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Ich feiere die PARTEI, aber wähle sie trotzdem nicht

09.09.2016, Lesezeit 5 Min.
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„Hier könnte ein Nazi hängen“, titelt die „Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative“ (Die PARTEI) im Wahlkampf um das Abgeordnetenhaus von Berlin. Der Wahlkampf ist geprägt von Alternativlosigkeit und reaktionären Vorschlägen über „Sicherheit“. Ist die PARTEI der Lichtblick im Sumpf?

Es macht Spaß, am Kottbusser Tor zu chillen und über „duzi duzi du opfer“ zu feiern. Die etablierten Parteien sind einfach echt alle nicht wählbar. Und ihre Wahlplakate sind entweder alle inhaltsleer oder reaktionär.

Das dachten sich auch Leute beim Satiremagazin Titanic:

[Ich wusste] 2004 nicht mehr, wen ich wählen soll. Ich saß mit anderen Redakteuren in der Titanic-Redaktion zusammen, und wir stellten fest, dass es für uns keine Protestwahlmöglichkeit gab. Da haben wir gesagt: Gut, dann gründen wir unsere eigene Partei.“ – Martin Sonneborn, GröVaZ (Größter Vorsitzender aller Zeiten)

Den Aufwand, den die Redaktion der Titanic in die PARTEI steckte, macht man nicht einfach so, weil man es lustig findet. In einem Interview sagte Sonneborn:

Und wenn Satire keine neuen Wege aufzeigen, nicht mehr aufklärerisch wirken kann, dann ermöglicht sie doch zumindest noch immer ein befreiendes Lachen und insofern eine befriedigende Kanalisation dieses Schwachsinns.

Und in einem weiteren Interview:

Wir haben zwar satirische Wahlprogramme und auch einen authentischen Willen zur Macht, aber wir haben auch humanistische Ansätze. Wir sind dafür, dass diese Umverteilung von unten nach oben, die es zurzeit in Deutschland gibt, umgekehrt wird. Wir haben das in satirische Forderungen gefasst. Auf einem Wahlplakat haben wir versprochen, wenn man uns wählt, lassen wir die 100 reichsten Deutschen umnieten. Ich glaube, es fehlt vielen der Wille, dieses Land etwas gerechter zu machen. Ohne Rücksicht auf Lobbyisten und Wirtschaftsinteressen. Das wird es erst geben, wenn wir an der Macht sind.

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Die PARTEI will durch ihre Satire die ganze Heuchelei der bürgerlichen „Demokratie“ aufzeigen. Ihre Strategie ist darauf ausgerichtet, die öffentliche Meinung zu beeinflussen und so die Politiker*innen unter Druck zu setzen, damit sie etwas verändern.

Sie erkennen das Problem, dass diese Demokratie nur im Sinne der Banken und Konzerne funktioniert und machen darauf aufmerksam. Das ist ein großes Verdienst der PARTEI. Sie machen den Wahlkampf erträglich und unterhaltsam. Ein weiteres Verdienst.

Wille zur Macht

Aber sie glauben, dass nur „der Wille“ in der Politik fehlt. Wenn mit den Wahlergebnissen gezeigt werden kann, dass breite Teile der Menschen mit der politischen Kasten unzufrieden sind, müsste das in einer funktionierenden Demokratie eigentlich etwas verändern, oder?

Doch wir leben nicht in einer „funktionierenden Demokratie“, sondern in einem Regime, das die Interessen der Kapitalist*innen durchsetzt. Wirkliche Verbesserungen werden nie durch Wahlen, sondern müssen mühsam durch Streiks und Demonstrationen erkämpft werden.

Und wenn dieser „parlamentarische Weg“ nicht funktioniert, dann will die PARTEI wenigstens ein bisschen von dem Schmerz und der Wut kanalisieren, die eine*n ergreift, wenn man dazu verdammt ist, in der Epoche des Imperialismus zu leben.

Diesen Job macht die PARTEI großartig. Aber statt ihre Satire dazu zu nutzen, Jugendliche und Arbeiter*innen dazu zu bewegen, für ihre eigenen Rechte zu kämpfen, sollen wir zu den Wahlen gehen und halt dieses Kreuz machen. Und irgendwie auch gegen die AfD stimmen.

Gegen die AfD?

Denn Kampagnen gegen die AfD macht die PARTEI auch. Zum Beispiel in Wilhelmshaven – und zwar gemeinsam mit den Grünen, der SPD und einer örtlichen „Bürgerbewegung“. Auf „AfD – was sonst“ antwortet das Bündnis: „Was sonst? Pest, Cholera, Ebola – Alles ist besser“.

Natürlich ist es super, eine Kampagne gegen die AfD zu machen. Aber es ist nicht ganz unwichtig, mit wem eine solche Kampagne läuft. Gerade SPD und Grüne haben unter Schröder mit der Agenda2010 die Arbeitsbedingungen extrem verschlechtert und viele in eine prekäre Lebenssituation gestürzt. Auf Grundlage der Unzufriedenheit und des Mangels einer linken Perspektive konnte die AfD diese Menschen ansprechen. Eine gemeinsame Kampagne mit diesen Parteien zu führen, bedeutet Werbung für genau die Parteien zu machen, die am Aufstieg der AfD schuld sind.

Wen wählen?

Und nun? Am 18. September könnte ich die PARTEI wählen. Mir ein bisschen mehr Realitätsflucht in die Medien und auf die Straße holen. Protestwählen im Versuch, den etablierten Parteien zu zeigen, dass sie etwas ändern müssen.

Zwar ist für viele die PARTEI nur ein lustiges Hobby. Für andere ein Ausdruck des Protestes ohne klares Ziel. Aber vor allem vertritt die PARTEI eine ganz bestimmte Strategie, Einfluss auf die Politik zu nehmen.

Die PARTEI macht nicht einfach nur Satire – sie ist eine politische Kraft, die auf Vertrauen in die bürgerliche Demokratie basiert. Das ist eine Art und Weise, Veränderungen zu erkämpfen, die meiner Meinung nach nicht funktioniert.

Deswegen werde ich meinen Wahlzettel ungültig machen und meine Kraft nutzen, um den nächsten Schulstreik zu organisieren. Denn #KämpfenLohntSich.

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