Nach 10 Jahren Rechtsstreit: Sieg gegen die Repression

17.06.2025, Lesezeit 3 Min.
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Bild: Sophia Lukasch, CC BY-SA 2.0

Ein Stück Folie ist keine Waffe: Darum kämpfte Benjamin Ruß seit 2015 vor Gericht. Nun hat er Recht bekommen. Ein Sieg für die Versammlungsfreiheit und gegen die willkürliche Repression, die uns zum Schweigen bringen soll.

Nach einem zehn Jahre andauernden Rechtsstreit hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte festgestellt: Eine Plastikfolie vor dem Gesicht stellt auf einer Kundgebung keine sogenannte Schutzbewaffnung dar. Das Urteil gibt einem Demonstranten Recht, der von einem deutschen Gericht für das Tragen einer solchen Folie verurteilt worden war.

Im März 2015 versammelten sich Zehntausende in Frankfurt am Main auf der Demonstration „bunt, laut – aber friedlich“, um gegen die Eröffnung des Neubaus der Europäischen Zentralbank (EZB) zu protestieren. Unter den Demonstrierenden war auch der Aktivist und Geoinformatiker Benjamin Ruß. Aufgrund seines antikapitalistischen Aktivismus, beispielsweise gegen den G7-Gipfel in Elmau, war er den Behörden bereits bekannt. 

Die mögliche Anwendung von Pfefferspray gegen die Protestierenden veranlasste das Bündnis „Blockupy“, das die Proteste mitorganisierte, zur Verteilung von Plastikfolien als Schutz gegen Angriffe der Polizei. Auch Ruß trug eine solche Folie. 

Dafür wurde Ruß 2016 wegen des Verstoßes gegen das sogenannte Schutzwaffenverbot verurteilt. Das Amtsgericht Frankfurt verhängte damals eine Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen. Im Versammlungsgesetz ist von Gegenständen als Schutzwaffe die Rede, die dazu bestimmt sind, „Vollstreckungsmaßnahmen eines Trägers von Hoheitsbefugnissen abzuwehren“ – in diesem Fall also die Anwendung von Pfefferspray durch die Polizei. 

Dieser Auslegung des Gesetzes durch deutsche Gerichte hat die europäische Ebene nun einen Riegel vorgeschoben. In zehn Jahren Rechtsstreit konnte Benjamin Ruß das endlich durchfechten. Ruß stellte dazu fest: „Von Rechtssicherheit kann hier nicht die Rede sein. Das Versammlungsrecht muss also gegen diesen Staat erkämpft werden.“

Das Urteil ist ein Erfolg für die Verteidigung der Versammlungsfreiheit. Es macht erneut deutlich, dass die gezielte Repression der Polizei darauf ausgelegt ist, die Versammlungs- und Meinungsfreiheit einzuschränken. Wir sollen Angst haben, uns zu organisieren, auf Demonstrationen zu gehen oder Nazis zu blockieren. 

Auch Rechtsanwalt Mathes Breuer sieht in dem Urteil eine Stärkung der Versammlungsfreiheit: „Wer auf Versammlungen nur sich selbst schützen will, ohne jemanden zu gefährden, darf deshalb nicht bestraft werden. Der Gesetzgeber muss nun das Urteil umsetzen und das Versammlungsgesetz dringend reformieren.“

Die bürgerliche Justiz wird niemals unsere Verbündete sein – trotzdem ist der Kampf in den Gerichten ein wichtiges Mittel, um die Willkür deutscher Behörden aufzuzeigen und Rechte zu verteidigen. Ruß‘ Fall steht dabei nicht allein: Insbesondere gegen die Palästinabewegung der vergangenen Jahre entfalten die Behörden ein neues Maß an Repression. Neben der Hartnäckigkeit vor Gericht ist es unerlässlich, dass wir uns dagegen organisieren.

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