Konflikt bei Tesla in Schweden: Immer mehr skandinavische Gewerkschaften in einer Front gegen Elon Musk

14.12.2023, Lesezeit 6 Min.
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Foto: kovop / shutterstock.com

Elon Musk ist erneut in den Schlagzeilen. Diesmal wegen eines Arbeitskampfes in den schwedischen Tesla-Werkstätten. Beschäftigte und solidarische Gewerkschaften treten in einen offenen Konflikt und fordern einen Tarifvertrag. Musk bezeichnet diese Forderung als „wahnsinnig“.

Was sind die Hintergründe des Konflikts bei Tesla in Schweden? Angefangen hat das ganze vor mehr als vier Wochen, als die schwedische Industriegewerkschaft „IF Metall“ beim Autobauer Tesla einen Tarifvertrag einforderte. Musk, neben Tesla bekannt für SpaceX und Union Busting, fand diese Anstrengungen nicht so angenehm. Deswegen äußern er und seine Unternehmensführung sich weiterhin gewerkschaftsfeindlich und geben den Forderungen nach einem Tarifvertrag nicht nach. Dass der Kapitalist Elon Musk als einer der reichsten Menschen der Welt solche Einstellungen vertritt, ist nicht verwunderlich. Schon über den Sommer hinweg kam es bei Tesla und anderen Automobilunternehmen in den USA zu Streiks, bei denen die amerikanische Automobilgewerkschaft „United Auto Workers“ für bessere Löhne und humanere Arbeitsbedingungen kämpfte. Schweden ist für Tesla als Produktions- und Verkaufsstandort jedoch besonders , denn dort ist die Dichte an Elektrofahrzeugen weltweit besonders hoch. Das Tesla Model Y war im August das meistverkaufte Fahrzeug überhaupt, in diesem Land könnte man sich aus der Sicht von Tesla also keine Blöße geben.

Der skandinavische Klassenkompromiss und seine Eigenheiten

Gerade im Land von Bullerbü und Greta Thunberg kommt es jetzt zu einer der größten Streikbewegungen seit Langem. Da Schweden, wie Dänemark und Norwegen, über keinen Mindestlohn verfügen, sind die Arbeiter:innen dort auf die Stärke der Gewerkschaften und deren Fähigkeit zur Aushandlung von Tariflöhnen angewiesen. Tarifautonomie wird hier noch großgeschrieben. Das zeigt sich auch in den Statistiken zur Tarifbindung von 2007 bis 2010. Mit einer Tarifbindung von 91 Prozent ist Schweden mit Österreich, Belgien und Slowenien das am besten abgedeckte Land in Europa. Die Tarifautonomie wird hier nicht einfach von Rechten als vorgeschobenes Argument angeführt, wie das in Deutschland der Fall ist, um sich gegen jegliche Mindestlohnerhöhung querzustellen. In Schweden wird tatsächlich vor allem von Arbeitnehmer:innenseite die Tarifautonomie verteidigt, was nicht zuletzt erst zu Konflikten mit der EU und Deutschland geführt hat. Dabei kam es zu Meinungsverschiedenheiten beim Thema Mindestlohn, wobei sich die schwedische Regierung gemeinsam mit den Gewerkschaften gegen die kommende EU-Richtlinie zur EU-weiten Mindestlohnregelung stellte. Die schwedischen Gewerkschaften rechtfertigen ihre Entscheidung damit, dass es die Rolle der Gewerkschaften schwächen würde und man langfristig eine allgemeine Verschlechterung der Löhne befürchtet.

Genau dieses gewerkschaftszentrierte Modell, auch bekannt als „nordisches Arbeitsmodell“ , wird jetzt durch Tesla bedroht. Musk weigerte sich, einen Tarifvertrag zu unterschreiben und wird deswegen seit über einem Monat von Arbeiter:innen aus unterschiedlichen Sektoren bestreikt. Immer mehr Gewerkschaften schließen sich dem Arbeitskampf an. Musk muss seine gewerkschaftsfeindliche Haltung beibehalten, um den Gewerkschaften keine Hoffnungen auf Erfolg zu geben. Das könnte Anreize zu weiteren Arbeitskonflikten schaffen, schließlich ist das nicht das erste Mal, dass es zu Arbeitskämpfen in Tesla-Fabriken kommt. Mehrere Versuche der betrieblichen Organisierung wurden bereits mit illegalen Union-Busting-Methoden von Musks Seite aus unterbunden. In Schweden wird das für ihn jedoch schwieriger als in den als gewerschaftsfeindlich bekannten USA. Die schwedischen Gewerkschaften befinden sich aber trotzdem in einer angespannten Situation, für sie liegt das ganze schwedische Arbeitsmodell auf dem Spiel. Ein Präzedenzfall im Interesse des Kapitals ist strengstens zu vermeiden, würde es doch nur ein Signal an weitere ausländische Unternehmen senden, dass die Zeit gekommen sei, die schwedischen Arbeiter:innen, wie so viele europäische Arbeiter:innen zuvor, härter auszunehmen und auszubeuten.

