Heizungsgesetz: Wo bleiben Vermögens­abgaben und Enteignungen von Immobilien­konzernen?

22.06.2023, Lesezeit 10 Min.
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Foto: Daniel Beckemeier / Shutterstock.com

Die Grünen zeigen mit dem Heizungsgesetz ihr elitäres Verständnis von Klimapolitik. Aber auch die rechte Opposition hat keine Lösungen anzubieten. Energie- und Wärmewende müssen durch Vermögensabgaben und die Enteignung von Konzernen bezahlt werden.

Kaum ein Vorhaben der Ampel-Regierung hat in den letzten Wochen so sehr die Gemüter erhitzt wie die Änderung des Gebäudeenergiegesetzes, in der medialen Debatte vor allem als Heizungsgesetz bekannt. Heftige Kritik an den Plänen aus dem Ministerium von Robert Habeck kam sowohl aus dem eigenen Kabinett als auch von rechts. Das ist durchaus bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass der Kern des Gesetzes schon 2020 unter der letzten Merkel-Regierung verabschiedet wurde. Die jetzigen Änderungen sehen insbesondere vor, dass neu installierte Heizungen zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden müssen.

Bereits im bisherigen Gesetz von 2020 war neben Regelungen zur Wärmedämmung die Vorschrift enthalten, dass Heizkessel maximal 30 Jahre lang in Betrieb sein dürfen. Ein Großteil der Kosten, die auf Hauseigentümer:innen zukommen dürften, ergab sich also bereits aus dem Gesetz unter Merkel. Trotzdem war es damals deutlich geräuschloser durch den Bundestag gekommen. Nun laufen vor allem Konservative und Rechte von Union, Freien Wählern bis AfD Sturm gegen Habecks Vorhaben. Was ist da los?

Unsoziale Reform mit grünem Anstrich

Die zentrale Kritik der Rechten besteht darin, dass die Regierung Hauseigentümer:innen angeblich vorschreiben wolle, welche Art von Heizung sie zu verwenden haben. Tatsächlich war der ursprüngliche Entwurf aus Habecks Ministerium zunächst vor allem auf Wärmepumpen fokussiert. Die geänderte Vorlage, wie sie am 15. Juni im Bundestag debattiert wurde, ist davon deutlich abgerückt. Als nachhaltig eingestuft werden nun auch Holz- und Pelletheizungen, obwohl sie CO2, Methan und Feinstaub ausstoßen. Der Einbau von Gasheizungen ist auch erlaubt, vorausgesetzt, dass sie auf Wasserstoff umrüstbar sind – solche Heizungen sind aber aktuell noch nicht auf dem Markt. Zudem ist als Alternative auch der Anschluss an das Fernwärmenetz vorgesehen. Zu den bestehenden 6,1 Millionen angeschlossenen Haushalten sollen jährlich 100.000 weitere hinzu kommen. Neben den langen Wartezeiten liegt ein Problem auch darin, dass Fernwärme heute zu 80 Prozent aus Gas-, Öl- und Kohleverbrennung stammt. Bis 2028 sollen die Kommunen nun Pläne für die Erschließung mit Fernwärme ausarbeiten, bis dahin können Hauseigentümer:innen auch weiterhin Gasheizungen installieren.

In vielen Fällen werden Wärmepumpen die einzige Option sein. Diese sind tatsächlich deutlich umweltfreundlicher als Gas- und Ölheizungen, vorausgesetzt, dass sie mit nachhaltigem Strom angetrieben werden. Für Eigentümer:innen liegt das Problem aber vor allem in den Anschaffungskosten: Laut dem Vergleichsportal Heizung.de schlägt eine Wärmepumpe mit 8.000 bis 12.000 Euro ins Gewicht, eine Gasheizung ist für 6.000 bis 8.000 Euro erhältlich. Bei Neubauten ist dies eine relativ überschaubare Differenz, vor allem, weil Wärmepumpen im Verbrauch langfristig günstiger sind. Doch alte Häuser müssen unter Umständen umgebaut werden, wodurch die Kosten in die Zehntausende gehen können. Für viele Eigentümer:innen, die möglicherweise noch auf Krediten sitzen oder für eine solche Investition einen großen Teil ihrer Ersparnisse aufwenden müssen, kann dies eine erhebliche Belastung darstellen.

Auf dieses Problem geben aber weder die Regierung noch die Opposition eine adäquate Antwort. Die Ampel will Fördergelder in noch nicht genannter Höher bereitstellen. Diese sollen für große Immobilienbesitzer:innen ebenso ausgeschüttet werden wie für Familien mit Eigenheim oder Rentner:innen. Betroffen von steigenden Kosten sind auch Mieter:innen. Durch die Energieumlage können Vermieter:innen acht Prozent der Sanierungskosten dauerhaft auf die Miete anrechnen, aufgeteilt auf alle Mietparteien. Bei Kosten von 30.000 Euro wären das 200 Euro monatlich.

