Großer Widerstand gegen den Klimagipfel des Kapitals

07.11.2017, Lesezeit 10 Min.
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Der Beginn des Klimagipfels in Bonn wird begleitet von großen Protesten gegen das „Business-as-usual” der herrschenden Ordnung, das für die Ökosysteme der Erde eine Todeserklärung bedeutet. Zehntausende in Bonn und tausende in der Hambacher Braunkohlegrube bei „Ende Gelände” nahmen an den Protesten teil.

Am gestrigen Montag wurde der 23. Weltklimagipfel (COP23) eröffnet, welcher unter der Leitung des Inselstaates Fidschi steht, jedoch in Bonn abgehalten wird und circa 20.000 Delegierte aus knapp 200 Ländern in die Stadt bringt. Um gegen den Klimagipfel im Dienste der herrschenden kapitalistischen Ordnung ein klares Zeichen zu setzen, demonstrierten in den Vortagen Zehntausende. Dem Ruf eines breiten reformistischen Bündnisses folgten am Samstag zwischen 10.000 und 25.000 Demonstrierende. Etwa 50 Kilometer entfernt rief das Bündnis „Ende Gelände“ zu verschiedenen Aktionen auf, um gegen die „Infrastruktur der Braunkohle“ im Hambacher Tagebau vorzugehen und diese zumindest für einen Tag lahmzulegen.

Der COP23 stellt vereinfacht gesagt ein Arbeitstreffen zur Umsetzung des zwei Jahre zuvor beim COP21 in Paris ausgehandelten Klimaabkommens dar. Nach der kürzlichen Unterzeichnung Nicaraguas haben nun alle Staaten der Welt bis auf Syrien und die USA dem Vertragswerk zugestimmt. Letztere waren unter der Führung des obersten Klimaskeptikers und Lobbyisten der Kohle-, Öl- und Gasindustrie, sowie Lenker des mächtigsten imperialistischen Staates der Welt, Donald Trump, im Juni von dem Deal zurückgetreten. Dies offenbart nicht zuletzt, wie brüchig dieses ohnehin mehr als ungenügende Abkommen ist, welches jedoch von der Bourgeoisie als bahnbrechend gefeiert wurde.

Dies liegt an dem kollektiven Bekenntnis zur Einhaltung des Ziels, die menschengemachte Erderwärmung nicht mehr als Zwei Grad Celsius ansteigen zu lassen, möglichst sogar nicht mehr als 1,5 Grad Celsius. Dieses ambitionierte Ziel soll allerdings weiterhin auf der Grundlage von Selbstverpflichtungen erfolgen, welche alle paar Jahre noch ein bisschen ambitionierter gestaltet werden und damit die Gesamteinsparungen zum Erreichen des gesetzten Ziels vorgeben sollen. Wie genau dies erfolgen soll, wird nun in Bonn ausgehandelt. Und auch, ob ab 2020 die versprochenen 100 Mrd. US-Dollar an Klimareparationen von den imperialistischen Zentren an die abhängigen Staaten fließen sollen oder nicht, von denen bislang nur 3 Mrd. US$ im Jahr ankommen – wenn überhaupt. Es wird offenbar: Die Klimadiplomatie ist eine erneute Totgeburt und ein zum Scheitern verurteiltes Unterfangen. Die jetzigen äußerst unrealistischen Ziele befördern uns bereits in eine Welt von plus drei bis vier Grad Celsius, was wiederum durch Rückkopplungen im Klimasystem noch deutlich größere Sprünge in der Temperatur hervorrufen und eine tödliche Kettenreaktion in Gang setzen könnte, die Milliarden Menschen und das Leben auf der Welt als ganzes in Gefahr bringt.

Proteste auf der Straße

Diesen katastrophalen Aussichten stellten sich am Samstag zehntausende Demonstrant*innen in Bonn entgegen, die dem Ruf eines Bündnisses aus mehr als 100 Umweltorganisationen und zivilgesellschaftlicher Gruppen, sowie Parteien und Gewerkschaften folgten. Auch wenn dieses breite Spektrum an politischen Kräften deutlich auf den Ernst der Lage verwies und entgegen der hohlen Gipfeldiplomatie ernsthafte und sofortige Maßnahmen einforderte, so war den Vertreter*innen dieser Großdemo doch bei all ihrer Vielseitigkeit ein zentraler Aspekt gemein: der Glaube daran, dass die notwendigen Maßnahmen zum Kampf gegen die Klimakrise innerhalb des Rahmens der kapitalistischen Gesellschaftsordnung zu lösen wären. Doch gerade diese Gesellschaftsordnung hat diese Zustände überhaupt erst hervorgerufen. Seit Jahrzehnten werden keinerlei Anstalten gemacht, an diesen grundlegenden Widersprüchen etwas zu ändern; im Gegenteil werden sie sogar noch vertieft. Entsprechend werden die Regierungen um allerlei Feinjustierungen ihrer Klima- und Energiepolitik gebeten. Auch wenn die „größte Klimademo in der Geschichte Deutschlands“ als ein quantitativer Erfolg gesehen werden mag, so offenbart sie doch auch, wie bürgerlich weiterhin die deutsche Umweltbewegung noch immer ist.

