LGBT und Geflüchtete: Gemeinsam kämpfen und Widerstand leisten!

19.03.2016, Lesezeit 5 Min.
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Im Interview mit der britischen Gruppe Lesbians and Gays Support the Migrants (LGSM) sprachen wir über ihre Perspektiven des Kampfes mit Geflüchteten sowie ihre praktische Arbeit.

Erzähle uns ein wenig über LGSM. Wie seid ihr entstanden und für welche Ziele kämpft ihr?

LGSMigrants entstand im Herbst letztes Jahres. Wir hatten den ganzen Frühling und Sommer lang die schrecklichen Folgen der europäischen Grenzpolitik beobachtet: die Ertrunkenen im Mittelmeerraum, die Verschlechterung der Lage im „Dschungel“-Camp in Calais, sowie die immer schärfere Rhetorik gegenüber Migrant*innen und Geflüchtete in britischen Medien und im politischen Leben. Wir wollten also aktiv werden. Im September kam eine kleine Gruppe von uns zusammen und bildete Lesbians and Gays Support the Migrants.

Wir wurden von Lesbians and Gays Support the Miners aus den 1980er Jahren (bekannt aus dem Film „Pride“) inspiriert, die als Solidaritätsgruppe zur Unterstützung der Bergarbeiter*innenstreiks entstand. Wir haben jetzt eine sehr gute Beziehung mit ihnen und ein paar von ihnen sind auch zu unseren Treffen gekommen. Ein paar der Gründer von LGSMigrants (mich eingeschlossen!) kennen sie nun ganz gut von ihrer Präsenz bei der Organisierung des London Pride vom letzten Jahr.

Wir haben dabei zwei Hauptziele. Eins davon ist, praktische Solidarität zu schaffen. Wir sammeln Spenden in den homosexuellen Nachbarschaften von London (wie Soho) und haben vor kurzem eine Spendenaktion mit Queer-Perfomer*innen angefangen – all dieses Geld wird den Organisationen gespendet, die rund um den „Dschungel“ in Calais arbeiten.

Die andere Herausforderung ist es, dem rechten Diskurs über Migration und Geflüchtete durch kreative Aktionen entgegenzuwirken. Eine der wichtigsten Botschaften, der wir entgegentreten wollen, ist, dass die Migration eine Bedrohung für die LGBT-Rechte in Europa darstelle, und dass wir als queere Menschen vor Migrant*innen Angst haben sollten. Die britischen Politiker*innen haben damit begonnen, LGBT-Rechte zu nutzen, um Unterdrückung gegenüber Migrant*innen zu rechtfertigen und Refugees als homophob und „Frauenhasser“ zu stereotypisieren. Wir wollen dieser Hetze öffentlich entgegenwirken und zeigen, dass wir als queere Menschen Refugees willkommen heißen und unterstützen können und dass wir gemeinsam mit ihnen kämpfen werden.

Ich habe gesehen, dass ihr ebenfalls Streikende bei Arbeitskämpfen unterstützt. Welche Rolle spielt die Arbeiter*innenklasse für euch im Kampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung?

Einer unserer wichtigsten Inspirationen aus der Arbeiter*innenbewegung ist das Konzept der Solidarität. Der einfache Akt des bedingungslosen Zusammenhalts. Wir wissen, dass all unsere Kämpfe miteinander verbunden sind und dass wir nicht isoliert kämpfen können – aber dass wir umso mehr zusammenkommen müssen, um gemeinsamen Widerstand zu leisten und zu kämpfen.

Wie sind die Aussichten für euch im gemeinsamen Kampf mit den Geflüchteten? Welche Strategie habt ihr, um erfolgreich zu sein?

Einer der Gründe, warum wir dachten, dass es wichtig sei, Solidarität mit Migrant*innen zu organisieren, war, dass unsere Community ebenfalls Erfahrungen damit hatte, wie es ist, vom Staat als illegal betrachtet oder von den Medien dämonisiert zu werden und als Gefahr für die Gesellschaft angesehen zu werden.

Zwar gibt es immer noch viele Herausforderungen für die Queer-Community, aber wir sind heute in einer stärkeren Position als früher. Die Dämonisierung hat sich verschoben; die wichtigsten Ziele der staatlichen Gewalt und Unterdrückung sind jetzt die Geflüchteten und Migrant*innen. Als Menschen, die zuvor ebenso behandelt worden sind, haben wir eine Verantwortung, in Solidarität mit denen zu stehen, die jetzt zum Sündenbock gemacht werden.

Wir versuchen daher immer, mit selbstorganisierten Migrant*innenengruppen zu arbeiten und unterstützen sie.Denn sie wissen, was sie brauchen und was in ihren eigenen Communities benötigt wird.

Was sind eure nächsten Aktionen und Projekte, vor allem, wenn die Lage der Geflüchteten immer schlimmer wird?

Wir haben eine Spendenaktion für eine Organisation gestartet, die im „Dschungel“-Camp in Calais arbeitet. Es ist offensichtlich, dass nach allem, was da nun geschieht, Spenden mehr denn je benötigt werden. Wir machten im Februar eine Darstellung mit Queer-Performer*innen, wo wir über 1300 Pfund sammelten. Wir hoffen nun, sogar ein größeres Event auf die Beine zu stellen, sodass wir mehr sammeln können.

Wir werden ebenso weiterhin eng mit der Organisation „Movement for Justice“ zusammenarbeiten. An diesem Wochenende organisierten wir auch z.B. einen queeren Block um die Surround Yarl Wood-Proteste. Yarl Wood ist eine Einwanderungshaftanstalt für Frauen, wo es viele Fälle von Missbräuchen gibt. Sie wird von einer privaten Sicherheitsfirma namens „Serco“ betrieben, die wir letzte Woche gezielt mit unseren „Glitzerbomben“ abwarfen.

Wir werden LGBT-Blöcke in einigen der kommenden Demos organisieren und wir planen, mit anderen radikalen Gruppen in London zusammenarbeiten, um etwas für die London Pride zu organisieren. Wir wollen gegen den Korporatismus des Pride-Events protestieren und auf die schreckliche Behandlung der Geflüchteten aufmerksam machen, die von der britischen Regierung dazu gezwungen werden, ihre Sexualität zu „beweisen“ – und dies auf eine Art und Weise, die aufdringlich und menschenverachtend ist.

Wir hoffen, bald eine Solidaritätsreise nach Calais zu organisieren, sodass wir so gut wie möglich Geflüchteten in der derzeitigen Krise helfen können. Wir diskutieren ebenfalls mit anderen Gruppen, die wir vor Ort kennen (wie z.B. Gewerkschaften), wie wir am besten helfen können.

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