Medizin-Studis solidarisieren sich mit Streiks im Krankenhaus

28.06.2017, Lesezeit 4 Min.
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Am Montag kamen 35 Studierende vom Universitätsklinikum Charité bei einer Veranstaltung zusammen. Die "kritischen Mediziner*innen" hatten zur Diskussion mit Pflegekräften, Service-Beschäftigten und Ärzt*innen eingeladen. Das Fazit: Studis sollen die Streiks am Krankenhaus aktiv unterstützen.

Medizin-Studis haben nicht den besten Ruf. Sie gelten bestenfalls als überforderte Gutmenschen, die neben dem anstrengenden Studium einfach nichts auf dem Schirm haben – oder schlimmstenfalls als kaltherzige FPD-Nachwuchskader, die nur deswegen das Studienfach gewählt haben, damit sie sich später ein Bonzen-Dasein leisten können.

Täuscht dieses Klischee?

Am Montag Abend hingen in einem großen Seminarraum in der Charité in Berlin-Mitte zwei große schwarze Transparente. Die kritischen Mediziner*innen forderten: „Zusammen für mehr Personal und gegen Lohndumping“ im Krankenhaus. 35 Studis waren zur Veranstaltung gekommen und diskutierten mit: Grit Wolf, Pflegekraft von der Charité; Daniel Turek, Servicekraft an der CFM; Johanna Henatsch, Ärztin bei Vivantes; und Jan Latza, Mitarbeiter der Linksfraktion im Bundestag.

In diesen Tagen streiken die Beschäftigten der Servicetöchter von der Charité (CFM) und Vivantes (VSG). Daniel berichtete, dass er 30 oder 40 Prozent weniger verdient als manche seiner Kolleg*innen, und dazu noch 4 oder 5 Urlaubstage weniger hat – denn bei der Tochterfirma gilt der Tarifvertrag nicht. Aber sind die schlechten Löhne an der CFM relevant für die Medizin-Studis, also für angehende Ärzt*innen?

„Jedes kleine Stück am Krankenhaus muss zusammen funktionieren“, erklärte Johanna. „Service, Therapeut*innen, Pflege, Ärzt*innen – das Krankenhaus muss man als Team denken.“ Unter der Ökonomisierung des Gesundheitswesens – also der Orientierung auf schwarze Zahlen statt auf dem Wohl der Patient*innen – leiden auch die Ärzt*innen. Denn diese werden von ihren Chef*innen angewiesen, noch diese und jene lukrative Intervention durchzuführen – auch wenn sie medizinisch gar nicht nötig sind.

Dieser Wahnsinn hat System. Jan erläuterte, wie die Krankenhäuser in den letzten Jahrzehnten zu Wirtschaftsunternehmen umgebaut wurden. Seine Analogie:

Stellt euch mal vor, wenn man der Feuerwehr sagen würde, ihr kriegt eine Pauschale pro Einsatz – 750 Euro für einen Wohnungsbrand in der ersten Etage, 900 Euro in der zweiten Etage, usw. Stellt euch mal vor, was für absurde Anreize das schaffen würde.

Die Folgen dieser Ökonomisierung sind, dass es immer weniger pflegerische Zuwendung in Krankenhäusern gibt (das sagen sogar 80 Prozent der Geschäftsführer*innen!), aber dafür immer mehr teure Eingriffe. So ist die Zahl der Wirbelsäulen-Operationen in den letzten Jahren um 125 Prozent gestiegen. Dieser Unsinn passiert im Namen der Profitmacherei.

Grit berichtete, wie Pflegekräfte an der Charité erfolgreich streikten, um mehr Personal zu bekommen. Neben den laufenden Streiks der Servicekräfte stehen demnächst auch neue Streiks bei der Pflege an.

Was können Medizin-Studis tun, wenn sie mit den Streiks solidarisch sein wollen? Sie können sich weigern, bestreikte Tätigkeiten zu übernehmen. Sie können mit Komiliton*innen und Patient*innen über die legitimen Gründe für den Streik reden, denn viele haben einfach keine Zeit, um sich zu informieren. Und sie können beim Streiklokal vorbei schauen, sich informieren und ihre Unterstützung zeigen. Die kritischen Mediziner*innen haben ein großes Soli-Foto gemacht und bereiten auch einen Flyer vor.

Nur ganz am Ende der Veranstaltung zeigte sich dennoch, dass Solidarität aus objektiven Gründen für Medizin-Studis weiterhin schwer bleibt. Es wurde gefragt, wer am nächsten Tag denn zum Streik gehen könnte. Von den 35 Menschen hoben nur wenige die Hand. Aber das Gefühl der Solidarität blieb trotzdem stark – und am Dienstag Morgen sind drei Medizin-Studis bei den Streikposten dabei.

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