Aktionen von „Ende Gelände”

Einen deutlichen Schritt weiter gehen wollte deshalb erneut das Bündnis „Ende Gelände“, welches ebenfalls eine breite Masse an Gruppen und Aktivist*innen zusammen brachte – allerdings aus linksreformistischen bis linksradikalen Spektrum, unter dem Motto „Gemeinsam beenden wir den fossilen Kapitalismus“ und unter der Führung von der (post)autonomen Interventionistischen Linken(IL). Insa Fries, Pressesprecherin von Ende Gelände, machte im Radio Dreyeckland die Absicht der Aktivist*innen klar, die Maskerade des Deutschen Staates aufzudecken:

Die Deutsche Bundesregierung wird versuchen, die Klimaverhandlungen dafür zu nutzen, zu zeigen, dass sie Energiewendemusterland sind und Klimaschutzvorreiter, während das in Wirklichkeit gar nicht passiert. Und wir werden deswegen ins Rheinische Braunkohlerevier gehen und die Bilder der deutschen Klimaverschmutzung um die Welt schicken.

Wichtigstes Ziel der Aktionen am Wochenende war es, die fast 100 Meter hohen Kohlebagger des Kohlereviers zum Stillstand zu bringen. Zwei Demos an der Tagebaukante und mehrere Mahnwachen waren angemeldet. Zu den Blockadeaktionen waren rund 1.000 Aktivist*innen erwartet worden, es erschienen dann aber tatsächlich deutlich mehr: Laut Polizei seien 2.500 Menschen in der Grube gewesen, laut dem Bündnis selbst sogar 4.500 Menschen – sofern diese Angabe stimmt, wäre dies der bislang größte Protest dieser Art gewesen. Am Sonntagnachmittag gelangten alle als „Finger” bezeichneten Teilgruppen der Aktion in die Grube. Während die Bullen versuchten, die riesigen Schaufelradbagger vor Besetzungen zu schützen, wurden diese tatsächlich vom Betreiber RWE aus Sicherheitsgründen abgestellt.

Das Einsatzgebiet, die gewaltigste Grube des Stromkonzerns RWE im Rheinischen Revier, ist eine der größten Kohlenstoffdioxid (CO2)-Quellen der Welt und die größte in ganz Europa. 250.000 Tonnen Braunkohle werden hier täglich gefördert; 80 Mio Tonnen CO2 wurden im Jahr 2016 allein aus den vier Kraftwerken der Region emittiert. Nach wie vor wird circa ein Viertel des deutschen Stroms aus Braunkohle gewonnen. Als besonders dreckiger Energieträger ist diese in der Verstromung jedoch äußerst ineffizient. Ein großer Anteil der geförderten Energiemenge wird in das permanente Abpumpen des Grundwasserspiegels für die Förderung investiert, was stark in den Wasserhaushalt eingreift. Im Rheinland werden fortlaufend eine lange gewachsene Kulturlandschaft und Jahrtausende alte Wälder wie der Hambacher Forst zerstört. Eine Technologie für den Friedhof der Geschichte.

Auch wenn die Aktionen zur „Lahmlegung der Infrastruktur der Braunkohle“ einen deutlichen Schritt weiter gingen als die bunte reformistische Demo in Bonn vom vergangenen Samstag, wurde stets immer wieder die Friedlichkeit des Aktionskonsenses zum „Zivilen Ungehorsam“ betont. Dies nützte wenig, als dann die Einsatzkräfte der Polizei unter der repressiven Einsatzleitung des Aachener Polizeipräsidenten Dirk Weinspach großzügig vom Pfefferspray Gebrauch machten, um die Aktivist*innen vom vermeintlichen Straftatbestand des „Hausfriedensbruchs” abzuhalten. Auch das bereits im Voraus ausgesprochene undemokratische Verbot des Aufbaus jeglicher Protestcamps hat erneut gezeigt, dass der Gewaltapparat des deutschen Staates auf der Seite des Kapitals steht, welches die Existenzgrundlagen von Mensch und Natur weltweit zerstört. Dies ist vollständig und eindeutig zu verurteilen.

Wie bekämpfen wir den „fossilen Kapitalismus“?

Viele der Grundannahmen von „Ende Gelände“ sind richtig. Es dürfen keinerlei Erwartungen an den Gipfel des Kapitals geschürt werden und es muss klar sein: Ein Ausweg aus der Ökologischen Krise ist Handarbeit! Auch ist es richtig, dass das Bündnis den Aspekt der „Klimagerechtigkeit“ betont: Die Folgen des vom imperialistischen System hervorgerufenen Klimawandels treffen die abhängigen Staaten mit Abstand am härtesten – von manchen bleibt bei wenigen Grad globaler Durchschnittstemperatur mehr kaum etwas übrig, wenn ganze Ökosysteme zerstört werden, nicht nur im Falle der Inselstaaten.

