt den Konzern gewähren. Damit macht sie ihrem bürgerlichen Charakter als Vertreterin des Kapitals alle Ehre.

Ein Erfolg der Streiks bei der Post wäre ein starkes Signal an kämpferische Beschäftigte anderer Branchen. Sie können jedoch nur erfolgreich sein, wenn die Verbindung mit den Beschäftigten von Amazon, der Charité und des Sozial- und Erziehungsdienstes geschaffen wird. Die ArbeiterInnen müssen sich unabhängig von der Bürokratie organisieren, ihren eigenen Kampfplan aufstellen und diesen auch durch Massenmobilisierung und politische Kampagnen, die sich gegen Privatisierungen, Lohndumping und Prekarisierung richten, vollständig durchsetzen.

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