Hanna muss wieder kämpfen und du auch

23.03.2023, Lesezeit 5 Min.
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Foto: Maxi Schulz

Am vergangenen Freitag hat das BMBF ein Eckpunktepapier zur Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) vorgelegt. Der Entwurf verheißt nichts Gutes.

Als wären die Arbeitsbedingungen für wissenschaftlich Beschäftigte an den Hochschulen nicht schon prekär genug, kam am vergangenen Freitag das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) um die Ecke und will alles noch ein bisschen schlimmer machen. In einem Eckpunktepapier werden Vorschläge gemacht, wie das WissZeitVG reformiert werden könnte, um “verlässliche Arbeitsbedingungen”, “Planbarkeit” und “Verbindlichkeit in der Postdoc-Phase” zu erreichen.

Zur Erläuterung: Das WissZeitVG regelt die Befristung von Arbeitsverträgen des wissenschaftlichen Personals, also des akademischen Mittelbaus, an den Hochschulen und Universitäten. Derzeit werden nach diesem Gesetz wissenschaftlich Beschäftigte ohne besonderen Sachgrund bis zu sechs Jahre befristet beschäftigt. Nach der Promotion ist eine weitere Befristung von sechs Jahren möglich. In beiden Phasen muss die jeweils nächste Qualifikationsstufe (also Promotion und Habilitation) erreicht sein, sonst müssen Beschäftigte entweder entfristet werden oder es gibt es keinen Arbeitsvertrag mehr an der Hochschule.

Die prekären Arbeitsbedingungen, die sich aus diesen Regelungen ergeben, sind in den letzten Jahren viel diskutiert und durch die Kampagne #IchbinHanna bekannt geworden. Die Beiträge tausender Wissenschaftler:innen unter diesem Hashtag erzählen von ständigen Befristungen, Zeit- und Konkurrenzdruck, der damit einhergehenden Planungsunsicherheit und der mangelnden Qualität in der Lehre. Doch anstatt auf die Forderungen des Mittelbaus einzugehen und Dauerstellen für alle wissenschaftlich Beschäftigten zu garantieren, liest sich das Eckpunktepapier des BMBF wie ein schlechter Witz.

Professor:in werden in drei Jahren?

Für Doktorand:innen würde sich durch die vorgeschlagenen Änderungen nichts daran ändern, dass sie oft nur Teilzeitstellen erhalten und ihnen darüber hinaus wenig Zeit für die eigene Qualifikationsarbeit eingeräumt wird. Künftig sollen Doktorand:innen zwar einen Erstvertrag mit einer Mindestlaufzeit von drei Jahren erhalten (eine Promotion dauert im Schnitt 5,7 Jahre), allerdings ist zu beachten, dass es sich hierbei nur um eine unverbindliche Empfehlung handelt, die im Hochschulkontext erfahrungsgemäß mit aller Regelmäßigkeit umgangen wird.

Besonders problematisch ist jedoch der Vorschlag für Postdocs. Hier soll die maximale Beschäftigungsdauer auf Qualifikationsstellen von sechs auf drei Jahre verkürzt werden. Innerhalb von drei Jahren müsste es Postdocs also gelingen, sich für eine Professur zu qualifizieren (in einigen Bereichen immer noch durch eine Habilitation, die dann innerhalb von drei Jahren abgeschlossen sein muss), die Wissenschaft zu verlassen oder eine Dauerstelle zu erhalten. Da es aber kaum unbefristete Stellen oder gar Tenure-Track-Stellen an den Universitäten gibt, ist dies für viele kaum möglich. Ausgeschlossen sind vor allem diejenigen, die nicht nur von morgens bis abends an Publikationen, Drittmittelanträgen und Vorträgen arbeiten können, sondern auch Kinder haben oder Angehörige pflegen. Das sehen sogar hunderte von Professor:innen so, die eine Stellungnahme gegen die geplante Novellierung veröffentlicht haben:

“Wir sind fassungslos angesichts der Realitätsferne, die sich darin zeigt. Besonders erschreckend sind die nur noch 3 Jahre, die den Post Docs bleiben, um sich weiterzuqualifizieren. Dies kommt einer Nivellierung der Weiterqualifikation nach der Promotion gleich.”

Welche Wissenschaft und Lehre für welche Gesellschaft

Würden diese Regelungen umgesetzt, hätte dies nicht nur negative Folgen für die Beschäftigten. Auch die Lehre, die Betreuung von Abschlussarbeiten und Hausarbeiten würde sich durch Zeitmangel und Arbeitsdruck der Dozierenden weiter verschlechtern. Denn diese wären dann gezwungen, aus Angst um ihren Arbeitsplatz in einem fort Drittmittelanträge zu schreiben. Schon jetzt ist die Forschungslandschaft an den Universitäten stark eingeschränkt. Gefördert wird vor allem Forschung, die unmittelbar bürgerliche Ideologie produziert oder im Falle der Naturwissenschaften der kapitalistischen Verwertung dient. Diese Tendenz wird durch den zunehmenden Zeit- und Konkurrenzdruck und die Abhängigkeit von Drittmittelstellen noch verstärkt.

Deshalb müssen wir als Beschäftigte und Studierende jetzt gemeinsam aktiv werden: Eine wirksame Bekämpfung prekärer Arbeitsverhältnisse an Hochschulen ist nicht durch Appelle möglich, sondern nur im Bündnis mit allen anderen von Prekarisierung Betroffenen, an der Hochschule selbst und darüber hinaus. Dazu gehört der gemeinsame Kampf für einen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte, gegen das Outsourcing von Beschäftigten in den Kantinen und in der Reinigung und für die Abschaffung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes. Einzeln kann niemand gegen Prekarisierung kämpfen. Wir müssen dazu in Gewerkschaften gehen und dort selbstorganisiert tätig werden, damit es Statusgruppen übergreifende Hochschulstreiks gibt, von Studierenden und Beschäftigten zusammen.

Auch wenn das BMBF nach massiver Kritik in den sozialen Medien reagiert hat und angekündigt hat, die Pläne noch einmal zu überarbeiten, gilt es trotzdem gemeinsam zu zeigen, welche Uni wir uns für welche Gesellschaft wünschen. Kommt deshalb zur Protestkundgebung vor dem BMBF in Berlin (Kapelle-Ufer, nähe Hauptbahnhof) an diesem Freitag (24.3.) um 10 Uhr. Das Motto ist ‘Nein zum #WitzZeitVG!

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