Bei solchen Kosten für Eigentümer:innen und Mieter:innen ist es kein Zufall, dass die Debatte genau jetzt und nicht schon unter Merkel hochkocht. Die Preissteigerungen im letzten Jahr, besonders bei Energie, Wohnen und Lebensmitteln, haben bei vielen Menschen wirtschaftliche Unsicherheiten hinterlassen. Besonders mit einem grünen Wirtschaftsministerium, das auf die Energieabkopplung von Russland setzt und schon bei der Gasumlage im vergangenen Herbst die Verbraucher:innen zur Kasse bitten wollte, stellt sich die Frage, ob die Kosten immer noch weiter explodieren werden.

Politik für die Konzerne statt für die große Mehrheit

Die Ampel setzt auf eine Energie- und Wärmewende sowie einen Strukturwandel, der die Interessen der Konzerne in den Vordergrund stellt. Aktuell zahlt sie für eine Chipfabrik in Magdeburg zehn Milliarden Euro an Subventionen an den US-Konzern Intel und sechs Milliarden fließen über drei Jahre in die Förderung von E-Autos. Die Grünen haben in den letzten Jahren beste Verbindungen in die Industrie aufgebaut: Beim Branchentreffen der Elektroindustrie, die vom Einbau von Wärmepumpen maßgeblich profitieren, erhielt Habeck besonderen Dank für die Wärmewende. Die Klimapolitik der Ampel und der Grünen im Speziellen ist ein elitäres Projekt, bei dem die Massen für den Umbau der Industrie zahlen sollen, während die Gewinne der Konzerne nicht angetastet werden.

Die Rechten nutzen die Unzufriedenheit mit der Ampel. Aufsehen erregte Hubert Aiwanger, bayerischer Wirtschaftsminister von den Freien Wählern, der auf einer Kundgebung in Erding 13.000 Menschen zurief: „Die schweigende große Mehrheit des Landes muss sich die Demokratie zurückolen und denen in Berlin sagen ‚Ihr habt‘s wohl den Arsch offen da oben‘.“ Auch Ministerpräsident Markus Söder (CSU) versuchte auf selbiger Kundgebung sein Wahlkampfglück, indem er den Grünen vorwarf, „Dinge mit Brachialkur“ umzusetzen. Seine Rede wurde jedoch von lautstarken Pfiffen und Buhrufen gestört – ein Zeichen, dass die Anwesenden sich durchaus an Merkels Gebäudeenergiegesetz erinnerten.

In Gang gekommen waren die Diskussionen zum Heizungsgesetz jedoch erst, nachdem die FDP einen umfangreichen Fragenkatalog an Habecks Ministerium geschickt hatte, in dem unter anderem die Fragen nach der Finanzierung und der „Technologieoffenheit“ gestellt wurden. Unter letzterem verstehen die Rechten die Möglichkeit, gemäß der „Freiheit des Marktes“ auch umweltschädliche Heizungsanlagen zuzulassen. Es ist bezeichnend, dass dieses Diskussion zunächst von der FDP angestoßen wurde, von der anzunehmen ist, dass sie die Grünen damit bewusst in Misskredit ziehen wollte, als Druckmittel innerhalb der Koalition und um eine Öffnung der Debatte nach rechts zu forcieren. Darauf sprang auch CDU-Chef Friedrich Merz genüsslich an, der Bundeskanzler Olaf Scholz vorwarf, seinen Laden nicht im Griff zu haben und kürzlich gar die Möglichkeit von Neuwahlen ins Spiel brachte. Auch die AfD stürzte sich natürlich auf die Kontroverse. Ohne irgendeine Rücksichtnahme auf das Klima will sie, dass jede:r für sich selbst entscheidet, welche Heizung er:sie verwendet. Dass der Gebäudesektor mit 40 Prozent für den größten Teil an CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich ist, ignoriert sie dabei.

