Marx Is‘ Muss-Kongress: Welche Antwort auf die Klima-Katastrophe und soziale Krisen?

27.05.2023, Lesezeit 6 Min.
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Impression von Marx Is' Muss, Foto: Inés Heider

Am gestrigen Freitag wurde beim Marx Is' Muss-Kongress in Berlin über eine sozialistische Antwort auf die Klima-Krise debattiert. Doch wie vielversprechend sind die linken Antworten?

Vom 26. bis 29. Mai findet in Berlin die Konferenz „Marx Is‘ Muss“ von Marx21 statt. Die zentrale Debatte am Freitagabend wird die Frage nach der richtigen Strategie der revolutionären Linken im Kampf gegen die Klimakatastrophe und die sozialen Krisen des kapitalistischen Weltsystems sein.

Nach einigen Workshops am Nachmittag zu verschiedenen Themen wie Ökosozialismus, Imperialismus, Krieg, Klassenkampf und Gewerkschaften versammelten sich rund 250 Linke, Revolutionär:innen, Klimaaktivist:innen und Intellektuelle zur Auftaktveranstaltung am Abend, um über die Lage der Linken und ihre Rolle im Kampf gegen die Zuspitzung der Krisen zu diskutieren.

Welche Antwort auf die Klima-Katastrophe?

Auf dem Podium beschreibt die Politikwissenschaftlerin Birgit Mahnkopf die Klimakatastrophe als „Vernichtungskrieg gegen den Planeten“, der sich insbesondere seit dem heißen militärischen Krieg vertiefe und beschleunigt habe. Sie betont die Wahrscheinlichkeit einer anhaltenden Heißzeit und warnt vor der Unbewohnbarkeit großer Teile der Erde in 70 Jahren. Sie betont auch, dass in den kommenden Jahren Verteilungskämpfe aufgrund der ungleichen Verteilung der Ressourcen und der ungleichen Auswirkungen der Katastrophe auf die Welt, insbesondere zwischen dem “Globalen Süden” und dem “Globalen Norden”, stattfinden würden. Die Antwort auf die Klimakatastrophe ist für sie der Ökosozialismus, da es in der kapitalistischen Produktionsweise immer Wachstum geben müsse. Als Beispiel führt sie die Nahrungsmittelproduktion an, die pro Hektar zunimmt, während die Anzahl der verfügbaren Hektar offensichtlich nicht vergrößert werden kann.

Diese Formel kann aber nach Mahnsdorf nicht weiter getragen werden, also muss ein extrem sparsamer Umgang mit Ressourcen durchgesetzt werden. Doch dieser Ansatz, das bestehende System zu bremsen und in Schranken zu weisen, reicht unserer Meinung nach nicht aus, um den Kapitalismus zu überwinden und die Klimakatastrophe zu stoppen. Hingegen muss eine tatsächliche Gegenmacht mit der Arbeiter:innenklasse aufgebaut werden, die über (große) Reformen hinausgeht und die ökonomische Basis für die Ausbeutung und Zerstörung des Planeten – die kapitalistische Produktionsweise – ein für alle Mal zerschlägt. Notwendig dafür ist die Enteignung und die demokratische Verwaltung der Betriebe und Fabriken, denn nur dann können Entscheidungen ohne Profitzwang, sondern mit Rücksicht auf die Umwelt getroffen werden. Die demokratische Verwaltung der Arbeiter:innen kann mit Vollversammlungen und Fabrikkomitees erfolgen, in denen diskutiert und abgestimmt wird: Was wollen wir eigentlich produzieren? Teile für Panzer oder doch für Straßenbahnen? Die Umschulung sollte von den Arbeiter:innen selber mit geplant und umgesetzt werden – ohne Verlust von Arbeitsstellen. In den Gewerkschaften wollen wir uns jetzt schon dafür einsetzen, Forderungen nach Umstellung der Produktion und Enteignung an die Tagesordnung zu setzen.

Was bedeutet Hegemonie?

