Nur arrogante Bonzen studieren BWL

05.12.2022, Lesezeit 3 Min.
Gastbeitrag

Sie kommen mit dem Tesla zur Uni, „traden“ während der Vorlesung und studieren eh nur, um später den Familienbetrieb übernehmen zu dürfen. Es gibt viele Vorurteile über BWL-Studis. Warum sind sie alle wahr?

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Foto: Gorodenkoff / Shutterstock.com

Die erste Sitzung der BWL-Vorlesung findet noch vor dem Semesterstart statt. Logisch, wer nach ganz nach oben will, muss früh anfangen. Passenderweise findet sie dann auch noch im Henry-Ford-Bau statt. Von der Bühne spricht ein junger Dozent. Wir sind alle per Du natürlich und eine WhatsApp-Nummer gibt es auch, damit man seinen weiblichen Assistentinnen Fragen zu seinem Geschwätz stellen kann.

Er selbst spricht wie ein Crypto-Bro. „Wer von Euch hat schon darüber nachgedacht einmal zu gründen?“ Die Studis tragen Klamotten, die mehr wert sind als mein Laptop. Es gibt mehr IPads als Masken im Vorlesungssaal.
Der Dozent stellt Fragen, um die Klischees über BWL-Studis nochmal so richtig deutlich zu machen, ohne es zu wissen. Wer Aktien besitzt, wer mit dem Auto gekommen ist, wer schon Erfahrung mit online Trading gemacht hat. Die Hände heben sich bei fast jeder Frage mehrheitlich. Als größte Innovation – denn darum geht es in BWL natürlich – stellt er vor, dass er im Wintersemester 2022 zum ersten Mal die Veranstaltung in gendergerechter Sprache halten wird. Hier regt sich zum ersten Mal Widerstand.

Mit seiner Einführungsveranstaltung will der Dozent Lust auf das Studium machen und dann sagt er noch: BWL ist nichts als gesunder Menschenverstand sehr formal formuliert.
Seit einigen Jahren zählt BWL zu den beliebtesten Studienfächern in offiziellen Befragungen. An den meisten Universitäten und Hochschulen ist es das größte Fach. Es gibt also viele BWL-Studis und über sie gibt es viele Vorurteile. Aber wie kommt es, dass sich so viele Vorurteile über BWL-Studis bewahrheiten.

Betriebswirtschaftslehre setzt sich wissenschaftlich damit auseinander, wie man ein Unternehmen erfolgreich führt. Erfolg haben im kapitalistischen Sinn ist also der ganze Sinn und Zweck des Studiums. Pleiten und Krisen sind für sie nicht das Ergebnis von kapitalistischer Konkurrenz, Überakkumulation oder Sonstigem. Scheitern muss nicht sein. Man braucht nur den richtigen Businessplan. Wer BWL studiert, kommt an die Uni, um das zu lernen. Dafür lernt man zunächst, was einen guten Unternehmer ausmacht. Entrepreneurship (Unternehmertum) ist zwar hauptsächlich Talent, aber das kann man dann doch zumindest teilweise lernen. Alles unwissenschaftliches Geschwätz bei Seite bleibt die Vorlesung eine Einheizveranstaltung, die den Studis Bock aufs Gründen machen soll. Der Erfolg winkt. Und Erfolg ist bekanntlich eine Mischung aus Talent, also Veranlagung, und Fleiß, also Einstellung. Wer die schmierige BWLer Art nicht mitbringt, hat jetzt drei Jahre Zeit sie zu lernen.

Dass Scheitern tatsächlich zum kapitalistischen Alltag gehört, und zwar schon in der Uni, sorgt für Versagensängste und psychische Belastung bei denen, die es trifft. Bei denen, die die Prüfungen bestehen, bestätigt sich dafür häufig das eklige Selbstbewusstsein, mit dem sie fast ausnahmslos ins Studium starten.

Es bleibt zum Schluss zu sagen, dass BWL tatsächlich nicht gesunder, sondern marktwirtschaftlicher Menschenverstand ist, nur etwas trivial formuliert. Erfolg und Misserfolg sind wohl einfach eine Frage des Typs. Wer will denn schon kein Erfolgstyp sein.

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