Gewerkschaftsbürokratie: Klotz am Bein der ArbeiterInnen

06.04.2013, Lesezeit 5 Min.
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Mal wieder typisch: Die Forderung der IG Metall zur Tarifrunde 2013 fällt mit 5,5% äußerst gering aus. Dies nicht nur im Vergleich zum Preisanstieg. Das gilt sogar im Verhältnis zur bürgerlichen, also stark untertriebenen, Schätzung der Produktivitätssteigerung der Belegschaft.[1] Der staatstragende Gewerkschaftsapparat möchte wohl jede laute Auseinandersetzung im Wahljahr vermeiden.

Nicht so das Kapital: Die Einzelhandelskonzerne haben allesamt die Tarifverträge gekündigt und wollen „alte Tarifzöpfe abschneiden“. Über 2,7 Millionen KollegInnen, viele befristet und/oder in Teilzeit, werden nun angegriffen. Ob die Ver.di-FunktionärInnen den Fehdehandschuh aufnehmen, oder nach verbalem Dampfablassen eine „verträgliche“ Lösung verkaufen werden, bleibt abzuwarten. Die Gewerkschaftsbürokratie überlässt dem Kapital das Feld.

Ein noch drastischeres Bild gibt das mittelständische Unternehmen Neupack, wo eine gutsherrliche Familiensippe der drittgrößten DGB-Gewerkschaft (IG BCE) ihren Willen diktiert. Die KollegInnen, die seit Monaten für ein Ende der willkürlichen Bezahlung und Behandlung kämpfen, wurden von den IG-BCE-BürokratInnen mit einem „Flexi-Streik“ sogar wieder an die Arbeitsplätze befohlen. Die sich hier eröffnende Möglichkeit einer antibürokratischen Intervention, eines Beweises der Überlegenheit einer klassenkämpferischen Perspektive über die sozialpartnerschaftliche Ideologie, hätte von einer aufmerksamen revolutionären Linken längst ergriffen werden müssen.

Ebenfalls bedeutend ist die krisenhafte Situation der Autoindustrie. Sie ist mit großen Konzernen und Belegschaften, mit denen eine Vielzahl von Zulieferbetrieben zusammenhängt, von enormer Bedeutung für die Wirtschaft in Deutschland. Während im französischen Aulnay bei PSA (Peugeot-Citroën) gegen die Schließung gekämpft wird, vermeidet die IG Metall die Mobilisierung für die Verteidigung von Opel Bochum. Aber auch in Frankreich bei Renault macht die Bürokratie miese Kompromisse, und es ist deutlich, dass es in ganz Europa die gleichen Probleme sind, vor denen wir stehen: aggressivere KapitalistInnen und GewerkschaftsbürokratInnen verschiedenster Coleur, die teils Arbeitskämpfe hemmen, teils direkt mit dem Kapital zusammenarbeiten.

Wenn die IG Metall schließlich auch noch die Jobvernichtungspläne von ThyssenKrupp nicht mit Arbeitskämpfen, sondern mit der Forderung nach Sozialverträglichkeit beantwortet, ist das ein weiteres Beispiel für die Verderbtheit der Gewerkschaftsapparate und wird weitere Prekarisierung bedeuten.

Tatsächlich startete die IG Metall eine Leiharbeitskampagne unter der perfiden Überschrift „Leiharbeit fair gestalten. Gleiche Arbeit – Gleiches Geld“, statt für die Abschaffung von Leiharbeit zu kämpfen. Die Kündigung der DGB-Leiharbeitstarifverträge zum 30. April ist in der Bürokratie umstritten. Während der linke Flügel für eine Kündigung plädiert, um die „Equal Pay & Equal Treatment“-Vorgabe aus dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz wirksam werden zu lassen, versucht der rechte Flügel der Bürokratie, das Bestehen spaltender Tarifverträge sogar zu verteidigen.

