Mord durch Bürokratie: Seenotrettung soll weiter beschränkt werden

01.03.2023, Lesezeit 3 Min.
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Foto: Hermine Poschmann

Der Vorstoß des Bundesverkehrsministeriums unter Volker Wissing (FDP) zur Verschärfung der Schiffssicherheitsverordnung wirkt harmlos und bürokratisch. Doch dahinter verbirgt sich der weitere Ausbau der Festung Europa.

Letztes Jahr ertranken mindestens 2406 Flüchtende im Mittelmeer. Erst vergangenes Wochenende starben über 60 Menschen vor der Küste Italiens. Diese Menschen fliehen vor Armut und Krieg – das sind Folgen globaler kapitalistischer Ausbeutung. Die zivile Seenotrettung ist vielen von ihnen eine letzte Hilfe. Schaffen sie es bis in die EU, so sind sie den hiesigen Regierungen ein Dorn im Auge. Deshalb tun diese Regierungen alles, um Fluchtrouten zu blockieren und Europa nach außen abzuschotten. Dafür gehen sie über Leichen.

So auch der „liberale“ FDP-Verkehrsminister Volker Wissing. Mit dem Referentenentwurf, der dem Investigativmagazin Monitor vorliegt, will sein Ministerium das Vorhaben von 2019 aus dem Hause Andreas Scheuer (CSU) umsetzen. Dieses war damals gerichtlich gestoppt worden. Es handelt sich hierbei um einen Frontalangriff auf die zivile Seenotrettung, der sich als bürokratische Reform tarnt. Der Entwurf sieht vor, dass sich Rettungsschiffe nicht mehr im Freizeitbereich klassifizieren können, was einen drastischen Kostenanstieg durch erhöhte Auflagen bedeuten würde. Ganz antiliberal wartet Wissing nun also mit mehr Auflagen, mehr Regularien, mehr Staat auf. Laut dem Seenotretter Axel Steier von der Mission Lifeline ist diese Änderung fatal:

Die Verordnung bedeutet, dass unser Schiff aus dem Verkehr gezogen wird. Das bedeutet für die Menschen in Seenot, dass sie noch ein Schiff weniger haben, was sie vielleicht rettet. Das bedeutet viele, viele Tote.

Krieg, Aufrüstung und Festung Europa

Dieser jüngste Eklat reiht sich ein in das generelle Vorhaben der EU, ihre Grenzen nach außen abzuriegeln. Das ging aus dem Beschluss des EU-Gipfels vor einigen Wochen hervor. Infrastruktur zur „Sicherung“ der Grenzen soll künftig aus EU-Geldern finanziert werden. Außerdem sollen das Asylrecht weiter verschärft und Abschiebungen beschleunigt werden. Die ultrarechte Regierung Italiens hat erst vor Kurzem ein Dekret verabschiedet, dass Seenotrettungsschiffe auf entfernte Häfen verbannt, während Stacheldrahtzäune und illegale Pushbacks unter Polizeigewalt die Balkanrouten dichtmachen. Wenn alles nicht hilft, werden die bereits angekommenen Geflüchteten in Metallschächten und Toilettenräumen auf europäischen Passagierfähren angekettet und zurückgeschifft.

Die Festung Europa wird gerade jetzt im Kontext des Ukrainekriegs weiter ausgebaut. Wie wir in unserem 5-Punkte-Programm betonen, gehen äußere und innere Militarisierung miteinander einher. Während im Krieg immer mehr Waffen, Munition und Panzer geliefert werden, was zu mehr weltweiter Unsicherheit und Flucht beiträgt, bleiben die Grenzen für Viele geschlossen. Gleichzeitig werden Bundeswehr und Polizei aufgerüstet und bekommen mehr Befugnisse, sogar über eine weitere Einschränkung des Streikrechts wird diskutiert. Wir sagen angesichts der Morde im Mittelmeer: Offene Grenzen für Menschen statt für Waffen! Wir brauchen jetzt Mobilisierungen zu Demos und politischen Streiks, von Gewerkschaften und soziale Organisationen, die sich gegen die derzeitigen Krisen stellen, die eine Verbindung zwischen Inflation und Krieg, Aufrüstung und Abschottung herstellen. Statt die Ausgebeuteten und Unterdrückten hierzulande gegen die Geflüchteten auszuspielen, muss die Arbeiter:innenbewegung rufen: Gegen Imperialismus und Krieg, hoch die internationale Solidarität!

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