Lufthansa-Streik legt Flugverkehr lahm

27.07.2022, Lesezeit 4 Min.
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Streikkundgebung vor dem Terminal 2 am Münchner Flughafen. Bild: Klasse Gegen Klasse

Mit ihrem heutigen Warnstreik haben die Lufthansa-Beschäftigten ihre Macht bewiesen. Jetzt gilt es dem Druck von Medien und Unternehmen standzuhalten, denn die aufgestellte Lohnforderung ist angesichts der Inflation das Mindeste.

Wenn an den deutschen Flughäfen gestreikt wird, richtet sich darauf das gebündelte Medieninteresse. Wie viele Tourist:innen kommen nicht in den Urlaub? Welche dramatischen Einzelschicksale lassen sich berichten? Als besonders niederträchtig tat sich einmal mehr die „Bild“ hervor. Der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke lasse „eiskalt gegen das Ferienglück der eigenen Leute“ streiken. Dabei gilt für diesen Streik wie für jeden anderen: Schuld sind nicht die Beschäftigten oder ihre Gewerkschaften, sondern die Bosse, die ihnen keine Wahl lassen, als für ihr Recht zu streiken.

Nicht immer gelingt jedoch der Versuch, die Wut der Reisenden auf die Streikenden zu lenken. Im ZDF-Morgenmagazin schilderte eine Reisende am Frankfurter Flughafen ihre Pläne. Nach Malta wolle sie, es sei ein Geschenk für ihr Patenkind zur bestandenen Abschlussprüfung. Das falle nun wohl aus. Trotzdem sagte sie: „Dass das Personal streikt, da stehe ich voll dahinter.“

Nach Angaben der Gewerkschaft ver.di beteiligten sich rund 5.000 Kolleg:innen des Bodenpersonals an der Arbeitsniederlegung, die noch bis in die frühen Morgenstunden des Donnerstags andauern wird. 1.000 Flüge musste die Lufthansa vor allem in Frankfurt und München streichen. Ver.di fordert in der Auseinandersetzung eine Lohnerhöhung von 9,5 Prozent bei einer Laufzeit des Tarifvertrags von einem Jahr. Die Arbeitgeberseite bietet bislang nur eine Laufzeit von 18 Monaten an – angesichts der Inflation eine völlige Zumutung.

Den Beschäftigten bleibt ohnehin keine andere Wahl, als die Arbeit niederzulegen. Peter Schmidt, Sprecher der Vertrauensleute am Münchner Flughafen, Betriebsrat und Mitglied der Tarifkommission sagte gegenüber Klasse Gegen Klasse über den Streik: „Er ist unser einziges Mittel, unsere Forderung ernstgenommen zu bekommen.“ Seit drei Jahren haben die Kolleg:innen, so schildert Schmidt, keine Lohnsteigerung erhalten. Die Inflation jedoch sei auch während dieser drei Jahre weitergegangen. „Wir haben jetzt schon einen Reallohnverlust“, so Schmidt weiter. „Insofern muss jeder gucken, dass er auf seine Kohle kommt und seine Miete bezahlen kann.“ Gerade im Raum München könne man es sich in den unteren Lohngruppen allmählich überlegen, ob man die Miete bezahlt oder Essen kauft.

Umso wichtiger ist angesichts des medialen Drucks, dass die gesamte Linke und die Gewerkschaftsbewegung den Streikenden den Rücken stärkt. So besuchte etwa eine Solidaritätsdelegation der Fachgruppe Hochschule und Forschung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in München die Streikenden auf ihrer Kundgebung.

Streiks im Verkehr- und Logistiksektor machen derzeit nicht nur in Deutschland Schule. So befinden sich neben den Hafenarbeiter:innen der deutschen Seehäfen auch die britischen Eisenbahner:innen in einem verbissenen Kampf um mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen. Auch an französischen, belgischen, portugiesischen, spanischen und italienischen Flughäfen fanden zuletzt Arbeitsniederlegungen statt. Es steht die Frage im Raum, ob uns ein Sommer der Unzufriedenheit oder ein heißer Herbst bevorsteht.

Diese Kraft der Beschäftigten in diesen zentralen strategischen Sektoren darf jetzt nicht verpuffen. Die Verhandlungsführerin von ver.di für das Lufthansa-Bodenpersonal, Christine Behle, hat im ZDF bereits angekündigt, dass es bis zur nächsten Verhandlungsrunde am 3. und 4. August keine weiteren Warnstreiks mehr geben wird. Das ist nicht nur die übliche Zögerlichkeit der Gewerkschaftsbürokratie, die nicht die volle Kraft der Basis ins Feld führen will. Gleichermaßen ist es ein Zugeständnis an den öffentlichen, medial aufgebauten Druck auf die Streikenden.

Eine effektive Gegenmaßnahme wäre es, die Tarifrunde an den Flughäfen sowie diejenige ebenfalls von ver.di geführte Auseinandersetzung an den Seehäfen mit großen Demonstrationen gegen die Inflation zu verbinden, die weit über die streikenden Sektoren hinausreichen. „Stoppt das Inflationsmonster!“ lautet die ver.di-Parole für den Hafenstreik – damit wären Viele auf die Straße zu bringen, die wiederum den Streiks Kraft schenken können.

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