Kostenpflichtige Tests und 2G: So werden wir die Pandemie nicht überwinden

12.10.2021, Lesezeit 5 Min.
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Foto: Bihlmayer Fotografie / shutterstock.com

Die Zahlen der Impfungen stagnieren und der Herbst droht mit einer weiteren Corona-Welle. Nun greift die Politik zu Maßnahmen, wie der Abschaffung der kostenlosen Tests, vermehrten “2-G-Regeln” und keiner Lohnfortzahlung im Falle einer Quarantäne. Doch wie sinnvoll sind diese Regelungen und wozu führen sie konkret?

Betrieb

Im Betrieb werden die Maßnahmen dazu führen, dass sich Menschen bei einem Krankheitsfall nicht in Quarantäne begeben, sondern krank zur Arbeit kommen werden. Gerade Menschen in unterbezahlten prekären Jobs werden sich eine Quarantäne ohne Lohnausgleich schlichtweg nicht leisten können. Durch die nun kostenpflichtigen Tests (ca. 15-20 Euro pro Stück) werden wahrscheinlich viel mehr der Corona-Fälle unentdeckt bleiben, was wiederum zu einer stärkeren Ausbreitung innerhalb der Betriebe führen wird. Zwar können in Betrieben weiterhin Tests auf Kosten der Arbeitgeber:innen gemacht werden, jedoch ist unklar, wie viele der Arbeitgeber:innen diese Möglichkeit in Anspruch nehmen werden. Die Hemmschwelle für viele Leute, sich regelmäßig testen zu lassen, wird sicherlich weiter abnehmen.

Dies ist besonders gefährlich für die Menschen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können und für die, bei denen es zu den sogenannten Impfdurchbrüchen kommt. Denn die Zahl der Impfdurchbrüche (das heißt diejenigen, die sich trotz der Impfung mit Covid-19 infizieren) nimmt weiterhin zu.

Freizeit

Die Freizeitbeschäftigungen werden für Ungeimpfte stark eingeschränkt. Die 2G-Regelung (Geimpft oder Genesen) kann nun beispielsweise in der Innengastronomie Berlins angewendet werden. Dies soll Druck aufbauen und weitere Anreize für die Impfung bieten.

Jedoch führt dies abermals zu einer Spaltung. Ein Blick auf die Demografie der Corona-Proteste zeigt, dass die Querdenker:innen zum größten Teil keine Arbeiter:innen sind, sondern überwiegend Menschen aus dem Bildungsbürgertum. Diese Menschen werden sich trotz allem nicht impfen lassen und können sich die verschärften Maßnahmen auch leisten. Der neueste Trend ist nun nach Paraguay auszuwandern um der deutschen “Corona-Diktatur” zu entkommen. Doch dies alles ist eine Frage des Geldes.

Viele der Arbeiter:innen, die noch nicht geimpft sind, würden sicherlich mit einer verständlichen und informierenden Impfkampagne sehr viel eher überzeugt werden, als mit dem Druck, der momentan aufgebaut wird und die Menschen in die „verantwortungslosen Ungeimpften“ und die „guten Geimpften“ einteilt.

Schulen

Für Kinder bleiben die Tests bis Dezember vorab kostenlos, jedoch wurde die Maskenpflicht an den Berliner Grundschulen nun abgeschafft.

Kinder im Grundschulalter dürfen sich momentan noch nicht impfen lassen und sind dementsprechend sehr anfällig für das Virus. Eine komplette Durchseuchung der Grundschulen ist höchstwahrscheinlich und stellt eine große Gefahr für alle Kinder dar. Denn auch Kinder können schwere Lungen- und Atemwegsleiden haben, die durch Corona verschlimmert werden könnten und das Immunsystem weiter schwächt. Und auch Kinder können unter den bislang noch nicht ausreichend erforschten Langzeitfolgen der Krankheit Schaden nehmen. Nicht alle Kinder werden die Krankheit einfach wegstecken können, doch diese werden kaum beachtet, wie Kinder schon während der ganzen Pandemie immer die letzte Priorität darstellten.

Auch für die Familien und das Lehrpersonal führt dies zu größerer Gefahr sich anzustecken. Eltern, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können, müssen nun damit rechnen, dass ihr Kind die Krankheit jeder Zeit einschleppen könnte. Außerdem könnten ganze Schulen und Familien in Quarantäne geschickt werden, was bei Eltern, die ein geringes Gehalt bekommen wiederum zu finanziellen Sorgen führen könnte.

Was wäre sinnvoll?

Die Impfkampagne war ein einziges Desaster. Menschen wurden unter extremen moralischen Druck gestellt und es gab wenig bis gar keine inhaltliche und verständliche Aufklärung- weder über die Krankheit, noch über die Impfung. Dies hat bei vielen zu dem Eindruck geführt, dass dem ganzen nicht ganz zu trauen ist. Die schnelle Entwicklung des Impfstoffs, die Inhaltsstoffe, die Neuheiten und die falschen Statistiken, die im Internet kursieren ließen sich durch kompakte wissenschaftliche Argumente erklären, doch dies wird nicht gemacht. Besonders die Gewerkschaften müssen hier wichtige Arbeit leisten, um direkt in den Betrieben aufzuklären. Stattdessen werden die skeptischen Menschen als dumm dargestellt und von Influencer:innen gefragt, warum sie Zeit für eine Stunde Schminken haben, aber nicht für eine Impfung.
Dieser despektierliche Umgang wird niemanden überzeugen und zu noch mehr Spaltung und Frust führen.

Neben einer Kampagne auf Augenhöhe sollten die Tests weiterhin kostenlos bleiben, die Maskenpflicht an Grundschulen weiter bestehen und die Forschungen an den Impfstoffen für Kinder und an den Langzeitfolgen einer Corona-Erkrankung sollte weiter angekurbelt werden.

Für Arbeiter:innen wäre außerdem die Impfung am Arbeitsplatz ein guter Anreiz, sowie die Zusicherung sich nach der Impfung krankmelden zu können. Die Lohnfortzahlung muss darüber hinaus auch bei angeordneter Quarantäne weiter bestehen bleiben, damit Kolleg:innen sich nicht gezwungen fühlen, trotzdem auf Arbeit zu kommen. Nur so kann die Pandemie weiterhin effektiv bekämpft werden und jeder Teil der Bevölkerung mit eingeschlossen werden.

Korrektur: In einer früheren Version des Artikels haben wir geschrieben, dass der Begriff Impfdurchbrüche bedeutet, dass Menschen trotz Impfung auf der Intensivstation landen. Tatsächlich bedeutet es erstmal nur, dass sich Menschen trotz Impfung mit Covid-19 infizieren können. Vielen Dank für den Hinweis.

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