Während die Ampel die Verbraucher:innen für die Energie- und Wärmewende zahlen lassen will (dabei aber auch weiterhin auf Kohlestrom setzt), ist die Kritik von Rechten und Konservativen völlig heuchlerisch und demagogisch. Sie haben selbst kein Konzept, wie klimaschädliche Energiequellen und Heizungen durch umweltschonende Anlagen zu ersetzen sind, ohne die Massen dafür zahlen zu lassen. Im Bundestag brachte lediglich DIE LINKE einen sozialen Aspekt in die Debatte ein, nämlich dass die Energieumlage zu streichen sei, dass also die Kosten für Sanierungen nicht auf die Mieter:innen abzuwälzen sind – die AfD war dagegen, diesen Antrag überhaupt zur Lesung zuzulassen. Die Forderung der LINKEN ist sicherlich richtig, wenn auch äußerst minimal. Eine Antwort darauf, wie Energie- und Wärmewende geschehen sollen, bietet dies auch nicht. Ebensowenig erhalten verunsicherte Hauseigentümer:innen eine Antwort, denen tausende oder gar zehntausende Euro an Kosten entstehen könnten.

Kapital und Regierung werden das Klima nicht retten

Es ist dringend notwendig, den Klimawandel zu bremsen, indem der CO2-Ausstoß in den zentralen Bereichen wie Energie, Verkehr und Gebäuden drastisch reduziert wird. Der Plan der Bundesregierung kann dies nicht leisten. Sie schiebt die Kosten auf die Armen, Familien, Rentner:innen und Arbeiter:innen, die unter hohen Preisen leiden. Gleichzeitig sind ihre Pläne viel zu langsam und tasten die Profitinteressen der großen Konzerne nicht an. Gemäß des aktuellen Gesetzentwurfes wird der Betrieb von Gasheizungen bis 2044 weiter möglich sein. Zugleich gibt es zahlreiche Ausnahmen wie für Holzöfen, die inkonsequent und klimaschädlich sind.

Ähnlich widersprüchlich ist die Klimapolitik der Ampel in Bezug auf das Verkehrswesen, wo sie Autobahnen bauen lässt oder die Energieproduktion, wo sie mit dem Abbaggern von Lützerath die Verfeuerung von Kohle für einige Jahre nochmal intensivieren will. Die am Mittwoch im Kabinett nach langem Hin und Her verabschiedete Reform des Klimaschutzgesetzes verzichtet zudem  auf verpflichtende Vorgaben für Wirtschaftsbereiche und deren CO2-Ausstoß. Sofortprogramme zur Einsparung von CO2, die die Ministerien verpflichtend vorlegen müssen, entfallen durch die Reform ebenfalls.

Es zeigt sich, dass die Bourgeoisie sich selbst nicht einig ist in der Frage der Umstellung der Wirtschaft auf einen „Grünen Kapitalismus“. Verschiedene Sektoren, die in FDP, Union und AfD, teils auch der SPD eine Vertretung finden, wollen sehr gerne mit Verbrenner-Technologien und fossilen Rohstoffen weiter Geld verdienen.

Zum Klimaschutz braucht es dringend eine Wärmewende, die jedoch nicht von kleinen Eigentümer:innen und Mieter:innen bezahlt oder aus Steuermitteln subventioniert werden sollte, sondern aus Vermögensabgaben bezahlt werden muss. Die 3.000 reichsten Deutschen halten ein Vermögen von einer Billion Euro (1.000 Milliarden). Die Bundesregierung rechnet damit, dass die Umstellung der Heizungen der privaten Haushalten in den kommenden Jahren neun Milliarden kosten wird – eine Summe, die leicht von den Geldern der Superreichen aufzubringen ist.

Darüber hinaus müssen Mieten eingefroren und Immobilienkonzerne unter Kontrolle der Beschäftigten und Mieter:innen enteignet werden. Nur so lässt sich garantieren, dass mit Mieterhöhungen, Spekulationen und Sanierungen keine Profite gemacht werden. Eine Wärmewende ohne eine solche Maßnahme muss zwangsläufig zu höheren Mieten führen. Der Berliner Volksentscheid Deutsche Wohnen und Co. enteignen sah die Vergesellschaftung durchaus vor, wurde jedoch von der rot-rot-grünen Koalition nicht umgesetzt.

Hier zeigt sich die Schwäche der parlamentarischen Strategie der LINKEN, die nicht in der Lage ist, selbst minimale Foderungen wie die Abschaffung der Energieumlage, geschweige denn Enteignungen umzusetzen. Die Arbeiter:innenklasse allein kann eine Antwort bieten, die die Umwelt mit der sozialen Frage verbindet. Die Gewerkschaften müssen mit einem Programm für die Verstaatlichung des Energiesektors, der Schlüsselindustrien, Verkehrsbetriebe und Wohnungskonzerne mobilisieren. Das wäre ein erster Schritt in Richtung der Perspektive einer demokratischen Planwirtschaft, die allein in der Lage ist, die notwendigen Maßnahmen für den Umbau von Gebäuden und Wirtschaft einzuleiten und so die anstehende ökologische Katastrophe abzuwenden.

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