Österreich: Rechtsextremer holt 50 Prozent

23.05.2016, Lesezeit 6 Min.
1

Nach dem vorläufigen Endergebnis kann sich keiner der beiden Kandidaten bei der Bundespräsidentenwahl durchsetzen. Das historische Ergebnis der 50% für Hofer (FPÖ) markiert ein Vorher und Nachher in der politischen Situation und hat Auswirkungen auf ganz Europa.

Am Redaktionsschluss dieser Ausgabe konnte weder der FPÖ-Kandidat Norbert Hofer noch der Grüne Alexander Van der Bellen die nötige Mehrheit der Stimmen auf sich vereinen. Nach den schon ausgezählten Stimmen liegt Hofer mit 51,9 Prozent vorne, doch es wird erwartet, dass Van der Bellen unter den Briefwähler*innen und den Wähler*innen aus dem Ausland überdurchschnittlich gut abschneiden wird. Ein endgültiges Endergebnis wird erst im Laufe des Tages bekannt gegeben.

Dieses Ergebnis drückt die enorme Polarisierung aus, die sich im Rahmen der Bundespräsidentenwahlen zuspitzte. In der ersten Runde waren die Kandidaten der regierenden Großen Koalition ausgeschieden, doch damals hatte Hofer noch mehr als 13 Prozent Vorsprung vor dem Zweiten Van der Bellen.

In der Folge trat der angeschlagene Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) zurück und machte für den ehemaligen Bahnchef Christian Kern (ebenfalls SPÖ) Platz. Dieser will nun mit einem neoliberalen „New Deal“ und der Fortführung der Abschottungspolitik das Vertrauen in die Regierung zurückholen. Van der Bellen profitierte von diesem Wechsel und konnte einen Großteil der Wähler*innen gewinnen, die noch in der ersten Runde für die Regierung gestimmt hatten.

Hofers rechte Pläne

Sollte Hofer das Rennen für sich entscheiden, wird er das Amt offensiv für seine fremden- und frauenfeindliche Agenda ausnutzen. Dazu stehen ihm laut Verfassung fast monarchische Befugnisse zu, die Regierung und den Bundeskanzler abzusetzen, Neuwahlen auszurufen und in der Zwischenzeit per Ausnahmezustand zu regieren.

Sein Ziel ist es, möglichst schnell einen Regierungswechsel durchzubringen, an dessen Ende eine FPÖ-geführte Koalitionsregierung mit der ÖVP stehen soll. Dies wird auch von Teilen der ÖVP gefordert, sollte der Druck auf Kern, möglichst viele der rechten Forderungen durchzusetzen, keine ausreichenden Früchte tragen. Doch auch der rechte Flügel der SPÖ will sich alle Möglichkeiten für eine mögliche Zusammenarbeit mit den „Blauen“ offen lassen.

Hofer vertritt als ehemaliger Burschenschaftler mit Verbindung zur Neonazi-Szene den rechts-nationalistischen Kern der FPÖ. Im Wahlkampf hatte sich Hofer als Vertreter der „einfachen Leute“ und als „Stimme der Vernunft“ ausgegeben. Inhaltlich setzte er jedoch voll auf Hetze gegen Muslim*innen, Migrant*innen und Geflüchtete, vor denen „die Heimat“ geschützt werden müsse.

Dieses Szenario würde von Machtkämpfen zwischen Bundespräsident und Bundesregierung und damit von weiteren Unruhen im Überbau geprägt sein. Sollte sich Van der Bellen hingegen mit knappem Vorsprung durchsetzen, könnte die Bundesregierung auf die Unterstützung des Präsidenten setzen. Doch das würde nichts an der Tatsache ändern, dass die Hälfte der Wähler*innen für die rassistische FPÖ abgestimmt haben. Sie würden sogar ihre Rolle als „Anti-Establishment“-Partei weiter vertiefen können und möglicherweise noch mehr Unterstützung von enttäuschten Regierungsunterstützer*innen bekommen, wenn 2018 der Nationalrat gewählt wird.

Ob Hofer oder Van der Bellen: In jedem dieser Fälle werden die Einschränkungen der demokratischen Freiheiten und die Abschottung gegen Geflüchtete und Migrant*innen vermehrt dazu benutzt werden, auch die Rechte der arbeitenden Bevölkerung anzugreifen. Ein Zeichen dafür ist die von Kern angekündigte „Agenda 2025“, mit der er das „Investitionsklima“ wieder herstellen möchte.

Ein politisches Erdbeben

Damit hat der aktuelle Rechtsruck in der Alpenrepublik seinen bisherigen Höhepunkt gefunden. Die Große Koalition setzte nicht nur die Schließung der Balkanroute durch, sondern führte auch ein Notstandsgesetz ein, mit dem das Asylrecht zur Wahrung der „öffentlichen Ordnung und Sicherheit“ komplett ausgehebelt wird. All das konnte jedoch den Aufstieg der Rechtsopposition nicht aufhalten, sondern beschleunigte ihn nur.

Die FPÖ konnte bei den Wahlen von der historischen Krise der Sozialdemokratie profitieren. Deren soziale Basis kehrte sich durch die brutale Sparpolitik während der kapitalistischen Krise von ihr ab. Dies konnte die FPÖ durch die Aufnahme ihrer restriktiven Asylforderungen in der Migrationskrise ausnutzen und ihre klassische Wähler*innenbasis um Sektoren der Arbeiter*innenklasse und auch der Bourgeoisie erweitern, die in der FPÖ eine stabile Regierungsalternative wahrnehmen.

Darüber hinaus würde ein Sieg der FPÖ zur Stärkung der rechten EU-kritischen und fremdenfeindlichen Parteien in ganz Europa führen. Dies ist besonders wichtig, da in einem Monat die Volksabstimmung über den Brexit in Großbritannien stattfinden wird, der vor allem von der rassistischen UKIP, aber auch von Teilen der konservativen Regierungspartei angestoßen wird. Aber auch in Frankreich und Deutschland, wo im kommenden Jahr Parlamentswahlen stattfinden, würde die Position der Front National und der Alternative für Deutschland gestärkt werden.

Welche Antwort?

Alexander Van der Bellen als linksliberaler Kandidat wurde von großen Teilen des Establishments als „einziger wählbarer Kandidat“ dargestellt und bekam die Unterstützung von Konservativen wie dem EU-Kommissions-Präsidenten Jean-Claude Juncker, Bundeskanzler Kern und einer breiten Front aus Künstler*innen, Intellektuellen und Sektoren links von der SPÖ. Diese Polarisierung und die Ablehnung von Hofer in wichtigen Teilen der Bevölkerung, besonders unter Frauen, der Jugend und den Städten, brachten Van der Bellen fast die Hälfte der Stimmen ein. Doch als Vertreter der Regierungspolitik aus Sozialkahlschlag und rassistischer Abschottung gelang es ihm nie, wirklichen Enthusiasmus für seine Kandidatur zu entfachen. Das belegt auch die Tatsache, dass 40 Prozent seiner Wähler*innen nur für ihn stimmten, um Hofer zu verhindern.

Unabhängig von dem endgültigen Endergebnis wird deutlich, dass eine fortschrittliche Antwort auf das Erstarken rechtspopulistischer und protofaschistischer Parteien in Europa nicht durch die „Einheit aller Demokrat*innen“ erreicht werden kann. Es muss darum gehen, die unabhängige Mobilisierung von Jugendlichen und Arbeiter*innen gegen die rassistische und arbeiter*innenfeindliche Politik der Regierung als auch gegen die Rechte zu verstärken.

Mehr zum Thema