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Nicht mehr als eine Mark für die Deutsche Wohnen

30.04.2019, Lesezeit 7 Min.
Gastbeitrag

In Berlin findet gerade eine interessante Debatte zur Enteignung großer Immobilienkonzerne statt, die das Potenzial hat, an den Grundfesten des Kapitalismus zu rütteln. Wir haben an dieser Stelle schon darüber berichtet. Ein Kommentar von Fritz Weinegg, Krankenhausbeschäftigter aus Berlin.

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40.000 Menschen gingen Anfang April auf die Straße, um ihr Recht auf bezahlbaren Wohnraum einzufordern. Zur Zeit läuft sehr erfolgreich eine Unterschriftenaktion der Kampagne „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“, bei der bisher über 20.000 Unterschriften zusammen kamen und nun die nächste „Hürde“ in Angriff genommen wird. Benötigt werden 200.000 Unterschriften, um ein Volksbegehren starten zu können. Die offensichtlichen Grenzen der Forderungen in dieser Debatte und wie sie geführt wird, haben wir ebenfalls im oben genannten Artikel angesprochen.

Der Rückkauf öffentlichen Eigentums ist nichts Neues in dieser Stadt und diente in der Vergangenheit sogar den Interessen der kapitalistischen Heuschrecken. Nach 1990 konnten sie für ein Taschengeld fast die gesamte Stadt kaufen. Danach wurden aus den Erwerbungen einfach nur noch Profite abgezogen. Die Schnäppchen wurden bis zum Komplettausfall ausgesaugt und nur dort investiert, wo es hinterher noch mehr Profite zu erwarten gab. Alle Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge und des Sozialstaates sind betroffen. Die marktwirtschaftliche Ausrichtung der medizinischen Versorgung sowie des öffentlichen Nahverkehrs ist trotz 100-prozentiger Anteile der Stadt ein Sprungbrett für die Übernahme durch Heuschrecken. Dabei werden jetzt schon Krankenkassenbeiträge, Renten- und Steuergelder klammheimlich in Privateigentum umgewandelt.

Dieser Ausverkauf findet in allen Sektoren dieser Stadt immer noch statt. Die geplante Ausschreibung des S-Bahnnetzes ist ein brandaktuelles Beispiel dafür. Gesetzmäßig und logisch frisst sich diese Strategie selbst auf, bis zum Kollaps. Wir sehen den Verfall unserer Stadt täglich am Beispiel des öffentlichen Nahverkehrs, im Kultur-, Bildungs- und Gesundheitsbereich und eben auch an unserer Verdrängung durch Mieterhöhungen aus der Innenstadt.

Als Ausweg kommt die Re-Kommunalisierung wie ein Rettungsring daher. Sie wird uns von den politischen Entscheider*innen der Stadt als „wir sehen unsere vergangenen Fehler ein und berichtigen sie nun“-Strategie verkauft. Pustekuchen! Hier wird dem Kapital weiterhin Kohle in den Rachen geworfen.

Beispiel Radialsystem:
Als Eigentum des Landesunternehmens Berliner Wasserbetriebe wurde das ehemalige Pumpenwerk 2004 für 1,9 Millionen Euro an private Investor*innen verkauft. 2018 bezahlte die Stadt 14,5 Millionen beim Rückkauf. Donnerwetter, haben die Heuschrecken inzwischen goldene Toilettenschüsseln eingebaut? Die Politik übernimmt de facto auch hier die staatliche Subventionierung privater Gewinne auf Kosten des Allgemeinwohls. Wie im Übrigen auch in der Auto-, Rüstungs-, Pharma-, und Gesundheitsindustrie (anders ist letztere nicht mehr zu bezeichnen).

Aber woher kommt die Preissteigerung von Grundstücken und damit auch der Mieten?

Grund 1:
Profitgier der Immobilienhaie.

Grund 2:
Die Bodenrichtwerte sind seit 2008 in Berlin teilweise um ein Tausend Prozent (!) gestiegen. Sie werden unter anderem zur Wertermittlung von Grundstückspreisen hinzu gezogen. In diesen Bodenrichtwerten werden folgende Punkte berücksichtigt:

– Grundstücksgröße und -form,
– Bebauung, bebaubare Fläche und Bebauungsvorschriften,
– Lage (Infrastruktur, Versorgungsumfeld, Nachbarschaft),
– Art der Bepflanzung,
– Bodeneigenschaften,
– Erschließungsgrad.