Der Konflikt und die Solidarität weiten sich aus

Die schwedische Gewerkschaft „IF Metall“ muss diesen Konflikt aber nicht alleine austragen, in den letzten Wochen haben sich immer mehr Gewerkschaften und solidarische Arbeiter:innen an die Seite der Beschäftigten bei Tesla gestellt. So haben Hafenarbeiter:innen und Postarbeiter:innen die heikle Situation erkannt und mittlerweile schon mehrmals Aktionen gestartet, um mehr Druck auf die Tesla-Führung auszuüben. Mitte November blockierten schwedische Hafenarbeiter:innen die Lieferung von Teslawägen an die Fabrik, Beschäftigte des Versandunternehmens PostNord weigert sich bis Heute die Autokennzeichen für Neuzulassungen zu liefern. Darüber hinaus solidarisieren sich auch Werkstätten, die keinen Tesla mehr reparieren oder Arbeiter:innen weigern sich, Ladestationen für Teslawägen zu warten.

Doch die Solidarität bleibt nicht auf Schweden begrenzt. Immer mehr skandinavische Gewerkschaften und ihre Arbeiter:innen bekunden Solidarität oder versuchen ihre strategischen Stellungen als Druckmittel gegen die Tesla-Führung einzusetzen. Beim norwegischen Hersteller „Hydro Extrusions“, der auch in Schweden produziert, werden aktuell keine Aluminiumteile mehr versandt, die Tesla unter anderem für den Bau des Tesla Y in ihrer Berliner Fabrik benötigen. Und auch die norwegische Arbeiter:innenklasse bewegt sich. Der größte norwegische Gewerkschaftsbund im privaten Sektor, „Fellesforbundet“, kündigte vor ein paar Tagen an, dass sie Tesla-Lieferungen, die über Norwegen durchgeführt werden, blockieren werden, wenn sich Tesla nicht auf die Aushandlung eines Tarifvertrages einlassen würde. Wenn also nichts bis zum 20. Dezember passiert, wird die „Fellesforbundet“  ihre Arbeiter:innen ab diesem Tag zu Blockaden aufrufen.

Zu den neun schwedischen Gewerkschaften und den norwegischen, die sich bisher mit dem Kampf solidarisierten, kommen nun auch noch dänische und finnische hinzu. In diesem Sinne verkündete der dänische Gewerkschaftsführer Jan Villadsen vor ein paar Tagen in einem Interview mit Reuters, dass sich die Gewerkschaften genauso wie das Kapital international organisieren müssen, um für die Rechte der Arbeiter:innen einzutreten. Der Anführer des größten Gewerkschaftsverbandes Dänemarks, der „Fælles Fagligt Forbund (3F)“ , verkündete am 04. Dezember, dass die Hafenarbeiter:innen und Transportfahrer:innen nach einer zweiwöchigen Wartezeit zu Streiks aufgerufen werden, wenn Tesla nicht auf die Forderungen der schwedischen IF Metall zugeht. Und damit nicht genug, in Finnland kam es am 06. Dezember zu einem Treffen der Spitzen der größten finnischen Transportgewerkschaft, bei dem beschlossen wurde, dass auch die finnischen Häfen ab dem 20. Dezember Kampfmaßnahmen aufnehmen werden, um den Weitertransport von Teslawägen zu blockieren. Die Führung der AKT (finnische Transportgewerkschaft) beruft sich dabei, in Anlehnung an ihre nordischen Schwestergewerkschaften, auf die Einhaltung des nordischen Arbeitsmarktmodells, dass Tarifverträge, ausgehandelt zwischen Gewerkschaft und Arbeitgeber, als ein zentrales Fundament einer funktionierenden Marktwirtschaft ansieht.

Deutschlands Tesla-Fabrik ist mittlerweile für ein Drittel der Teslas in der Region verantwortlich und sollte sich deshalb der Streikwelle anschließen. Die Schwächung der deutschen Gewerkschaften ist schlimm genug, es wird Zeit, dass die deutschen Gewerkschaften Stellung beziehen, ähnlich wie es die nordischen und skandinavischen in den letzten Wochen taten. Es steht viel auf dem Spiel, deswegen fordern wir: Hoch die internationale Solidarität!

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