Kampf um kostenfreie Bildung in Chile

15.10.2011, Lesezeit 5 Min.
1

In Chile wurde der Neoliberalismus – und mit ihm die Privatisierung der Bildung – mit aller Gewalt von der Pinochet-Diktatur als das Modell durchgesetzt, dem ganz Lateinamerika folgen sollte. Ein Modell, welches die Regierungen der „Concertación“ (Mitte-Links-Parteienbündnis) nach dem Ende der Diktatur und heute die rechte Regierung Sebastián Piñeras weitergeführt haben. Deshalb bleibt der Zugang zur höheren Bildung im Andenland der Mehrheit versperrt. Und diejenigen, die an sie herankommen können, bleiben dank des Systems der „Stipendien“-Kredite über Jahrzehnte hinweg verschuldet.

Seit mehr als vier Monaten mobilisieren sich die chilenischen SchülerInnen und Studierende und attackieren dieses Bildungsmodell mit der Parole: „Sie wird fallen, sie wird fallen, die Pinochet-Bildung!“ Mit Demonstrationen sowie Schul- und Unibesetzungen fordern sie das „Ende der Geschäftemacherei“ und kostenfreie Bildung. So prangern sie den reaktionären Charakter des „chilenischen Modells“ an und weisen damit den Weg, um den Angriffen auf die Rechte der arbeitenden Massen ein Ende zu setzen.

In diesem Kampf haben die SchülerInnen und Studierenden die Unterstützung ihrer Familien und bedeutender Sektoren der Massen bekommen: eine Umfrage zeigte, dass 86% der Bevölkerung die Forderungen der kämpfenden SchülerInnen und Studierenden unterstützt. Während des Generalstreiks am 24./25. August, ausgerufen vom Gewerkschaftsverband Central Única de Trabajadores (CUT), begannen die Jugendlichen, Verbindungen mit Teilen der ArbeiterInnenbewegung zu knüpfen. Sie wurden auch im Kampf gegen die Repressivkräfte gestählt, die das Leben von Manuel Gutiérrez gefordert haben, einem 16-jährigen Schüler, der von der Polizei erschossen wurde.

Die chilenischen SchülerInnen und Studierenden zeigen, dass die direkte Aktion und die Mobilisierung auf den Straßen das Mittel sind, um sich konsequent den neoliberalen Plänen entgegenzustellen.

Gegen das Erbregime der Diktatur

In den 90er Jahren gab es in Chile einen „Übergang zur Demokratie“, der die Unzufriedenheit der Massen gegen die Militärdiktatur eindämmen konnte und die „Concertación“ eine Demokratie installierte: Eine „Demokratie“ für die Reichen, die das Erbe Pinochets bewahrt, und der Mehrheit Zugang zu Bildung, Gesundheit, Wohnungen und anderen Rechten verwehrt; Eine „Demokratie“, die dafür sorgt, dass die neoliberalen Pläne unbedingt weitergeführt werden, wegen derer sich heute die rechte Regierung von Sebastián Piñera in der Klemme sieht.

Leider versuchen die Führungen der Studierenden- und ArbeiterInnenbewegung, wie der Studierendenverband CONFECH bzw. die CUT, angeführt von der Kommunistischen Partei Chiles, die Unzufriedenheit in Richtung der kommunalen Wahlen des nächsten Jahres zu lenken. So wollen sie verhindern, dass eine große Krise des Erbregimes von Pinochet ausbricht. Deshalb bremst die KP die Mobilisierungen der SchülerInnen und Studierenden bewusst aus. Zu diesem Zweck etablierte die CONFECH mit der Regierung einen „Tisch des Dialogs“, ohne die Basis zu befragen und ohne von der Forderung der kostenfreien Bildung auszugehen. Einige Sektoren der Basis der SchülerInnen- und Studierendenschaft beginnen, diese Politik abzulehnen und sagen: „Kein Dialog, der nicht von der Forderung nach kostenfreier Bildung ausgeht!“ Denn die Forderung der kostenfreien Bildung stellt den Klassencharakter des Bildungssystems in Frage.

Angesichts dessen beginnt die chilenische Jugend, die bürokratischen Führungen ihrer Verbände, welche um Brotkrumen verhandeln wollen, zu hinterfragen. Die SchülerInnen- und Studierendenbewegung in Chile steht vor der Herausforderung, eine Organisation aufzubauen, die sie demokratisch repräsentiert. Deren Delegierte müssen von Schul- und Fakultätsversammlungen gewählt werden und jederzeit abwählbar sein. Sie müssen außerdem auf ein festes Mandat verpflichtet sein und dürfen nur im zeitlichen Rahmen einer rotierenden Amtsbesetzung agieren – so wie damals das Streikkomitee an der mexikanischen Universität UNAM funktionierte, das es erlaubte, dem Versuch der Privatisierung der Bildung 1999/2000 als Teil des paktierten „Übergangs zur Demokratie“ unter der Regierung von Ernesto Zedillo entgegenzutreten. Diese Basisorganisation war ein elementarer Schritt, um den Kampf voranzutreiben und mit der bürokratischen Führung der Verbände zu brechen und gleichzeitig mit diesem Beispiel die ArbeiterInnen zu motivieren, ihre eigenen Organisationen zurückzuerobern, indem sie die Gewerkschaftsbürokratie rauswerfen.

Unsere GenossInnen von der Partei Revolutionärer ArbeiterInnen (PTR) in Chile kämpfen dafür, dass die SchülerInnen- und Studierendenbewegung nicht von den reformistischen Führungen (KP und Concertación) in die Sackgasse geführt werden. Sie kämpfen dafür, dass die Bewegung eine klare Linie verfolgt, unabhängig von den Institutionen des Regimes, den Parteien der UnternehmerInnen und der bürokratischen Führungen, die das Spiel der Regierung mitspielen.“ Nur so kann die Bewegung sich in einen Referenzpunkt verwandeln, der den Kampf aller unterdrückten und ausgebeuteten Sektoren gegen die Privatisierung, nicht nur der Bildung, sondern auch der Gesundheit, der Wohnungen und der natürlichen Ressourcen (wie dem Kupfer) vorantreibt; ein Referenzpunkt, der den Kampf gegen die Repression und den Autoritarismus des Regimes führt; ein Referenzpunkt, der für das Ende dieser Demokratie der Reichen kämpft und eine neue Etappe des Klassenkampfs in diesem Land eröffnet.

Zum Weiterlesen

Partei Revolutionärer ArbeiterInnen (PTR), chilenische Sektion der FT-CI

Sonderseite zu den Protesten

Mehr zum Thema