„Ich bin gegen den Ausschluss der SAV – auch wenn ich nicht mehr bei [‘solid] bin“

02.04.2018, Lesezeit 8 Min.
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Vor einigen Wochen haben rechte Mitglieder der linksjugend [‘solid] einen Ausschlussantrag gegen die Sozialistische Alternative (SAV) veröffentlicht. Damit versuchen sie linke Gruppierungen aus dem Jugendverband zu ekeln. Überraschend ist das allerdings nicht. Eine Analyse eines ehemaligen Mitglieds der Revolutionären Linken (RL).

Der Ausschlussantrag strotzt nur so vor Lügen. Jede*r, der*die die SAV nur ein bisschen kennt, weiß, dass es ihnen nicht nur darum, geht Geld für ihre Organisation abzugreifen. Sie sind auch sicher keine straffe Kaderorganisation, wie die Quelle, die der Ausschlussantrag angibt, ironischerweise auch belegt. Die Behauptung, sie hätte parallel zu einem Feminismus-Arbeitskreis einen Flyer erstellt, in dem es um Feminismus geht, ist lächerlich in einem Verband, in dem wahrscheinliche jede Ortsgruppe früher oder später schonmal einen eigenen Flyer zu Feminismus erstellt hat. Hier fordern die „Kritiker*innen“ der SAV praktisch also Zentralismus ein, während sie Pluralismus predigen.

Kurzum: Der Antrag ist ein reiner Diffamierungsantrag von rechten [‘solid]-Mitgliedern und einer Hand voll sehr verwirrten „Linken“, denen die linkere Politik der SAV nicht passt. Gleichzeitig befinden sie sich in der Klemme, dass sie ihrem Paradigma der Pluralität nicht widersprechen dürfen. Also versuchen sie die SAV zu diskreditieren und damit einen Ausschluss zu rechtfertigen. Dass der Antrag nicht über den normalen, internen Weg verbreitet und diskutiert wurde, sondern zu einer öffentlichen Kampagne gegen die SAV geworden ist, zeigt seinen Charakter nur zu gut. Wären die Vorwürfe wirklich wahr und sie würden wirklich gegen die Satzung verstoßen, könnte man sie auch viel einfacher aus [‘solid] ausschließen.

Kritische Solidarität mit der SAV

Dass das kein solidarischer Umgang unter Linken und dieser Antrag einfach nur erbärmlich ist, will ich an dieser Stelle aber nicht diskutieren. Selbstverständlich solidarisiere ich mich mit der SAV gegen diesen Antrag. Dennoch habe ich Kritik an ihrer Politik und denke, dass diese Situation ein Ausdruck dessen ist, was die SAV nicht macht. Das soll und muss unbedingt als solidarische Kritik unter Linken verstanden werden, deren Ziel es ist, in der Diskussion weiter zu kommen und nicht andere zu diffamieren. Ich distanziere mich an dieser Stelle auch ausdrücklich von allen, die diesen Text für ihre eigenen Zwecke gegen die SAV missbrauchen wollen. (Damit sind vor allem diejenigen gemeint, die diesen Antrag verfasst und/oder unterstützt haben!)

Von der Defensive …

Der Antrag und die Politik, die dahintersteht, sind nicht vom Himmel gefallen oder spontan entstanden. Ihre Ursachen liegen im Rechtsruck der Linkspartei und ihres Jugendverbandes. In den letzten Jahren haben Ramelow und Konsort*innen nicht nur bewiesen, dass ihre Politik in der Regierungspraxis Sozialabbau, Abschiebung und Privatisierung bedeutet, sondern sie sind auch programmatisch nach rechts gerückt. Im Kampf gegen Rassismus hat die Linkspartei sich vom Kampf auf der Straße teilweise hin zu rassistischen Forderungen entwickelt. Sie ist von der Protestpartei gegen Hartz IV, die sie bei ihrer Gründung vor über zehn Jahren war, zu einem starren bürokratischen Apparat geworden, den man bestenfalls noch als Wahlkampfverein bezeichnen kann.

Die SAV, aber auch andere linke Ortsgruppen, haben gegen diese Rechtsentwicklung der Partei und damit auch der Jugendorganisation, ein Sammelbecken linker Kräfte namens Revolutionäre Linke (RL) aufgebaut, um eine Alternative zu dieser Politik des Klassenverrats und der Passivität zu organisieren. Man muss an der Stelle auch loben, dass die Revolutionäre Linke sicher aktiver ist als die meisten anderen Ortsgruppen. Sie sind bundesweit besser vernetzt und politisch homogen genug, um wirklich zusammen zu arbeiten. Auch wenn sie viele richtige Positionen vertreten, halten sie immer noch an der Pluralität und auch an der Mitarbeit in [‘solid] fest.

