Luftangriffe auf Syrien waren völkerrechtswidrig – wen interessierts?

23.04.2018, Lesezeit 5 Min.
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Ein Gutachten des Bundestages stuft den Luftschlag der USA, Frankreichs und Großbritanniens gegen Syrien als einen Völkerrechtsverstoß ein. Interessieren dürfte das die Verantwortlichen wenig.

Ein vor kurzem veröffentlichtes Gutachten des Bundestages, angefertigt auf Anfrage der Abgeordneten der Linkspartei Alexander Neu und Heike Hänsel, setzt sich mit dem Raketenbeschuss auf Syrien vom 14. April auseinander. Es kommt zu dem Schluss, dass der Angriff sich außerhalb des völkerrechtlichen Rahmens bewegte. Der Luftschlag war eine Reaktion auf den mutmaßlichen Chemiewaffeneinsatz in Duma durch die syrische Regierung. Die imperialistische Koalition aus USA, Frankreich und Großbritannien feuerte, nach der Ankündigung einer Vergeltungsaktion durch Trump auf Twitter, 110 Raketen auf mutmaßliche Chemiewaffeneinrichtungen im ganzen Land.

In den Rechtfertigungen für den Angriff bezogen sich die Verantwortlichen, wie es in solchen Situationen gerne getan wird, auf das internationale Völkerrecht. „Es gab keine praktikable Alternative zur Anwendung von Gewalt“, die Angriffe seien „richtig und legal“ gewesen, so Theresa May. Es sei um die Verhinderung weiterer Giftgaseinsätze und damit zukünftigen Leids der Zivilbevölkerung gegangen. Es handle sich also um eine humanitäre Intervention, die eine Ausnahme vom allgemeinen Gewaltverbot des Völkerrechts darstellt. Auch die deutsche Regierung folgt dieser Argumentation: Sowohl Merkel, als auch Von der Leyen und Maas haben die Angriffe offiziell als „notwendig und angemessen“ bezeichnet.

Dass das Völkerrecht mal wieder nur als Feigenblatt benutzt wird, um militärische Interventionen im nationalen Interesse schön zu reden, wurde schon bei der Rede Mays vor dem britischen Parlament klar. Dort wiederholte sie nicht nur die obigen Rechtfertigungen, sondern verteidigte sich vor allem gegen den Vorwurf der Hörigkeit gegenüber Trump. Sie betonte, dass der Angriff auch im britischen Interesse gewesen sei.

Nun bestätigt auch das Bundestagsgutachten, dass das Völkerrecht nur eine Ausrede war. Dort heißt es:

Abgesehen von der fehlenden Kohärenz der „humanitären Anteile“ dieser Argumentation – erstens ist fraglich, ob die Militärschläge wirklich geeignet sind, weiteres Leiden zu verhindern, insbesondere mit Blick auf die mutmaßlich künftigen Opfern des andauernden Syrienkonflikts; zweitens ist fraglich, warum gerade der Chemiewaffeneinsatz angesichts eines sieben Jahre währenden Bürgerkriegs in Syrien das qualitativ entscheidende Ereignis darstellt, um eine humanitäre Intervention zu begründen – stellt der britische Ansatz lediglich eine weitere „Spielart“ der Rechtsfigur der sog. „humanitären Intervention“ ohne Sicherheitsratsmandat und dem Konzept der völkerrechtlichen Schutzverantwortung (R2P) dar.

Was nützt das Völkerrecht?

Der Angriff war also ein Verstoß gegen das Völkerrecht. Doch interessieren wird das von den Verantwortlichen… niemanden. Das Spiel ist inzwischen gut eingeübt: Militärische Interventionen werden mit dem Völkerrecht gerechtfertigt, was ihnen einen geradezu humanistischen, alternativlosen Anstrich gibt. So geschehen auch in Syrien beispielsweise mit einem vergleichbaren Luftschlag der USA gegen das Assad-Regime im vergangenen Jahr, oder mit dem türkischen Krieg gegen die Kurd*innen in Afrin. Dann erklären Expert*innen die Intervention im Nachhinein für völkerrechtswidrig… und kurze Zeit später gibt es die nächste Intervention.

Auch Deutschland bediente sich in der Vergangenheit ausgiebig dem Argument der „humanitären Intervention“, um Angriffskriege zu rechtfertigen. Die prominentesten Beispiele, bei denen sich Deutschland als aufstrebende Imperialistische Macht profilierte, sind Jugoslawien und Afghanistan.

Das „Völkerrecht“ ist kein ausformuliertes Gesetzbuch mit allgemeiner Gültigkeit, sondern ist zusammengesetzt aus internationalen Verträgen, Organisationen, Chartas und Gewohnheiten. Es ist in seiner Natur ein schwammiges, vielfach interpretierbares und nicht verbindliches Konstrukt. Es gibt keine Gesetzgebung und keine allgemeinen Mechanismen zu dessen Durchsetzung. Es ist daher das ideale Werkzeug, sich eine legalistisch anmutende Rechtfertigung für jedwedes Handeln zurecht zu biegen und jegliche Anfechtungen im Nachhinein einfach zu ignorieren.

Gutachten wie das jetzt zu dem Luftschlag in Syrien veröffentlichte, können den heuchlerischen Charakter der Rechtfertigungen für militärische Interventionen aufdecken. Sie können aber kein Mittel sein, diese zu verhindern. Das Bestehen auf legalistischen Argumenten, spielt am Ende nur den Kriegstreiber*innen in die Hände. Es legitimiert und erhält lediglich ein Konstrukt, das letztendlich zu nichts anderem fähig ist, als als Rechtfertigung zu dienen. Militärische Interventionen werden in einer Gesellschaft, die getrieben ist von immer schärferer Konkurrenz auf dem Weltmarkt, immer von nationalen Kapitalinteressen begleitet sein. Der Versuch, solche Interventionen langfristig per internationalem Gesetz zu verbieten, ist aussichtslos. Deshalb gilt es, gegen jedwede Militärintervention zu kämpfen, nicht legalistisch, sondern mit Streiks und Protesten auf der Straße und im Betrieb.

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