Ist der Schulz-Zug in Kiel abgefahren?

08.05.2017, Lesezeit 4 Min.
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Das Ergebnis der Schleswig-Holsteiner Landtagswahlen ist ein Schock für die SPD: Sie verliert seit 2005 das erste Mal ein Bundesland an die CDU, die nach dem Saarland schon den zweiten Sieg in diesem Jahr einfährt. Der Rechtsruck in Schleswig-Holstein zeigt die Schwäche der reformistischen Strategien auf.

Als einen „Leuchtturm“ in den aktuellen Zeiten hatte Martin Schulz die Kieler „Küstenkoalition“ aus SPD, Grünen und der Minderheitspartei Südschleswigsche Wählerverband (SSW) bezeichnet. Das Ergebnis der Landtagswahlen zeigt jedoch, dass die von Torsten Albig geführte Regierung an Leuchtkraft verloren hat. Gilt das gleiche für den „Schulz-Effekt“?

Die SPD verliert drei Punkte und liegt mit 26,7 Prozent deutlich hinter der CDU, die mit 33,1 Prozent auftrumpft. Sie verliert damit die erste Staatskanzlei seit zwölf Jahren. Für Martin Schulz als SPD-Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten ist es schon die zweite Wahlniederlage, nachdem die SPD im Saarland nicht aus ihrer Rolle als Juniorpartner einer Großen Koalition herauskam.

Die Gründe dafür liegen natürlich nicht nur in der Bundespolitik, sondern haben auch landesspezifische Gründe und finden sich zum Teil in einer Ablehnung des Ministerpräsidenten Albig. Doch eine Woche vor den entscheidenden Wahlen in Nordrhein-Westfalen – Heimatland von Schulz, einwohnerstärkstes Bundesland, Kernland der SPD – ist das Ergebnis ein schlechtes Zeichen für die Sozialdemokratie. Diese hatte auch auf Bundesebene in den letzten Wochen ein Rückgang der Umfrageergebnisse zu verbuchen.

Der Hauptgrund für den Niedergang des „Schulz-Effektes“ ist, dass er zwar mit sozialdemokratischer Gerechtigkeits-Rhetorik einen Teil der Unzufriedenheit mit der Merkel-Regierung kanalisieren konnte, jedoch ohne konkrete Vorschläge. Sein Programm ging nicht über kosmetische Veränderungen der Agenda 2010 hinaus und konnte somit keine ernsthafte Alternative für Arbeiter*innen und Jugendlichen anbieten. Der einzige echte Reformvorschlag ist die Abschaffung sachgrundloser Befristung, die umgesetzt wirklich ein Fortschritt wäre. Doch woher soll das Vertrauen dafür noch kommen?

Die fehlende Mobilisierung wird der SPD zum Verhängnis. Weil sie selbst Regierungen stellt und sich an ihnen beteiligt, kann sie ihre Mitglieder nicht für die sozialen Reformforderungen von Martin Schulz auf die Straße bringen. Sie ist unglaubwürdig.

Zudem erscheinen Schulz’ Forderungen ohne ein umfassendes, eindeutiges Programm gegen Altersarmut, Arbeitslosigkeit und Prekarisierung als das, was sie sind: nichts als heiße Luft. Es ist der Versuch, die Sozialdemokratie nach Jahren der neoliberalen Regierungspolitik wieder durch die soziale Basis zu stärken, welche sie mit ihrer Politik angegriffen hat.

Dem hingegen ist die CDU zurück im nördlichsten Bundesland. Und obwohl Merkel vor allen von rechts geschwächt ist, könnten gewonnene Landtagswahlen eine Stärkung für den Bundeswahlkampf bedeuten. Die Union hat dort nun verschiedenste Koalitionsmöglichkeiten, darunter eine Schwarz-Grüne Koalition, ein Bündnis aus CDU, Grünen und FDP oder eine unionsgeführte Große Koalition. Eine Schwarz-Rote Regierung in Kiel könnte der SPD den letzten Wind aus den Segeln nehmen, da sie dann auch im Bund als „alternativlos“ erscheinen würde. Schließlich ging die SPD-Spitze nach der Niederlage im Saarland auf Distanz zu „Rot-Rot-Grün“, was auch rechnerisch wieder weit entfernt ist. All das könnte zu einer Festigung der widerspruchsvollen Großen Koalition führen. Zwar ist damit niemand wirklich glücklich – außer der Bourgeoisie, der die Groko Stabilität bringt -, aber es gibt einfach keine glaubwürdige Alternative von links.

Am rechten Rand konnte sowohl die neoliberale FDP, die ein zweistelliges Ergebnis erzielte und auf den Wiedereinzug in den Bundestag im September hofft, als auch die rassistische AfD punkten. Diese kam zwar mit etwas über fünf Prozent nicht an die Spitzenergebnisse aus dem vergangenen Jahr heran. Jedoch zeigt das Ergebnis trotzdem, dass sie sich soweit konsolidiert hat, um in einen weiteren Landtag einzuziehen. Die Wahlbeteiligung ging hoch, dies nützte aber eher der AfD. Dass „Hauptsache wählen“ die Rechten verhindert, wird damit auch wieder ins Reich der Mythen verdammt.

Die Linkspartei konnte zwar 1,4 Prozentpunkte dazu gewinnen, jedoch reicht es mit 3,7 Prozent nicht für den Einzug in den Landtag.

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