Darin liegt auch eins ihrer Hauptprobleme. Kern des Pluralismus ist es, dass verschiedene Positionen nebeneinander existieren können, ohne inhaltliche Debatten führen zu müssen. Pluralismus in diesem Kontext bedeutet die friedliche Koexistenz von Revolutionär*innen und Regierungssozialist*innen in einem Verband. Einen solchen Pluralismus brauchen wir nicht. Beide Seiten schließen eine Art Burgfrieden, bei dem jede Ortsgruppe recht isoliert von politischen Konflikten der Bundesorganisation arbeiten kann.

Damit rauben sie sich auch die Möglichkeit große Kampagnen durchzuführen. Was es bedeutet, geschlossen nach außen aufzutreten, hat die RL an der ein oder anderen Stelle schon angedeutet. Würde [‘solid] es schaffen, eine große Kampagne gegen den Rechtsruck zu machen, wäre das eine der größten Kampagnen der letzten Jahre. Die pluralistische „Praxis“ sieht aber so aus, dass alle machen, was sie wollen und es nicht mal von Bedeutung ist, was der Bundeskongress beschließt. Der Funke analysierte dazu treffend: „Viele Beschlüsse des höchsten Gremiums verschwinden oftmals in der Schublade – wodurch die Frage nach dem Sinn und Zweck von Bundeskongressen provoziert werden kann.“

Dass die Debatten nicht geführt und ausgetragen werden, nutzt am Ende aber nur der Bürokratie, die Posten abgreift und die Organisation in der Hand hat. Dass die SAV am Pluralismus festhält, bringt sie nur in die Defensive, wo sie immer weiter angegriffen wird. Ihre eigentliche Position rückt durch viele Kleinkriege in den Hintergrund. Die Kampagne jetzt schadet hauptsächlich der RL und sie wird auch sicher nicht die letzte dieser Art gewesen sein.

Die SAV versucht, sich parallel zum Reformismus in [‘solid] aufzubauen, anstatt ihn zu konfrontieren, ohne einen eigenen Führungsanspruch in der Jugendorganisation zu formulieren- und das obwohl sie zweifelsfrei der größte Flügel sind.

… in die Offensive

An dieser Stelle liegt auch ihr Problem. Indem sie mit rechten Reformist*innen und Antideutschen, also politischen Gegner*innen, in einer Organisation ist, schadet sie ihrem Aufbau ungemein. Die SAV verstrickt sich immer wieder in internen, unpolitischen Kämpfen, die sie nur behindern, linke Politik zu machen. Dadurch schaffen sie es auch nicht – auch auf Grund ihres Unwillens die Pluralität aufzugeben – eine stärkere Position in [‘solid] einzunehmen. Natürlich ist es gut und richtig, dass es Diskussionen in Organisationen gibt, aber, wenn diese nicht überwindbar sind und wie in diesem Fall sogar verschiedene Klassenstandpunkte aufeinandertreffen und mit feigen Diffamierungen gearbeitet wird, haben Diskussionen wenig Sinn.

Dafür braucht es politische Klarheit und eine lebendige Diskussion darum, wie man als Organisation besser und politisch klarer wird. Vermeintlich unpolitische Grabenkämpfe oder das Vermeiden von jeglicher Auseinandersetzung führen ganz sicher nicht dazu. In letzter Konsequenz ordnet sich die SAV gerade der reformistischen Führung unter, indem sie nicht offensiv dagegen kämpft. Sie müssen für eine Offensive allerdings mit dem Pluralismus und damit auch mit dem Reformismus brechen. Es bringt nichts, zu versuchen ihre lokalen Kämpfe parallel zur [‘solid]-Leitung (LSpR) zu vernetzen, aber nicht nach der Führung in der Gesamtorganisation zu streben, die man maßgeblich mit aufbaut. So überlässt man am Ende politischen Gegner*innen die Führung in der Organisation.

Die SAV sollte den Führungskampf um [‘solid] aufnehmen, mit dem Ziel, einen revolutionären Jugendverband zu aufzubauen. Das würde bedeuten, Regierungssozialist*innen und Antideutsche aus [‘solid] rauszuwerfen. Auch wenn sie damit scheitern sollte, könnte die SAV einen größeren Teil abspalten, mit der man eine unabhängige, revolutionäre Jugendorganisation aufbauen könnte. Dafür reicht reine Symptombekämpfung gegen Hetzkampagnen aber nicht aus. Sie muss in die Offensive gehen und Kampagnen gegen den Reformismus, die Politik des Klassenverrats und den rechten Flügel machen. Sie könnte den Kampf gegen den Reformismus auch nutzen, um [‘solid] mit mehr politischen Inhalt zu füllen. Es würde sicher viele Jugendliche anziehen, wenn man eine bundesweite, organisationsübergreifende Kampagne gegen Rassismus und die AfD, verbunden mit sozialen Forderungen, anstößt. Wenn sie den Reformismus allerdings nicht konsequent bekämpft, wird sie langfristig davon nur weiter Schaden tragen. Es wäre – trotz aller politischen Kritik – auf jeden Fall schade, wenn die aktive Aufbauarbeit der SAV teilweise unter den Rädern der Bürokratie enden würde.

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