Geld für Lufthansa, aber nicht für Luftfilter an Schulen?

27.10.2020, Lesezeit 5 Min.
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Bild von Maximilian Scheffler

Bei der Finanzierung des öffentlichen Sektors spricht die Regierung von Unsummen, während sie im selben Moment ein Vielfaches davon in die Rettung von Lufthansa investiert. Mit den 9 Mrd. Euro für den Konzern hätten alle nötigen Klassenräume 45 mal ausgestattet werden können.

Die Infektionszahlen steigen täglich und die Gesellschaft diskutiert über die nötigen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Es wird über einen zeitnahen Lockdown verhandelt und es werden Hilfen für Unternehmen in Mrd. Höhe bereitgestellt. Die Regierung möchte das soziale Leben weiter herunterfahren, um die Produktion aufrechtzuerhalten. Damit dies gewährleistet werden kann, sollen auch die Schulen und Kitas so lange wie möglich geöffnet bleiben. Der Staat versucht zu verhindern, dass die Arbeitskräfte zu Hause gebunden werden und nicht mehr ihrer Lohnarbeit nachgehen können. Wir wollen dagegen die Einrichtungen offen halten, damit die Kinderbetreuung nicht zurück in die Kernfamilie gedrängt wird, was in der Realität eine zusätzliche Belastung für die Eltern, insbesondere der Frauen bedeutet.

Damit die Schulen geöffnet bleiben können verordnen Bund und Länder eine Maskenpflicht für Lehrkräfte und ältere Schüler:innen. Zusätzlich ist das Lüften der Klassenräume eine der wichtigsten und effektivsten Maßnahmen gegen die Verbreitung von Viren im Klassenzimmer. Das Umweltbundesamt erstellte dazu für die Kultusministerkonferenz eine Handreichung zur Verringerung der Infektionen durch das Lüften der Räume. „Kern unserer Empfehlung ist, Klassenräume regelmäßig alle 20 Minuten für etwa fünf Minuten bei weit geöffneten Fenstern zu lüften“, so UBA-Präsident Dirk Messner. Können Räume nicht gelüftet werden, sind sie aus Sicht der Expert:innen nicht für den Unterricht geeignet und müssen geschlossen werden.

Für Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, geht das jedoch an der Realität vieler Schulen vorbei. Er schätzt, dass in ca. 100 Tausend Klassenräumen nicht richtig gelüftet werden kann. Das würde einen massiven Unterrichtsausfall und eine Rückkehr in die Heimarbeit bedeuten.

Um in solchen Fällen den Unterricht zu gewährleisten und das gesundheitliche Risiko zu reduzieren braucht es den Einsatz von technischen Lösungen. Das Umweltbundesamt empfiehlt Luftreinigungsfilter und bestätigt die Wirksamkeit bei richtiger Anwendung.

Wissenschaftler der Goethe-Universität in Frankfurt haben in einer Schule mobile Luftfilteranlagen mit HEPA-Filter getestet. