Nach dem Bruch der Aufbau

29.11.2022, Lesezeit 5 Min.
Gastbeitrag

Teile des linken Flügels der Linkspartei wollen mit der Partei brechen und rufen nun zur ersten Konferenz auf. Die Partei sei nicht mehr zu retten und es helfe nur noch der Aufbau einer neuen revolutionären Organisation. Ein Gastbeitrag von Elisa Nowak.

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Foto: Simon Zinnstein

Ist die Linkspartei noch die richtige Ansprechpartnerin, wenn es um die Interessen der werktätigen Mehrheit der Gesellschaft handelt? Innerhalb des linken Flügels der Partei herrscht Uneinigkeit. Während die einen das Projekt nicht aufgeben wollen und dafür kämpfen, die Linkspartei wieder auf den linken Kurs zu bringen, argumentieren anderen, dass ein Bruch und eine organisatorische Neuausrichtung notwendig ist. Dass die Linkspartei seit ihrer Gründung 2007 immer mehr Zugeständnisse an die rechten Regierungssozialist*innen macht, um für eine potenzielle Koalition mit Sozialdemokrat*innen und Grünen bereit zu sein, lässt sich anhand der realpolitischen Rechtsentwicklung weg vom Erfurter Programm nachzeichnen. Ein weiteres Indiz sind auch die Regierungsverantwortungen auf Landesebene. Egal, ob in Berlin, Brandenburg oder Thüringen: immer dann, wenn die Linkspartei Regierungsverantwortung übernimmt, wird Politik für die herrschende, bürgerliche Klasse gemacht. Seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine im Februar dieses Jahres hat die Partei einen weiteren existenziellen Krisenpunkt erreicht: wie auf die Inflation, den kriegerischen außenpolitischen Kurs der BRD und die innenpolitischen Konsequenzen reagieren?

Dass die Partei mehr oder minder im Sterben liegt, zeigen verschiedene Symptome: bekannte Politiker*innen verließen über das Jahr die Partei, inhaltlich-analytische Diskussionen finden kaum mehr statt, in den sogenannten „sozialen Netzwerken“ feindet man einander an und die Wähler*innengunst sinkt kontinuierlich. Während beispielsweise die Kommunistische Plattform der Linkspartei trotz ihrer deutlichen Kritik an der Ausrichtung weiterhin auf den linken Kurs setzt, haben sich besonders junge Genoss*innen im vergangenen Monat fraktionell versammelt, um einerseits eine analytische Kritik zu formulieren und andererseits einen Schlussstrich zu ziehen. Unter dem Titel „Für einen revolutionären Bruch mit der Linkspartei und Solid“ veröffentlichten sie einen Aufruf, der sowohl die Partei als auch die Jugendorganisation Linksjugend Solid einer strengen Kritik unterzog. Während eine Mehrheit der Unterzeichner*innen aus der Jugendorganisation kommen, finden sich auch zwei revolutionäre Organisationen auf der Liste: die marxistischen Gruppierungen Revolutionär Internationalistische Organisation (RIO) und REVOLUTION Berlin. Hier wird auch die angestrebte Richtung deutlich, was die Fraktion „Revolutionärer Bruch“ anstrebt: der Aufbau einer genuin sozialistischen Organisation, die mit dem Reformismus bricht und eine revolutionäre Perspektive anbietet.

Wie das genau aussehen wird, zeigt sich am 14. und 15. Januar 2023. Dort veranstaltet die Fraktion unter dem Titel „15 Jahre Solid und Linkspartei: Welche Organisation für den Klassenkampf?“ eine Konferenz, um über die „Aufgaben von Revolutionär*innen“ zu sprechen, sowie welche Rolle die beiden reformistischen Organisationen dabei spielen. In diesem Aufruf wird noch einmal kurz das strukturelle Versagen der Parteien aufgezeigt sowie argumentiert, dass die Positionen konträr zu den Interessen der Arbeiter*innenklasse stehen. Dieses Versagen zeigt sich besonders im Protest gegen die herrschende Klasse, bei dem sich Vertreter*innen der Linkspartei kaum zeigen und wenn, dann nur in einem geschützten reformistischen Rahmen, der über eine konsequente Verurteilung nicht hinausgeht. Dass rechte und rechtsradikale Kräfte das Monopol auf den außerparlamentarischen Protest gepachtet haben, wird ebenso angeprangert sowie der Bürokratismus der Gewerkschaften, der die Arbeiter*innenklasse nur lähmt. Eine materialistische Analyse der objektiven Bedingungen wird in der Linkspartei und Teilen der Linksjugend ideologisch abgewehrt, besonders wenn es um die Komplexität des Ukrainekriegs sowie die Energiekrise geht. Die Partei ist völlig auf dem Kurs der herrschenden Klasse und kann keine Antwort mehr auf die dringenden Fragen geben, die einerseits das ideologische Programm der Rechten und Rechtsradikalen bekämpft und andererseits die bürgerliche Gesellschaft kritisiert.

Dass die erste Konferenz auf den Todestag von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht fällt, hat dabei auch eine symbolische Wirkung. An dem Wochenende, an dem die Liebknecht-Luxemburg-Demonstration den Revolutionär*innen gedenkt, werden sich wohl auch erneut (rechte) Vertreter*innen der Linkspartei und Solid versammeln, um deren Ermordung zu gedenken. Dabei haben sie mit den Revolutionär*innen außer einem formalen Bekenntnis nichts gemein. So wurde nicht nur Karl Liebknechts Losung „Der Hauptfeind steht im eigenen Land“ durch den Ukrainekrieg abgelegt, sondern auch seit Jahren Rosa Luxemburg in eine Dutzendreformistin uminterpretiert. Um zurück an die Wurzel zu gehen, ist hiernach ein Bruch unausweichlich, und der Aufbau einer revolutionären Organisation notwendig. Diese Konferenz will den Grundstein dafür legen, denn angesichts des westlichen Wirtschaftskriegs, der Klimakatastrophe und einer schleichenden Faschisierung westlicher Staaten ist eine konsequente Antwort darauf wichtiger denn je. Die Linkspartei kann darauf keine mehr geben – es liegt nun an der jungen Generation, den Bruch zu wagen und voranzuschreiten.

Diese Artikel erschien zuerst im Freitag Community Blog.

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