Dem Punkt „Nachbarschaft“ gilt es dabei Aufmerksamkeit zu schenken. Wenn in einer Gegend nur noch Luxus-, und Eigentumswohnungen entstehen, steigt also der Wert des Grundstücks und damit der Immobilie. Jetzt wird es interessant: Die Ermittlung der Bodenrichtwerte erfolgt gemäß §193 Baugesetzbuch durch die Gutachterausschüsse für Grundstückswerte. Diese setzen sich wie folgt zusammen: Neben dem Vorsitzenden, der Bediensteter der Behörde sein soll, für deren Bereich der Gutachterausschuss gebildet wurde (in der Regel das Landratsamt, das Kreisverwaltungsreferat bzw. Kataster- oder Vermessungsämter), gehören auch Mitarbeiter*innen der zuständigen Finanzbehörden oder Finanzämter zum Gutachterausschuss. Darüber hinaus hat der Gutachterausschuss ehrenamtliche Mitglieder, die freiberuflich oder als Angestellte von Banken oder Versicherungen als Immobiliensachverständige tätig sind. In Frage kommen insbesondere Architekt*innen, Bauingenieur*innen, Immobilienökonom*innen, Betriebswirt*innen, Vermessungsingenieur*innen oder landwirtschaftliche Sachverständige. Der*Die Vorsitzende hat mehrere Stellvertreter*innen, die in der Regel die gleichen Bestellungsvoraussetzungen erfüllen müssen wie der Vorsitzende.

Es erinnert schon irgendwie ans Besoldungsgebahren deutscher Politiker*innen, nachdem der deutsche Bundestag die Gehaltserhöhungen für seine Abgeordneten selbst und mittlerweile stillschweigend abschließt.

Grund 3:
Der Senat von Berlin verringerte mit seiner Kaputtsparpolitik den Bau von Sozialwohnungen drastisch. Von 2002 bis 2015 gab es dabei einen Abbau an Sozialwohnungen von 30 Prozent. Interessant hierbei ist dieser Artikel im Berliner Tagesspiegel.

Wir sehen also alles in diesem Staat wird der Profitmaximierung einiger Weniger untergeordnet. Politik und Justitia werden dabei zu deren Handlanger*innen. Das geht soweit, dass das Berliner Landgericht 2019 zugunsten der „Deutschen Wohnen“ den Berliner Mietenspiegel de facto für ungültig erklärt hat.

In der Enteignungsdebatte über dieses Mietwucherunternehmen versteift sich gerade alles (von den Heuschrecken und ihren politischen Handlangern auch so gewollt) auf die Artikel 14/15 des Grundgesetzes, da hier angeblich von Entschädigung gesprochen wird. Die angesprochenen Handlanger*innen des Kapitals versuchen derzeit sogar an die Spitze dieser demokratischen Basisbewegung zu kommen, um sie im Interesse ihrer Lobbyist*innen zu manipulieren. Über Art und Ausmaß der Entschädigung wird demnach auf Grundlage eines Gesetzes entschieden.

Artikel 14 GG
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

Artikel 15 GG
(1) Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden. Für die Entschädigung gilt Artikel 14 Abs. 3 Satz 3 und 4 entsprechend.

Hier ist der Grund der Abstimmung beinhaltet. Nur leider steht JETZT schon etwas von Entschädigung und deren nebulöse Höhe im Text der Unterschriftensammlung und schwubbs ist das vorherrschende Thema der Debatte die Höhe der Entschädigung. Zahlen werden jongliert und das eigentlich Wichtige tritt in den Hintergrund. Die bedingungslose Rückeroberung unserer Stadt und der Wiederaufbau ihrer Funktionsfähigkeit.

Darum noch einmal in aller Deutlichkeit:
Warum sollen die, die aus Geldgier diese Stadt aussaugen und zugrunde wirtschaften auch noch entschädigt werden? Sie begehen täglich Verstöße am ebenfalls im Artikel 20 des Grundgesetzes festgeschriebenen Sozialstaat und dem Wohl der Allgemeinheit. Wenn es einer Entschädigung bedarf, dann für die Bürger*innen dieser Stadt.

Artikel 20 des Grundgesetzes gehört zu den Artikeln, die gemäß Artikel 79 nicht einmal eine allein regierende AFD verändern dürfte:

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Zum Sozialstaat gehören ausreichend Sozialwohnungen oder faire Löhne. Beides wurde und wird weiterhin mit staatlicher Hilfe abgebaut. Wir erleben täglich den Ausverkauf, das Aushöhlen und die Vernichtung des im Grundgesetz festgeschriebenen Sozialstaatsgebotes.

Die „Deutsche Wohnen“ bekommt als Entschädigung die beim Verkauf der ostdeutschen Volkseigenen Betriebe übliche eine DM und nicht mehr!

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