Hunderttausende kämpfen in Madrid für ein besseres Gesundheitswesen

14.02.2023, Lesezeit 6 Min.
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Bild: Montecruz Foto

Angeführt von den streikenden Arbeiter:innen aus dem Gesundheitssektor gingen am 12. Februar Hunderttausende Menschen auf die Straßen Madrids.

Vier riesige Demonstrationszüge aus allen Vierteln der spanischen Hauptstadt trafen Sonntag, den 12. Februar, am „Cibeles-Platz“ zu einer Großdemonstration zusammen. Die streikenden Beschäftigten des Gesundheitswesens, die streikenden Ärzt:innen, gemeinsam mit Nachbarschaftsorganisationen zur Verteidigung der öffentlichen Gesundheitsversorgung und viele solidarische Organisationen und Menschen gingen am in Madrid auf die Straße, um den ständigen Angriffen auf die öffentliche Gesundheit und der prekären Situation der Beschäftigten entgegenzutreten.

Lucía Nistal, Sprecherin der „Corriente Revolucionaria de Trabajadores y Trabajadoras“ (dt.: Strömung für revolutionäre Arbeiter:innen; AdÜ.: eine Schwesterorganisation von RIO), kurz CRT, und Natalia Lago, Mitglied der Studierendengruppe „Contracorriente“, führten einen großen Block von Arbeiter:innen und Student:innen an.

„Wir sind hier, um diese große Demonstration zu begleiten. Die CRT ruft dazu auf, für einen Generalstreik zur Verteidigung des Gesundheitswesens und der öffentlichen Dienste zu kämpfen. Angefangen bei der vollen Unterstützung der laufenden Streiks müssen wir die Isolation durchbrechen, in der die Gewerkschaftsbürokrat:innen stecken. Deshalb schlagen wir vor, für das Zusammenführen aller Streiks zu kämpfen. Die Einheit von Arbeitnehmer:innen, Nachbar:innen und Student:innen ist die einzige Möglichkeit, die Privatisierung der öffentlichen Gesundheitsversorgung zu stoppen. Und dies ist natürlich ein Kampf gegen Ayuso (AdÜ.: Mitglied der Partido Popular und Regierungspräsidentin von Madrid). Es ist aber auch ein Kampf gegen die angeblich „fortschrittliche“ Regierung, die ebenfalls für den Abbau und die Verschlechterung der Gesundheitsversorgung verantwortlich ist. Wir haben bereits während der Pandemie gesehen, dass keine Regierung die Interessen der Pharmaunternehmen oder der Privatkliniken berühren wollte, was das Leben von Millionen von Menschen kostete.“, sagte Lucía Nistal bei der Kundgebung.

Edurne, Auszubildende in der Pflege und Aktivistin von „Brot und Rosen“, wies ihrerseits darauf hin:

Wir sind heute mehrere tausend Menschen in einer der größten Mobilisierung der Geschichte Madrids. Wir sind hier zur Verteidigung der Gesundheitsversorgung und der öffentlichen Dienste. Ein Gesundheitssystem, das jahrzehntelang von den Regierungen der PP und der PSOE sowie von Unidas Podemos demontiert und unterfinanziert wurde, wie im Falle der derzeitigen „progressiven“ Regierung. Eine Gesundheitsfürsorge, die Isabela Diaz Ayuso in Madrid nun an den privaten Sektor zu verkaufen versucht, indem sie unsere Grundversorgung abbaut.

Das Gesundheitssystem in Madrid befindet sich in einer dramatischen Situation. Wie im übrigen spanischen Staat ist die Primärversorgung in der Hauptstadt unterfinanziert, was zu einer unmöglichen Situation für die Beschäftigten und zu einer Überlastung der Gesundheitsversorgung führt. Die Stadtregierung der Regierungsvorsitzenden Isabel Diaz Ayuso stellt elf Prozent des Gesundheitsbudgets für die Primärversorgung zur Verfügung – ein Wert, der weit von den der WHO empfohlenen 25 Prozent entfernt ist. Der Mangel an Mitteln erstreckt sich auf das gesamte Gesundheitssystem. Madrid ist die Region mit den niedrigsten Gesundheitsausgaben pro Einwohner:in. Die jährlichen Pro-Kopf-Ausgaben belaufen sich auf 1.284 Euro und liegen damit weit unter dem spanischen Landesdurchschnitt von 1.808 Euro. Beide liegen jedoch noch weiter weg vom EU-Durchschnitt von 2.244 Euro.

