Interview: Schulstreik zur Unterstützung der LehrerInnen

17.05.2013, Lesezeit 5 Min.
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Berliner SchülerInnen wollen streiken, um den Arbeitskampf der angestellten LehrerInnen zu unterstützen. Ein Interview mit David P. (16), Schüler am John-Lennon-Gymnasium in Berlin-Mitte und Aktivist der linken Schülergruppe Red Brain.

Für Freitag ruft ihr zu einem Schulstreik auf. Was ist der Anlass?

Als SchülerInnen haben wir viele Gründe, auf die Straße zu gehen. Wir leiden unter den Einsparungen im Bildungsbereich. Viel zu große Klassen und marode Schulgebäude bieten uns keine gute Möglichkeit, uns zu bilden. Das zwölfjährige Abitur verkürzt unsere Lernzeit, wir werden schneller den Bedürfnissen des Marktes angepasst. Wir brauchen mehr LehrerInnen und kleinere Klassen. Wir müssen es sein, die entscheiden, was und wie gelehrt wird.

Mit der Aktion am Freitag wollen wir auch die Gelegenheit nutzen, uns mit den angestellten LehrerInnen zu solidarisieren, die sich in einer Streikwoche befinden. LehrerInnen und SchülerInnen haben dieselben Probleme, es ist der selbe Kampf.

Welche Forderungen der LehrerInnen unterstützt ihr konkret?

Wir schließen uns den Forderungen nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit an. Die Ungerechtigkeit, die jetzt zwischen Angestellten und BeamtInnen herrscht, verdeutlichte ein Lehrer von uns mit einem Beispiel: Zwei SchülerInnen geben in einem Test genau die gleichen Antworten; der eine bekommt eine Eins, der andere eine Drei. Genau das gleiche ist heute bei den LehrerInnen der Fall. Viele von ihnen befinden sich dazu noch in befristeten Arbeitsverhältnissen, wodurch sie überhaupt keine langfristige Verbindung zu den SchülerInnen herstellen können. Dazu kommt, daß auf die Altersunterschiede keine Rücksicht genommen wird und so BerufseinsteigerInnen und Ältere häufig überfordert sind. Deshalb ist auch die Forderung nach altersgerechten Arbeitsbedingungen gerechtfertigt. Jede Mehrbelastung bekommen letzten Endes wir SchülerInnen zu spüren, darum ist der Protest wichtig und notwendig.

Unterstützen sich SchülerInnen und LehrerInnen gegenseitig?

Wir von „Red Brain“ waren bei den letzten Warnstreiks der LehrerInnen immer aktiv dabei. Viele LehrerInnen haben uns gesagt, dass sie diese Form der Politik sehr gut finden. An unserer Schule haben wir diese Woche einen Projekttag veranstaltet, an dem LehrerInnen allen SchülerInnen erklären konnten, warum sie streiken. Das war eine wichtige Aktion, um die Solidarität herzustellen.

Bei vergangenen Schulstreiks wurden mehr Mitbestimmung und eine Demokratisierung des Bildungssystems gefordert. Sind LehrerInnen dafür zu gewinnen?

Auch sie haben ein Interesse daran, über die Lehrpläne mitzudiskutieren. Durch die Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur auf zwölf Jahre herrscht großes Durcheinander. Wenn LehrerInnen und SchülerInnen gemeinsam entscheiden können, was und wie sie lernen beziehungsweise lehren wollen, wäre das ein Gewinn für beide Seiten.

Sind SchülerInnen nicht begeistert, wenn wegen LehrerInnenmangel oder Streiks der Unterricht ausfällt?

Es ist schon bezeichnend für das Schulsystem, das wir haben, wenn wir uns freuen, einmal eine Auszeit davon nehmen zu können. Doch darüber hinaus haben viele SchülerInnen Verständnis für die Forderungen der Lehrer. Sie sehen ja ständig ihre große Belastung. Wenn ein Lehrer zehn verschiedene Klassen zu betreuen hat, bekommen wir sehr wenig Hilfe. Wir SchülerInnen profitieren davon, wenn LehrerInnen mehr Zeit für die Vorbereitung des Unterrichtes haben und auch, wenn Gerechtigkeit im Kollegium herrscht.

Die Landesschülersprecherin von Berlin wandte sich gegen die Streiks. Wie schätzt ihr die Stimmung an den Schulen ein?

Sie hatte ihre Ablehnung damit begründet, daß die Streiks auf Kosten der SchülerInnen gingen, wenn sie während den Prüfungen stattfinden. Das stimmt jedoch hinten und vorne nicht: Die meisten Prüflinge freuen sich, wenn die Prüfungen verschoben und sie mehr Zeit zum Lernen bekommen. Wegen der Streiktaktik der GEW finden sowieso fast alle Prüfungen wie geplant statt.

Im Allgemeinen steht die SchülerInnenschaft mehrheitlich hinter den Aktionen der LehrerInnen, vor allem, wenn diese mit ihren Klassen reden und ihnen die Ziele erklären. Wir können nur gemeinsam für ein besseres Schulsystem, bessere Arbeits- und Lernbedingungen kämpfen. Dabei sind Streiks unerlässlich, da wir so den Bildungsalltag lahmlegen und unseren Forderungen Nachdruck verleihen können.

Was plant ihr konkret für Freitag?

Wir werden gemeinsam mit unseren LehrerInnen um zehn Uhr zum S-Bahnhof Greifswalder Straße gehen. Dort werden wir uns mit den anderen SchülerInnen treffen und zusammen zum Streikcamp der GEW am Molkenmarkt ziehen. Die Solidarität und die Einheit der Lernenden und Lehrenden darf sich nicht auf Worte beschränken, sondern muss praktisch sein. Diese erste Aktion kann nur der Anfang sein.

dieses Interview in der jungen Welt

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