„Kein Streik, sondern ein Krieg” – Arbeitskampf von Reiniger*innen der französischen Bahn

08.12.2017, Lesezeit 4 Min.
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Les salariés de H Reinier, en grève contre leur employeur depuis maintenant 21 jours consécutifs, étaient rassemblés ce midi à la gare de Saint-Denis pour un repas solidaire.

Kaum zu glauben: Seit dem 2. November streiken die Reinigungskräfte bei der staatlichen Eisenbahngesellschaft SNCF in Paris. Sie führen einen entschlossenen Kampf gegen das Subunternehmen ONET.

Vorgestern feierten die streikenden Arbeiter*innen im Bahnhof von Saint-Denis in Paris ihren 35. Streiktag. Und das wohlgemerkt in einem Land, wo es kein Streikgeld gibt. Die Reinigungskräfte sind für die Sauberkeit der Bahnhöfe zuständig, die der staatlichen Eisenbahngesellschaft SNCF gehören, aber unter einem Subunternehmen abgewickelt werden. Wie in Deutschland dienen die Subunternehmen dazu, noch schlechtere und prekärere Arbeitsbedingungen durchzusetzen – H.Reinier ONET ist bekannt und berüchtigt dafür. Diese Arbeiten werden zumeist von migrantischen und weiblichen Arbeiter*innen durchgeführt.

Die Arbeiter*innen, zu etwa 60 Prozent Frauen, organisieren ihre Streikposten selbst und erhielten im Laufe ihres heroischen Streikes nicht nur Solidarität und Zuspruch von Studierenden, sondern auch von ihren Kolleg*innen, die bei der SNCF in anderen Beriechen angestellt sind. So rief die Gewerkschaft SUD Rail bereits zu einem Solidaritätsstreik auf. Der Kollege Anasse, Delegierter der Sud Rail, versicherte ihnen die Unterstützung zu und betonte die Bedeutung dieses Streikes:

Diese Streikenden haben es uns allen gezeigt, sie sind wahre Krieger*innen. Es sind 35 Tage des Streikes, aber in Wirklichkeit sind es 35 Tage des Krieges.

Krieg? Ist das nicht ein wenig zu abgehoben? Wahrscheinlich würde auch die Geschäftsführung von einem Krieg sprechen, so lassen es zumindest ihre Reaktionen andeuten. Nicht nur, dass sie die Polizei und die Sicherheitskräfte der SNCF auf die Streikenden losschickten — sie griffen auch auf Streikbrecher*innen zurück. Im Bahnhof von Ermont Eaubonne versuchten sie gar mit Gewalt, den Streik zu brechen.

Doch es half alles nichts. Die Streikenden konnten nicht zuletzt dank großer Solidarität die Angriffe zurückschlagen und den Streik fortsetzen. Als sie dann am Mittwoch Abend eine große Streikfeier organisierten, kamen fast 2.000 Euro in die Streikkasse.

Internationale Solidarität

Dieser lange Streik ist nicht nur dazu da, um für eine bessere Bezahlung oder mehr Urlaubstage zu kämpfen, sondern auch um die Arbeiter*innen zu ermutigen, ihre desolaten Bedingungen öffentlich zu machen. So meldeten sich während des Streikes auch Arbeiterinnen zu Wort, die von Rassismus- und Sexismuserfahrungen zu berichten hatten – ein häufiges Phänomen, was sich auch auf die Geschäftsebene erstreckt. So berichtete auch Karima von sexuellen Belästigungen und davon, dass sie mit vier weiteren Kolleginnen deswegen zu Geschäftsführung ging, aber dafür sanktioniert wurde! Keine Seltenheit bei ONET, was sogar von der Pariser Aufsichtsbehörde dafür gerügt wurde.

Bei diesem einzigartigen Streik kommen also mehrere Ebenen zusammen: Kampf für bessere Bedingungen am Arbeitsplatz, Widerstand gegen die staatliche Repression sowie rassistische und sexistische Unterdrückung. Alle diese Elemente verschmelzen sich in diesem großartigem Kampf der Beschäftigten bei ONET. In diesem Kampf sieht mensch, dass die Arbeiter*innen ein essentielles Interesse daran haben, gegen die rassistischen und sexistischen Spaltungen zu kämpfen — und dass sie es in erster Linie sind, die darunter leiden.

Doch nicht nur das: Die streikenden Reiniger*innen suchen auch explizit die solidarische Unterstützung anderer Sektoren. So nahmen sie im letzten Monat an einer gemeinsamen Demonstrationen mit den Reinigungskräften der Hotelkette Holiday Inn teil. Mit anwesend waren auch die ehemals streikenden Beschäftigten des Hotels Campanile. Voilà, ein hervorragendes Beispiel der gemeinsamen Zusammenführung der Kämpfe.

Dieser Streik mit all seinen Aspekten ist wahrlich eine Kriegsschule, wie Lenin Streiks der Arbeiter*innenklasse auch nannte.

Aber auch an internationaler Solidarität mangelt es nicht: Im Rahmen der Demonstrationen gegen staatliche Repressionen gegen Anti-G20-Aktivist*innen und für ein Bleiberecht von Geflüchteten zeigten mehrere Aktivist*innen ihre Solidarität:

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