So, wie betriebliche Kämpfe dieser Tage fest mit der Frage der Prekarisierung verbunden sind und es kaum eine Auseinandersetzung gibt, in der die Formel vom „gleichen Lohn für gleiche Arbeit“ nicht mitschwingt, gewinnt daher auch die Frage des Kampfes gegen die Bevormundung durch die Bürokratie an Bedeutung.

Das vielschichtige System von privilegierten FunktionärInnen in Betrieb und Gewerkschaft ist ein Instrument zur Niederhaltung der ArbeiterInnen. Dass die undemokratische, geradezu aristokratische Funktionsweise unserer Gewerkschaften nicht bekämpft wird, ermöglicht es den opportunistischsten Elementen der Gewerkschaften, uns von Niederlage zu Niederlage zu führen. Die GewerkschaftsvertreterInnen, die Ausgliederungen, Befristungen oder Einsatz von LeiharbeiterInnen keinen ernsthaften Widerstand entgegensetzten oder sogar aktiv förderten, haben die heutige Situation mitzuverantworten.

Eine Situation, in der die Prekarisierung in Form von Leih- und Zeitarbeit samt Lohnaufstockung auf Harzt-IV-Niveau weit vorangeschritten ist. Die prekär beschäftigten KollegInnen üben auch Druck auf die Stammbelegschaften aus. Erstere hoffen auf eine feste Stelle. Letztere haben durch sie die Gefahr von Prekarisierung und Arbeitslosigkeit vor Augen. Auf dieser Grundlage werden tarifvertragliche Normen ausgehöhlt.

Die Dominanz der Gewerkschaftsbürokratie und die Prekarisierung haben vor allem zwei Folgen. Einerseits wird die grundsätzliche Kampfkraft der Belegschaften dramatisch geschwächt. Andererseits erhöht sich der Druck auf die Gewerkschaften, der Prekarisierung entgegenzutreten. So diskutiert ein linker Flügel des Apparats die Notwendigkeit stärkerer Gegenwehr, um dem Mitgliederschwund und dem Bedeutungsverlust der Gewerkschaften entgegenzuwirken.

Unabhängig von diesen kämpferischen BleistiftschubserInnen treten wir für eine Strategie ein, die den Aufbau von Strukturen der Selbstorganisierung im Betrieb und in den Gewerkschaften gegen die Gewerkschaftsbürokratie und für die politische Ausbildung der ArbeiterInnen in jedem Kampf vorantreibt. Somit soll jede Auseinandersetzung gestärkt und mit der Perspektive der sozialistischen Revolution verbunden werden.

  • Für einen internationalen Kongress der AutomobilarbeiterInnen zur Ausarbeitung eines Kampfplans gegen die Angriffe der Bosse, wie ihn auch die KollegInnen der Alternative Daimler Marienfelde gefordert haben!
  • Keine Entlassung und keine Kürzung dulden! Verbesserungen der Arbeitsbedingungen durchsetzen! Jede Schließung durch mutigen Kampf verhindern oder die Belegschaft bei der entschädigungslosen Enteignung des Unternehmens unter ArbeiterInnenkontrolle unterstützen!
  • Gleicher Lohn für gleiche Arbeit! Kampf für die Übernahme der prekären KollegInnen in die Stammbelegschaften! Daraus folgend: Arbeitszeitverkürzung für alle oder Drosselung des Produktionstempos bei vollem Lohnausgleich!
  • Machtvolle Unterstützungskampagnen für Kämpfe wie den der KollegInnen von Neupack gegen die UnternehmerInnen und auch die SaboteurInnen der Gewerkschaftsbürokratie!
  • Für die Etablierung der vollsten Streikdemokratie und den Aufbau einer antibürokratischen Gewerkschaftsbewegung!

Fußnoten

[1]. Wobei nicht vergessen werden darf, dass der Lohn überhaupt nur ein aufgeherrschter Bruchteil des Produkts der ArbeiterInnen ist.

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