Pflege: Die Personalbemessung kommt – strukturelle Probleme bleiben

03.07.2022, Lesezeit 3 Min.
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Foto: shutter_o / Shutterstock.com

Die Bundesregierung will eine Personalbemessung für das Krankenhaus einführen, die sogenannte PPR 2.0. Damit kommt sie den kämpferischen Pflegekräften entgegen, ohne aber die strukturellen Probleme des Gesundheitswesens anzugehen.

Nach jahrelanger Diskussion verkündete das Gesundheitsministerium Ende Juni endlich, eine neue Pflegepersonal-Regelung (PPR) einzuführen. Die alte Regel war 1996 außer Kraft gesetzt worden, wenngleich sie weiter in vielen Krankenhäusern intern zur Orientierung genutzt wird. Nun soll es also eine gesetzliche „PPR 2.0“ geben. Sie sieht eine bestimmte Anzahl an Pflege-Minuten pro Patient:in vor, abhängig von der notwendigen Intensität der Behandlung. Es soll auch eine Mindestanzahl an Personal an den einzelnen Stationen eingesetzt werden, um dem Personalmangel entgegenzutreten. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft erwartet einen durchschnittliche Steigerung des Pflegezeitbedarfs von 8,1 Prozent gegenüber der alten PPR.

Die PPR 2.0 wurde von der Gewerkschaft ver.di mit erarbeitet und von der SPD in der Regierung vorangetrieben. Sie stellt tatsächlich einen Fortschritt dar, erkämpft durch jahrelange Streiks. In ihrer Form ist sie dennoch abgeschwächt gegenüber den Forderungen der Kolleg:innen. Einer der Kritikpunkt besteht darin, dass vor allem für private Kliniken keine geeigneten Sanktionsmechanismen existieren, damit die gesetzlichen Vorgaben umgesetzt werden. Bei öffentlichen Einrichtungen wäre eine Kürzung der Finanzierung als „Sanktionsmechanismus“ fatal. Zudem löst die PPR 2.0 das Problem des Personalmangels nicht, da die Löhne nicht steigen, um den Beruf attraktiver zu machen.

Eine Gefahr kann darin bestehen, dass die Gewerkschaften, heute etwa mit der Krankenhausbewegung in Nordrhein-Westfalen, unter Druck geraten, von Arbeitskämpfen abzusehen, obwohl noch unklar ist, wie das neue System in der Praxis funktionieren wird. Die Argumentation der Regierung könnte sein, dass durch die neuen Regelungen ein Tarifvertrag zur Entlastung überflüssig werde. Gegen diesen Druck müssen wir in der Gewerkschaft kämpfen, da langfristige Kontrolle der strukturellen Personalzuwachs nur durch die Beschäftigten im Krankenhaus gewährleistet werden kann. Je besser die Kolleg:innen in einem Krankenhaus organisiert sind, umso mehr Druck können sie für die Umsetzung der Tarifverträge und gesetzlichen Regelungen ausüben.

An den strukturellen Problemen im Krankenhaus, am System der Fallpauschalen (DRGs), der Überlastung, an Outsourcing und Zeitarbeit oder an den geringen Gehältern für Azubis ändert die PPR 2.0 noch nichts. Daher ist es essentiell die Streiks für mehr Personal und höhere Löhne wie in der kommenden Tarifrunde im Öffentlichen Dienst fortzusetzen. Nur die Gewerkschaften und Beschäftigten selbst können durch Mobilisierungen für eine langfristige Besserung der Arbeitsbedingungen sorgen. Alle privaten Kliniken, die eine Umsetzung der PPR 2.0 ignorieren, müssen unter Kontrolle von gewerkschaftlichen Kommissionen verstaatlicht werden. Bund und Länder müssen den Lohnforderungen von ver.di zustimmen und die Löhne darüber hinaus massiv erhöhen.

Dafür reicht es nicht aus, auf die Abstimmung im Parlament zu warten, sondern die Gewerkschaften müssen im Rahmen der Streikbewegung massive politische Demonstrationen und Aktionen aller Gesundheits-Beschäftigten für diese Forderungen organisieren.

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