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Mit mehr Polizei gegen sexistische Gewalt?

15.01.2016, Lesezeit 5 Min.
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In Köln gab es zu Silvester massive sexistische Gewalt in der Öffentlichkeit. Die Polizei will jetzt aufrüsten – dabei ist sie Teil des Problems. Was wir brauchen, ist Selbstorganisierung, Antisexismus und Antirassismus. Ein Kommentar, basierend auf einem Blog-Eintrag von Waffen der Kritik München.

Zu Silvester erlebte Köln massive sexualisierte Gewalt gegen Frauen. Die Täter bleiben fast alle unbehelligt, weil keine*r etwas dagegen unternahm. Oft greifen viel zu wenig Umstehende ein, wenn sie sehen, dass ein Mann eine Frau bedroht oder gegen ihren Willen anfasst. Aber auch die Polizei tat nichts. Eigentumsdelikte waren ihr wichtiger als sexuelle Belästigung – die Diebstahl-Anzeigen wurden nämlich in Köln direkt aufgenommen, die Sexualdelikte nicht sofort. Eine Frau berichtete, sie wurde von der Polizei sogar wieder zurück zu den Männern geschubst, die sie belästigten.

Aber Polizist*innen sind allgemein keine gute Gewähr gegen unterdrückerische Gewalt. Denn auch als der faschistische Mob in Heidenau tobte, tat die Polizei trotz Aufgebot gar nichts dagegen. Nichtsdestotrotz, jetzt fordern Polizei„gewerkschaften“, bürgerliche Politiker*innen und Medien: Mehr Polizei!

Die meiste sexualisierte Gewalt, ob öffentlich beim Oktoberfest oder „privat“ in Beziehung, Kirche und Familie, wird nie angezeigt. Im privaten Raum kommt es dazu wegen vorhandener Machtstrukturen meist nicht – noch bis 1997 unterstützte die Bundesrepublik Gewalt im familiären Rahmen: Vergewaltigung in der Ehe war gar nicht strafbar. Gegen die Abschaffung dieses Unrechts stimmten damals Seehofer und andere aus den Unionsparteien, die jetzt Frauen gegen Menschen „aus anderen Kulturen“ schützen wollen.

Oft wird bei Anzeigen von Gewalt im öffentlichen Raum Opfern die Schuld gegeben. Gegen dieses „victim blaming“ entstanden 2011 anlässlich des Falls eines Polizeioffiziers aus Toronto, der eine Frau für die sexualisierte Gewalt gegen sie verantwortlich machte, die „Slut Walks“. Sie konfrontieren die „rape culture“, die die Verantwortung für sexistische Gewalt bei Frauen verortet: „Lauf nachts nicht allein rum! Zieh dich nicht so an! Trink nicht so viel! Halte Abstand zu Fremden!“ Diesmal sind es auch die Frauen, die beim bald stattfindenden Kölner Karneval laut Oberbürgermeisterin nun „eine Armlänge Abstand zu Fremden“ halten und sich nicht in Begleitung Unbekannter geben sollen.

Geflüchtete statt Sexisten werden angegriffen – auch geflüchtete Frauen

Diesmal hatten sich Unionsparteien, AfD, Pegida und ein großer Teil der bürgerlichen Presse auf Geflüchtete eingeschossen – statt Sexismus zu konfrontieren, der in ihren eigenen Reihen am Ärgsten tobt. Noch bevor etwas über die Täter bekannt war, wurde es in den offiziellen und in den sozialen Medien gesagt: „Die Geflüchteten! Ihre fremde Kultur! Wussten wir es doch!“ Und so weiter… Es ging nur noch um die Täterbeschreibung als „Nordafrikaner“. Als würde die Herkunft eine Rolle spielen, wenn es Deutsche gewesen wären. Oder als würde sexualisierte Gewalt von der Hautfarbe abhängen, was ganz klar eine rassistische Aussage ist.

Generell ist es immer rassistisch, von Gewalttaten auf eine Ethnie oder Religion zu schließen, ob bei Terroranschlägen – wo in München an Silvester sofort zu Unrecht Geflüchtete erwähnt wurden – oder bei der sehr realen sexistischer Gewalt. Konsequent verfolgt und geächtet werden sollte endlich die sexualisierte Gewalt – nicht die Herkunft.

Diejenigen, die jetzt die „Begrenzung der ungehemmten Zuwanderung“ fordern, angeblich um (deutsche) Frauen zu schützen, gehen nicht nur von einem rassistischen Weltbild aus. Sie schicken auch Hunderttausende Frauen und Mädchen zurück in die Arme des IS und des Kriegs. Es geht ihnen also nicht wirklich um die Interessen von Frauen, sondern sie sind nur deutsche Chauvinist*innen. Das „Recht“, das die Polizei bei Abschiebungen gewaltsam umsetzt, bedeutet Verfolgung, Folter und Mord von Frauen in (Bürger*innen-)Kriegen – zum Beispiel durch den IS, die Taliban oder NATO-Bomben. Es bedeutet ethnische Unterdrückung der Roma-Frauen in den Balkanstaaten und ein elendes Leben vieler anderer Frauen aus „sicheren“ Herkunftsländern, deren Unterdrückung für das deutsche Regime nicht „politisch“ ist.

Antworten gegen sexistische Gewalt und rassistische Hetze

Um Antworten auf die sexistische Gewalt in Köln und auf die rassistische Hetze geben zu können ,ist folgendes wichtig: die Selbstorganisierung von allen Teilen der Gesellschaft, die Unterdrückung erfahren, sei sie sexistisch oder rassistisch. Die volle Selbstbestimmung über den eigenen Körper. Die Gleichstellung von Frauen im Beruf. Gegen alle Abschiebungen. Gegen Ungleichbehandlungen von Geflüchteten und legal hier Lebenden. Gegen den bürgerlichen Staat und den Kapitalismus, die Frauen zu Objekten erklären und nicht ernst nehmen und mit der Hetze gegen Migrant*innen ihren eigenen Sexismus überspielen.

Die Forderung „Mehr Polizei“ verstärkt die Idee, dass sich Frauen nicht selbst wehren können oder müssen. Im Ergebnis wird das heißen: „Geh lieber nicht raus, da ist nicht genug Polizei.“ Und die Verdrängung von Frauen aus der Öffentlichkeit bedeutet automatisch mehr Gewalt.

Außerdem ist die deutsche Polizei massiv an sexistischer Gewalt beteiligt. Wie viele Genossinnen sind bei der Räumung einer Blockade sexualisierter Gewalt durch männliche Beamte ausgesetzt? Prekarisierte Frauen – etwa Sexarbeiter*innen aus anderen Ländern – werden viel Gewalt ausgesetzt. Und die Frauen, die von der Polizei abgeschoben werden, wurden hier bereits erwähnt.

Das eine Patriarchat ist nicht besser oder schlechter als das andere. Überall auf der Welt müssen Frauen das Recht auf Selbstbestimmung haben. Auch Männer sollten aus ihrem eigenen Interesse den Feminismus, der unabdingbar ist, um die Spaltungen der Arbeiter*innenklasse zu überwinden, selbst verinnerlichen. Wir können sichuns nicht darauf zurückziehen, dass eben „Recht durchgesetzt“ werden muss. Polizei und bürgerliches Recht sind nämlich keine guten Helfer*innen, sondern Teil des Problems.

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