Österreich steht vor dem Sieg der rassistischen FPÖ

21.05.2016, Lesezeit 6 Min.
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Am Sonntag finden in Österreich Stichwahlen zum Präsidentschaftsamt statt. Dann wird sich entscheiden, ob die fremdenfeindliche FPÖ zukünftig das Staatsoberhaupt stellen wird. Damit würde der Rechtsruck in der Alpennation einen neuen Höhepunkt erreichen.

Alles sieht danach aus, als würde nach der Stichwahl am morgigen Sonntag der Bundespräsident der Republik Österreich Norbert Hofer heißen. Zum ersten Mal wird kein Kandidat der Parteien der „bürgerlichen Mitte“ aus SPÖ und ÖVP das Staatsoberhaupt stellen. Und auch das Gegenüber von Hofer, der liberale Alexander Van der Bellen von den Grünen, schafft es nicht, genug Sympathien für ein links-bürgerliches Projekt zu wecken.

Doch damit nicht genug: Der neue Bundeskanzler und ehemalige Bahnmanager Christian Kern führt nicht nur die rassistische Asylpolitik der letzten Monate weiter, sondern will auch mit einer „Agenda 2025“ das „Vertrauen der Unternehmer in den Standort Österreich“ zurückgewinnen. Es drohen weitere Angriffe auf die Lebensbedingungen der Massen, die schon jetzt unter Arbeitslosigkeit und Reallohnverlust leiden müssen. Damit ist schon vor den Stichwahlen klar, dass der Rechtsruck im politischen Überbau weitergeht.

Krise der bürgerlichen Mitte

Die fremdenfeindliche FPÖ kann auf eine jahrzehntelange Laufbahn als parlamentarische Kraft zurückblicken. In zahlreichen Landesregierungen hat sie sowohl mit der konservativen ÖVP als auch mit der sozialdemokratischen SPÖ regiert. Von 2000 bis 2005 war sie sogar Teil einer „Schwarz-Blauen“ Koalition auf Bundesebene. Doch die Wahlergebnisse vom 24. April, der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen, drücken ein neues Niveau der Unterstützung für die FPÖ aus – sowohl durch konservative Sektoren der Bourgeoisie als auch von Teilen der Arbeiter*innenklasse.

Dazu haben verschiedene Faktoren beigetragen: Die zahlreichen Koalitionsregierungen aus ÖVP und SPÖ haben die traditionellen Parteien abgewetzt. Durch die brutale Sparpolitik der Großen Koalition in den vergangenen Krisenjahren verschlechterten sich die Lebensbedingungen der arbeitenden Massen enorm, während Banken gerettet wurden und Unternehmen ihre Gewinne vergrößern konnten. Die Ablehnung dieser Kürzungspolitik und des politischen Establishments von breiten Schichten der Arbeiter*innenklasse wurde aufgrund des Fehlens einer linken Kraft von der FPÖ kanalisiert.

In der „Flüchtlingskrise“ verschärfte sich diese Tendenz. Der Zick-Zack-Kurs der Faymann-Regierung schwächte die Regierungsparteien erheblich: Erst unterstützte Faymann im September 2015 gemeinsam mit Merkel die zynische „Willkommenskultur“ und militarisierte dann 2016 die österreichischen Grenze und setzte die „Schließung der Balkanroute“ durch. Die Übernahme der FPÖ-Forderungen durch die Bundesregierung, von Obergrenzen über Tageskontingente bis hin zu zahlreichen Asylrechtverschärfungen stärkte die Rechten weiter.

FPÖ als starke rechte Alternative

In dieser Situation konnte die FPÖ auf ihre vergangene Regierungserfahrung zurückgreifen und sich als fähige Alternative profilieren: Sie will mit einer Politik der nationalen Einheit („Österreich zuerst“) das Land aus der Krise ziehen und vertritt die restriktive Asylpolitik konsequenter als die Regierung. Diese beschloss erst vor drei Wochen ein „Notstandsgesetz“, mit dem die Regierung im Falle der „Gefährdung der inneren Sicherheit und der öffentlichen Ordnung“ die Asylanträge aller Geflüchteten ablehnen kann, die keine Familie in Österreich haben oder nicht nachweisen können, dass sie direkt von Folter bedroht sind.

