Klimagerechtigkeit – Wozu eigentlich?

24.03.2022, Lesezeit 5 Min.
Gastbeitrag

Ein Gastbeitrag von Hasan, Aktivist und aktiv bei Fridays for Future und der Seebrücke.

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Foto: Ron Adar / Shutterstock.com

In den letzten Jahren ist die Klimakrise durch Bewegungen wie Fridays for Future mehr in den Fokus der Gesellschaft und somit auch teilweise der Politik gerückt. Fridays for Future ist aktuell die größte Klimagerechtigkeitsbewegung weltweit.
Berechtigt und eigentlich auch viel zu spät, denn Fakt ist, dass die Klimakrise als Symptom des Kapitalismus zurzeit die größte Bedrohung für die Menschheit und für die Erde ist. Im Kontext der Klimakrise nutzen Vertreter:innen des Ablegers hier in Deutschland Klimagerechtigkeit sehr offen als Framing und bezeichnen sich auch selber auch als Aktivist:innen für Klimagerechtigkeit .

Aber was ist eigentlich Klimagerechtigkeit?

Klimagerechtigkeit als solches ist ein Konzept, welches die Klimakrise als ethisches und politisches Problem betrachtet, da ein Teil der Menschheit zwar im Vergleich zu anderen Teilen weniger zur Krise beigetragen hat, aber dennoch die größten Auswirkungen schon heutzutage spürt, wie zum Beispiel Menschen aus dem Globalen Süden. Auch verstärkt die Klimakrise schon bestehende gesellschaftliche und strukturelle Probleme, wie zum Beispiel Rassismus. Somit ist diese Krise auch tief verstrickt mit diesen Problemen. Der Kampf für Klimagerechtigkeit muss antirassistisch und antikolonialistisch sein.

Wie es so oft bei Krisen ist, verstärkt die Klimakrise bereits bestehende Ungerechtigkeiten enorm. Deswegen ist es sehr wichtig, dass Maßnahmen zur Eindämmung dieser Krise sowohl sozial, als auch klimagerecht umgesetzt werden und Menschen aus Europa nicht vergessen, dass sie nicht die Opfer dieser Krise sind.

Klimagerechtigkeit heißt Klassenkampf!

Dem Millionär, der mit seiner Familie in einer Villa wohnt, werden höhere Temperaturen wahrscheinlich nicht so sehr Sorgen bereiten, wie dem Arbeiter, der mit seiner Familie in einer kleinen Wohnung im Plattenbau lebt. Krisen treffen die mittlere und untere Gesellschaftsschicht immer viel härter als die obere. Das war zum Beispiel auch bei der Pandemie so: Während Arbeiter:innen mit der Sorge, ob sie gekündigt werden, unter gefährlichen Situationen in der Pandemie noch arbeiten mussten, haben laut einem Bericht von Oxfam die zehn reichsten Personen in Deutschland ihr Vermögen seit Beginn der Pandemie von umgerechnet rund 125 Milliarden Euro auf etwa 223 Milliarden Euro gesteigert, genauer gesagt um 78 Prozent. Das konnte nur passieren, weil Arbeiter:innen unter Vorwänden gekündigt wurde oder die Bundesregierung die Löhne gezahlt hat. Hinzu kommen die Milliarden schweren Pakete für Großkonzerne wie zum Beispiel Lufthansa.

Also ist es doch im Gesamten betrachtet sicherlich etwas gutes, wenn Bewegungen wie Fridays for Future Deutschland Narrative wie Klimagerechtigkeit nutzen und auch verbreiten, oder?

Ja, aber auch Nein.
Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten, denn: Zum einen ist es natürlich super gut, wenn Klimagerechtigkeit als Konzept bekannter wird und Menschen sich mit diesem Thema beschäftigen und auch tiefgründiger auseinandersetzen.
Aber: Forderungen von Fridays for Future Deutschland sind weder klima-, noch sozial gerecht und zudem sehr privilegiert und vor allem aus einer weißen, eurozentrischen Sicht, die den Rest der Welt (wieder mal) vergisst. Und genau deswegen muss diesbezüglich Empowerment eine große Rolle spielen. Den Betroffenen muss Platz gemacht werden. Es muss aufgehört werden, immer über die Betroffenen von Kolonialismus und Klimakrise zu sprechen, statt die Betroffenen selbst sprechen zu lassen. Wie gut das funktioniert, ist erkennbar an den Pressesprecher:innen der Bewegung oder auch an der Social-Media Arbeit: Überhaupt nicht gut.

Menschen aus dem Globalen Süden leiden schon jetzt bei einer Erderwärmung von 1.1 °C unter dieser Krise. Ernteausfälle und Naturkatastrophen sind längst Alltag, aber dennoch wird immer noch von bekannten Gesichtern der Bewegung in Deutschland bei Talkshows oder Podcasts erzählt, dass die Klimakrise ja in Zukunft „uns” sehr hart treffen würde.
Nein! Die Klimakrise ist jetzt schon spürbar und ist, wie so üblich für Krisen in diesem kapitalistischen und ausbeutenden System, sehr ungerecht verteilt zwischen Verursacher:innen und Betroffenen, zwischen oben und unten.

Dieses eurozentrische und weiße Vorgehen sieht man übrigens auch an der Hashtag Auswahl. Während Fridays for Future International auf #PeoplenotProfit setzt und die nötigen antikapitalistischen und antikolonialen Zusammenhänge darstellt, benutzt Friday for Future Deutschland wieder einen privilegierten und vor allem eurozentrischen Hashtag dazu, und dieser Hashtag #Reichthaltnicht.

Sich Klimagerechtaktivist:in zu nennen ist einfach, solange aber Fridays for Future Deutschland als größte Bewegung hier in Deutschland diese privilegierten Forderungen weiterführt und auch Zusammenhänge wie zum Beispiel Antikapitalismus oder Antirassismus nicht richtig verstehen will, bringt es buchstäblich nichts. Abgesehen natürlich vom Profit für einen bestimmten Kreis dieser Bewegung, die die Bewegung in vieler Hinsicht für eigene Zwecke und Karriere instrumentalisieren und selber sogar zum Teil Profit aus dieser angeblich antikapitalistischen und klimagerechten Bewegung schlagen.

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