Die Philosophin Lillian Cicerchia wirft die Frage nach den Gründen für die liberale Dominanz und die geringe Rolle von Sozialist:innen in der Klimafrage auf. „Alle wollen radikal sein, aber niemand Sozialist.“ Die Aufgabe für Revolutionär:innen sieht Cicerchia daher darin, nicht nur die ökonomische, sondern auch die politische Hegemonie der Arbeiter:innenklasse zu erringen. Dafür brauche es gemeinsame, universelle Normen für die Klasse und ihre Partei: Freizeit, Freude und Freiheit. Wenn sich die Linke nicht die politische Hegemonie zum Ziel setzt, wird sie die Arbeiter:innenklasse nur in weitere Niederlagen führen. Die Verantwortung der Linken mit revolutionärem Anspruch ist es daher, die Perspektive einer Alternative zum bestehenden System in die Arbeiter:innenklasse zu tragen. In der Frage der Hegemonie müssen wir feststellen, dass die Arbeiter:innenklasse durch die Möglichkeit von Generalstreiks und Fabrikbesetzungen die gesamte kapitalistische Produktion nicht nur lahm legen, sondern auch überwinden kann. Zudem kann die Arbeiter:innenklasse ein Programm aufstellen, das andere Teile der Gesellschaft anführen kann. Für diese Perspektive ist es notwendig, gegen die Bürokratie als Vermittlerin zwischen den Arbeiter:innen und den Bossen vorzugehen. Die Aufgabe der Linken muss es daher sein, nicht nur allgemein die Beliebtheit des Sozialismus in der Klasse zu stärken, sondern gerade aufzuzeigen, welche Macht die Klasse hat und dass sie die einzige gesellschaftliche Kraft ist, die die Klimakatastrophe beenden kann. Es geht also auch um die Hegemonie der Arbeiter:innenklasse als revolutionäres Subjekt in gesellschaftlichen Fragen. Wenn wir das schaffen, ist die Perspektive des Sozialismus für Klimaaktivist:innen viel lebendiger und überzeugender.

Welche Antwort auf die Krise der LINKEN?

Oskar Stolz, Mitglied der Linkspartei, Unterstützer von Marx21 und Organizer in der Krankenhausbewegung, argumentiert, dass die revolutionäre Linke Massenbewegungen um Streiks aufbauen muss, da nur durch die kollektive Niederlegung der Arbeit die Machtfrage gestellt werden kann. Jedoch klammert er dabei die Rolle der Bürokratie in Gewerkschaften und ihre bremsende Funktion aus. Auch Janine Wissler, Vorsitzende der Linkspartei, spricht von Transformationsfonds statt der Enteignung unter Beschäftigtenkontrolle und wird ihrer bürokratischen Funktion gerecht. Sie weißt auch darauf hin dass „viele Lohnabhängige sich nicht mehr vertreten fühlen [von der Partei die Linke]” und stellt dem die Perspektive vom Aufbau einer starken, breiten linken Partei, die sowohl im Parlament (und auch der Regierung) “einen Fuß hat”, sowie in den Bewegungen, entgegen.

Unser Genosse Stefan Schneider hat der reformistischen Perspektive entgegengehalten, dass die Linke schon oft an der Regierung war und es wenig gebracht hat. In Berlin ist jetzt die CDU an der Macht, ohne dass unter Rot-Rot-Grün Deutsche Wohnen und Co. enteignet wurden. Im proletarisch geprägten Bremerhaven hat die rechte Partei „Bürger in Wut“ fast zwanzig Prozent erreicht, trotz der Regierungsbeteiligungen der LINKEN in der vergangenen Wahlperiode. Stefan schlussfolgerte daher, dass wir nicht hoffen können Änderungen an der „Spitze des imperialistischen deutschen Staates” zu erreichen, sondern genau andersrum „die Regierungsperspektive im bürgerlichen Staat dafür sorgt, dass am Ende der bürgerliche Staat die Sozialisten korrumpiert.” Deshalb reicht es nicht nur darüber sprechen „warum Sozialismus wünschenswert ist und warum der Kapitalismus schlecht ist.” Stattdessen müssen wir uns gegen jede Art von reformistischer Ablenkung stellen und „darüber sprechen, wie wir eine Strategie entwickeln können, um tatsächlich den kapitalistischen Staat zu zerschlagen.” Am Beispiel Frankreich zeigte er auch die hinderliche Rolle auf, die die Gewerkschaftsbürokratie als Vermittlungsinstanz zwischen Streikenden und dem bürgerlichen Staat spielt. Dafür ist es zentral die Selbstorganisation der Arbeiter:innenklasse in der Vordergrund zu stellen anstatt vergeblich zu hoffen, dass man in der Regierung des kapitalistischen Staates irgendwas grundlegend ändern kann.

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