Bei den aktuellen Wahlen stellte sich auch ein Teil des wirtschaftlichen Establishments hinter Hofer und die FPÖ. Sie wissen, dass bei den Nationalratswahlen im kommenden Jahr die FPÖ voraussichtlich stärkste Kraft wird. Von einer starken rechten FPÖ-ÖVP-Regierung erhoffen sie eine Mischung aus Sozialkahlschlag und rassistischer Migrationspolitik, die „Sicherheit und Ordnung“ wahrt und die Investitionen ankurbelt. Auch der rechte Flügel der SPÖ diskutiert über eine Zusammenarbeit mit den „Blauen“ auf Bundesebene: Unter anderem schlossen der Vorsitzende des Gewerkschaftsdachverbands ÖGB Erich Folgar und auch der neue SPÖ-Vorsitzende Kern eine solche Zusammenarbeit nicht aus.

Während sich Teile des Establishments Hofer als Präsidenten wünschen – als Vorspiel zu einer FPÖ-geführten Bundesregierung –, wächst die Unruhe bei der liberalen Bourgeoisie, Intellektuellen und Akademiker*innen, die in Hofer das „Ende der Demokratie“ sehen. Doch die mögliche Präsidentschaft des FPÖ-Mannes wäre weniger ein „Bruch“ mit dem bürgerlich-demokratischen Regime der Alpennation, sondern viel mehr eine Kontinuität, welche die autoritären Züge des Präsidentenamtes entblößt. Dieser besitzt verfassungsgemäß zahlreiche Vollmachten, die ihm unter anderem die Möglichkeit geben, die Regierung und den Kanzler zu entmachten und Neuwahlen einzuberufen. Eine Regentschaft Hofers könnte also auch eine Zuspitzung der bonapartistischen Züge des Regimes bedeuten und würde die Konflikte im politischen Überbau (zwischen einer SPÖ-geführten Regierung und einem FPÖ-Staatsoberhaupt) vertiefen.

Demgegenüber wurde der Grüne Alexander Van der Bellen zum Hoffnungsschimmer für die Sektoren des Establishments, die sich vor solchen politischen Unruhen sorgen. Auch links von der SPÖ macht sich die Meinung breit, man müsse Van der Bellen unterstützen, um „das Schlimmste“ – also Hofer als Bundespräsident – zu verhindern. Doch was Van der Bellen verspricht, ist kein Ende der Abschottungspolitik oder der Rückgang der Arbeitslosigkeit, sondern ein Fortbestehen der aktuellen rassistischen Asylpolitik, jedoch mit einem „menschlichen“ Antlitz. Also eben jener Politik, die überhaupt zum Aufstieg der FPÖ führte.

Wie kann der Rechtsruck gestoppt werden?

In dieser Situation erlangt die Frage, wie der Rechtsruck gestoppt werden kann, nicht nur für die Arbeiter*innen und Jugendlichen in Österreich enorme Bedeutung. Dabei darf die Linke jedoch nicht in die falsche Wahl zwischen Pest und Cholera fallen: Ein Sieg Hofers würde einen rechten Burschenschaftler ins Präsidentenamt bringen, der von dort aus seine rassistische Agenda mit Macht durchsetzen könnte. Damit würde er nicht nur für die FPÖ ein Vorreiter sein, sondern auch für andere rechtspopulistische Parteien wie der Front National aus Frankreich oder die Alternative für Deutschland (AfD) in Hinblick auf die Parlamentswahlen in den drei Ländern im kommenden Jahr.

Doch Van der Bellen vertritt ein verrottetes politisches System, das die Forderungen der Rechten übernommen und durchgesetzt hat. Auch wenn er nicht Teil der Regierung sein mag, steht er für die österreichische bürgerliche Demokratie der Militarisierung der Außengrenzen, der imperialistischen Unterwerfung der Balkanstaaten und der Privatisierungen und Sparpolitik. Seine Gelobe, als Präsident eine FPÖ-Regierung nicht zu erlauben, sind nur leere Worte und würden nur den Sieg der „Blauen“ verzögern.

Denn eine tiefgreifende Antwort auf den Rechtsruck kann nicht von Parlamentsbänken kommen oder dekretiert werden. Was es braucht, ist eine kämpferische Massenbewegung aus Arbeiter*innen und Jugendlichen. Sie muss gegen die Regierungspolitik aus Einschränkung demokratischer Freiheiten, rassistischer Abschottung und Kürzungen kämpfen und sich gleichzeitig gegen die fremdenfeindliche FPÖ und ihre Bestrebungen nach brutaleren Angriffen auf Geflüchtete, Migrant*innen und die Lohnabhängigen wenden. So sieht ein fortschrittlichen Ausweg aus der aktuellen politischen Krise und der fortwährenden reaktionären Welle aus.

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