Minus 12 Grad – Regierung lässt Menschen erfrieren

09.02.2021, Lesezeit 5 Min.
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Quelle: eyal granith / shutterstock.com

Eiseskälte und Schneemassen sorgen für lebensbedrohliche Bedingungen für Obdachlose. Während Hotelzimmer leerstehen, erfrieren Menschen auf der Straße.

Mindestens 17 Wohnungslose sind in diesem Winter schon in Deutschland erfroren: „Sie erfroren im Freien, unter Brücken, auf Parkbänken, in Hauseingängen, unter Planen, in Zelten und sonstigen notdürftigen Unterständen“, so die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe. Seit dem Winter 2009/2010 habe es nicht mehr so viele erfrorene Wohnungslose in Deutschland gegeben.

Bei aktuell zweistelligen Minusgraden wird es voraussichtlich in den nächsten Tagen weitere Todesfälle geben. Dass Menschen erfrieren, während im ganzen Land hunderttausende Hotelzimmer leer stehen, ist nichts weniger als ein kapitalistisches Verbrechen.

Vergangenen Freitag verkündigte die Berliner Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales unter Führung von Elke Breitenbach (Linkspartei) stolz: „Wer ein Bett braucht, bekommt auch eins.“ So werden nun einzelne Hostels für Obdachlose geöffnet, wie beispielsweise 100 Plätze in einem Hostel in der Boxhagener Straße. Erstmals werden in diesem Winter viele Unterkünfte auch zu „24/7“-Einrichtungen, halten ihre Türen also Tag und Nacht offen, anstatt die Menschen tagsüber in die Kälte zu schicken, wie sonst üblich. Insgesamt hat die Kältehilfe, die Berlin bereitstellt, derzeit 1.426 Plätze. Das sind zwar so viele wie noch nie, jedoch angesichts des Bedarfs lächerlich wenig: Allein in Berlin leben laut Schätzungen der Berliner Stadtmission bis zu 40.000 Wohnungslose.

Diese Situation ist auch in anderen Städten Normalität. In Hamburg ist der Senat sogar überhaupt erst auf die Idee gekommen, Hotelzimmer zu nutzen, nachdem ein Bündnis gemeinnütziger Organisationen selbst aktiv wurde. „Wir haben aus der ersten Corona-Welle im März dieses Jahres gelernt. Daher warten wir nicht mehr, bis sich Verantwortliche in Hamburg um den angemessenen Schutz für Obdachlose kümmern, und handeln selbst“, sagt Nikolas Migut, Initiator der Aktion „Hotels for Homeless“.

Viele Obdachlose wollen oder können zudem nicht in die – zu wenigen – bereitgestellten Notunterkünfte: Es fehlt an Personal bei den Einrichtungen, und häufig müssen die Kältebusse mehrere Einrichtungen anfahren, um überhaupt Plätze zu finden. Und Corona erschwert die Situation weiter, da Hygienegründe gegen zu hohe Belegungen sprechen und viele Wohnunglose Massenunterkünfte aus Angst vor Ansteckungen meiden. Zudem haben viele wohnungslose Geflüchtete Angst, aus Notunterkünften heraus abgeschoben zu werden.

Angesichts von zehntausenden leerstehenden Hotelzimmern wirkt die Politik des rot-rot-grünen Berliner Senats wie ein Tropfen auf dem heißen Stein. Anstatt in der ganzen Stadt dezentral Hotelzimmer zu beschlagnahmen, um alle bedürftigen Menschen auch unter Corona-Bedingungen sicher aufnehmen zu können, werden weiterhin Menschen dem Kältetod überlassen. Der Senat bleibt damit weiterhin dem Motto treu, dass Profite wichtiger sind als Menschenleben.

Schluss mit Repression gegen Wohnungslose!

Zeitgleich setzt der Berliner Senat und mit ihm die Linkspartei auf Repression gegen Wohnungslose: Unter dem Vorwand des Schutzes vor der Kälte ließen der Linkspartei-geführte Bezirk Lichtenberg und der Berliner Senat in der Nacht zum Samstag ein Obdachlosen-Camp an der Rummelsburger Bucht räumen. Die rund 100 bisherigen Bewohner:innen des Camps werden dort nicht mehr wohnen können. Doch die Kälte ist kaum mehr als ein hohler Vorwand: Schon seit Langem gab es immer wieder Räumungsdrohungen gegen das Areal, schließlich sollen dort ein Wasser-Erlebnispark und Luxuswohnungen gebaut werden. Dass es nicht nur um den Schutz vor der Kälte geht, zeigt auch, dass die Unterkünfte auf dem Areal abgerissen wurden und das Hab und Gut der Betroffenen zum Teil vernichtet wurde. Wenn die Kälte vorbei ist, werden auch diejenigen, die das Angebot des Senats angenommen haben, in Unterkünften unterzukommen, vor dem Nichts stehen.

Dementsprechend gab es auch Proteste gegen die Räumung: Am Sonntagabend demonstrierten bis zu 300 Menschen. „Die kälteste Woche des Jahres bei Temperaturen -12 Grad steht bevor, Corona-Inzidenzzahlen sind nach wie vor hoch, und die Berliner Polizei und Politik hat nichts Besseres zu tun, als den Ärmsten der Armen ihre Unterkunft, Feuerstellen und Besitz wegzunehmen“, hieß es in einer Mitteilung der Protestierenden.

Am morgigen Mittwoch gibt es erneut Protest: Ab 13 Uhr findet vor dem Roten Rathaus eine Kundgebung unter dem Motto „Ihr habt uns nicht gerettet – Ihr habt uns vertrieben und bestohlen!“ statt. In einem Aufruf auf Telegram heißt es: „Die, die jetzt das Kleid der humanitären Retter*innen überwerfen, haben uns jahrelang im Stich gelassen und immer wieder schikaniert. Drei Winter lang haben sie sich nicht für uns interessiert. Diese angebliche Rettung vor der Kälte ist eine schamlose Lüge dafür, die Gunst der Stunde für eine schnelle, kostengünstige und lautlose Räumung der Bucht zu nutzen und uns endlich loszuwerden.“

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Aufruf zur Kundgebung am 10.02.2021
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