Dennoch ist klarzustellen, dass das Ziel, mit einer einzelnen massenhaften Aktion, welche für einen Tag den Betrieb in der Grube lahm legt, Symbolpolitik bleibt. Es soll Druck auf „die Politik von denen da oben“ ausgeübt werden, um grundlegendere Veränderungen zu erzielen. Dies geht im Ergebnis allerdings genauso wenig an die Wurzel des Problems, wie die reformistischen Demos kleinbürgerlicher Umweltorganisationen. Diese Wurzel ist das Privateigentum an Produktionsmitteln.

In einem entscheidenden Punkt offenbart „Ende Gelände“ auch ein reaktionäres Element: Auch wenn wohl vereinzelt Verbindungen zu ver.di bei RWE gesucht wurden, wird die Aktion im Großen und Ganzen völlig ohne eine aktive Teilnahme von Arbeiter*innenorganisationen und besonders völlig vorbei an den Kolleg*innen desselben Betriebes durchgeführt, der Ziel der Aktion ist. So zieht „Ende Gelände“ – freiwillig oder unfreiwillig – letztlich eine Linie zwischen Aktivist*innen und Beschäftigten, die die Aktion als gegen sie gerichtet wahrnehmen müssen. Das treibt die Kolleg*innen schlussendlich in die Arme derjenigen, die um jeden Preis die Kohleindustrie am Laufen halten wollen. Stattdessen müsste es gerade darum gehen, eine langfristige Perspektive mit den Kolleg*innen zusammen zu entwickeln, die zugleich ihre Lebensgrundlage sichert.

Gewiss ist das eine langwierige und aufreibende Arbeit. Nichtsdestotrotz: Wer dem Ziel näher kommen will, „gegen den fossilen Kapitalismus“ zu kämpfen, für die*den führt aus strategischer Sicht keinerlei Weg an der Selbstorganisierung der Arbeiter*innenklasse als revolutionärem Subjekt vorbei. Letztendlich können nur die Kolleg*innen selbst „alle Räder still stehen lassen“ durch ihre Position im Produktionsprozess. Dies ist natürlich eine besonders große Herausforderung in Betrieben, die so direkte und so große naturzerstörerische Auswirkungen haben.

Für eine demokratische und ökologische Planwirtschaft

Der Kampf gegen die Ökologische Krise verlangt einen so tiefgreifenden Wandel, wie ihn keinerlei kosmetische Reformen innerhalb des Systems erreichen können. Für die Arbeiter*innenklasse kann die Erhaltung der eigenen Lebensgrundlagen bei grundsätzlicher Umgestaltung der Produktion letztlich nur in der Perspektive einer demokratischen, sozialistischen und ökologischen Planwirtschaft erfolgen. Alle Bereiche des Lebens und des Wirtschaftens müssen anhand strenger ökologischer Kriterien umgewandelt werden: Die Energieproduktion, der Verkehr, die Industrieproduktion, der Verkehr, die Landwirtschaft, der private Konsum, das Wohnen usw. Dabei muss die vorhandene Arbeit auf alle aufgeteilt und die Arbeitszeit drastisch reduziert werden, sowie der vorhandene technologische Fortschritt für alle verallgemeinert werden. Die starke Drosselung der Produktion in allen ökologisch schädlichen Bereichen und die weitere gezielte Entwicklung der Produktivkräfte in anderen Bereichen, ebenso wie ein historisches Aktionsprogramm gegen die bereits erfolgten und die künftig nicht mehr zu verhindernden Auswirkungen des Klimawandels, sind Stützpfeiler eines Programms, das überhaupt zurBeantwortung dieser fundamentalen Bedrohung der menschlichen Gesellschaften in der Lage ist. Diese gigantische Aufgabe ist immer verbunden mit dem drängenden Faktor immer knapper werdenden Zeit.

Nichtsdestotrotz verlieren wir niemals unseren revolutionären Optimismus. Schon jetzt ist aller Welt klar, wie unfähig die herrschende Klasse zur Bewältigung dieser historischen Herausforderungen ist. Die nächste Überakkumulationskrise steht vor der Tür und wie bereits vor 100 Jahren mit der ersten Machtergreifung des Proletariats in einem Staat bewiesen wurde, kann mit der Entfachung des Feuers der Revolution, mit der Enteignung des Kapitals und dem gigantischen Aufschwung unserer Klasse eine ungeahnte Energie freigesetzt werden, um in Zukunft ohne Ausbeutung, Unterdrückung und Naturzerstörung auf diesem Planeten zu leben.

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