Hamster ohne Arzt

10.05.2022, Lesezeit 3 Min.
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Foto: Stockcrafterpro / shutterstock.com

Die Freie Universität Berlin streicht die Notfallversorgung für Haustiere.

Die Freie Universität Berlin gibt laut Pressemitteilung vom 05. Mai ab dem 15. Mai 2022 bis auf Weiteres die 24-stündige Notfallversorgung in ihrer Klinik für kleine Haustiere am Fachbereich Veterinärmedizin auf. Kranke Haustiere könnten dann nachts nicht mehr notbehandelt werden. Der Grund sei Personalmangel.

Das FU-Präsidium begründet den Personalmangel damit, kein qualifiziertes Personal zu gewinnen. Beschäftigten kritisieren indes, dass sich die FU seit Monaten beharrlich weigere, knapp ein Dutzend unbesetzte Haushaltsstellen auszuschreiben und zu besetzen. Das sorge für Marathonschichten beim verbleibenden Personal, siebzehn Beschäftigte sollen daraufhin Kündigungen eingereicht und die Kleintierklinik verlassen haben.

Claudius Naumann, Sprecher der ver.di-Betriebsgruppe: „Die Kündigungen und der Kollaps der Kleintierklinik waren seit Monaten absehbar. Die Beschäftigten müssen erleben, dass die FU entgegen ihrer schönen Worte eben genau das Gegenteil dessen unternimmt, was sie verspricht, den Trend umzukehren und Beschäftigte zum Bleiben zu bewegen. Während die Beschäftigten zusehen müssen, wie ihre Kleintierklinik gegen die Wand gefahren wird, wird vier Autominuten entfernt eine private Tierklinik eröffnet, welche die – von den schlechten Arbeitsbedingungen getürmten –  hoch qualifizierten Kolleginnen und Kollegen einstellt. Naumann und die Betriebsgruppe werben deshalb in diesen Tagen für einen gewerkschaftlichen Protest. „Kämpfen statt kündigen“, steht auf dem Flugblatt, das sie verteilen. Es enthält einen Rechtsberatungsgutschein von ver.di, um Zulagen und Eingruppierungen geltend zu machen.

Die Folgen der Misswirtschaft werden in einem von der ver.di-Betriebsgruppe veröffentlichten Interview einer ehemaligen Tierärztin deutlich. Diese musste neben dem Tagesgeschäft zusätzlich Nacht- und Wochenendschichten leisten, je nach Auftragslage seien nicht mal Ruhezeiten sprich Schlaf möglich gewesen. Die FU drückte sich dann auch noch um die Auszahlung der tariflichen Zuschläge und gruppierte die Tierärztin niedriger ein, als es an anderen Fakultäten üblich und vom Tarifvertrag vorgesehen ist. Die Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz blieben den Personalräten lange verborgen, weil die FU erst unter Androhung rechtlicher Schritte Dienstpläne zustellte.

Stefan Strauß, Pressesprecher der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales, teilte auf Anfrage der JW mit, Kontakt zur örtlichen Beschäftigungsvertretung aufzunehmen und eine umfangreiche Arbeitsschutzkontrolle mit besonderem Augenmerk auf die Einhaltung des Arbeitszeitrechts durchzuführen. Obwohl Arbeitsunfälle den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherungen zu melden sind, läge dem LAGetSi keine Meldung über den bekannt gewordenen schweren Arbeitsunfall an der FU Veterinärmedizin mit einem Bullen aus dem November 2021 vor, und wir haben auch sonst keine dienstlichen Erkenntnisse über einen solchen Vorfall. Wenn eine arbeitszeitgesetzliche Pflicht oder arbeitsschutzbehördliche Auflage zur Dokumentation der Arbeits- und Ruhezeiten besteht und gegen diese verstoßen werde, sei man berechtigt, ordnungsbehördliche Maßnahmen und Ordnungswidrigkeitsverfahren in die Wege zu leiten.

Die Pressestelle der FU teilte der JW auf Anfrage mit, dass dezidierte Gespräche mit der zuständigen Senatsverwaltung geführt würden. Die Pressestelle der Senatsverwaltung für Wissenschaft bestätigte dies. Man befände sich in Gesprächen, deren Ergebnissen könne jedoch nicht vorgegriffen werden.

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