Um diesen Kampf zu gewinnen, ist der Fokus auf die Einheit aller Sektoren der Arbeiter:innenklasse entscheidend. Nicht nur zwischen verschiedenen medizinischem Fachpersonal in den Krankenhäusern, sondern auch zwischen Festangestellten, Zeitarbeiter:innen und den Beschäftigten in ausgelagerten Unternehmen, denn in Spanien sind insgesamt nur 47,2 % der Beschäftigten des öffentlichen Gesundheitswesens fest angestellt.

Die Breite der Mobilisierungen zeigt, dass die Möglichkeit besteht, den Kampf zur Verteidigung der Gesundheitsversorgung erheblich auszuweiten und die gesamte Arbeiter:innenklasse und breite Bevölkerungsschichten in diesen Kampf einzubeziehen, denn die öffentliche Gesundheitsfürsorge ist eine hart erkämpfte Errungenschaft der Arbeiter:innen. Der Angriff auf das Gesundheitssystem beweist mal wieder, dass die Folgen der Krise auf dem Rücken der Beschäftigten abgewälzt werden sollen. Währenddessen erhöht die Regierung, die sich als Sozialdemokrat:innen und Linke verstehen, die Budgets für die imperialistische Aufrüstung. Die Lebensmittelpreise stiegen um 15 Prozent. Banken und Unternehmen wie Inditex und Mercadona machen derzeit Rekordgewinne. Gleichzeitig werden weiterhin Gelder in den öffentlichen Diensten gekürzt, Stellen abgebaut und ein Pakt zwischen Gewerkschaften, Arbeitgeber:innen und der Regierung aufrechterhalten, der die Lohnentwicklung weit unter dem Anstieg der Inflation hält.

Es ist von entscheidender Bedeutung, den Kürzungen des öffentlichen Gesundheitswesens durch den Kampf auf der Straße entgegenzutreten. Die Vorstellung, dass es dieses Problem nur in Madrid mit der PP-Regierung gibt, ist absurd. In anderen Regionen, die von den „progressiven“, PSOE-Podemos regiert werden, und auch in Katalonien herrscht die gleiche Krise des Gesundheitssystems. Angesichts der Lüge des Reformismus, befüttert durch die Logik des kleineren Übels, dass die Demonstrationen für den Gesundheitssektor „an der Wahlurne“ (durch die Stimmabgabe für die PSOE, Podemos, Sumar oder Más Madrid) zum Erfolg geführt werden muss, widersetzen wir uns. Wir zeigen die Notwendigkeit, den Klassenkampf unabhängig von all diesen Parteien des Regimes zu entwickeln. Für die Koordinierung der Kämpfe, für den Generalstreik im Gesundheitswesen.

Auch in Deutschland kämpfen im Rahmen der TVöD-Verhandlungen die Arbeiter:innen des öffentlichen Dienstes, darunter die Krankenhausbeschäftigten, gegen Privatisierung, Outsourcing und Lohndumping. Sie suchen für die kommenden Tarifauseinandersetzungen Bündnisse mit den Berliner Lehrer:innen (GEW) und Beschäftigten der Deutschen Post (ver.di), um gemeinsam und verstärkt die Forderungen aller derzeitigen Tarifrunden durchsetzen zu können. Sie fordern mindestens 500 Euro mehr Gehalt, beziehungsweise 10,5 Prozent Inflationsausgleich und einen Stopp des Outsourcings, sowie die Wiedereingliederung der Beschäftigten in die Muttergesellschaften. Zusätzlich wird gefordert, dass zukünftig alle Auszubildenden von den Betrieben übernommen werden sollten und auch mindestens 200 Euro mehr Lohn bekommen. Sie machen sich bereit, diese Forderungen notfalls auch mit einem Erzwingungsstreik durchzusetzen.

Was brauchen wir?

Aufgrund der vom Ukrainekrieg ausgelösten Weltwirtschaftskrise, sowie der sich weiter verstärkende Aufrüstung der Nato-Staaten und Russland, werden die Gelder in anderen sozialen Sektoren gekürzt. Es trifft die Beschäftigten der Daseinsvorsorge immer härter. Dieses Phänomen betrifft nicht nur uns in Deutschland oder Spanien, sondern auch viele andere Länder, deren Regierungen in die Aufrüstung investieren, um sich in kommenden Konfrontationen militärisch durchzusetzen und Profite zu sichern.

Überall wird an Pflege, Bildung und Sozialem gespart, um diese Aufrüstung zu finanzieren. Es ist klar und deutlich, wo die Regierenden ihre Prioritäten setzen. Wir brauchen internationale Zusammenschlüsse der Arbeiter:innen dagegen!

Dieser Artikel erschien zuerst auf Laizquierdadiario.es und wurde für ein deutsches Publikum angepasst.

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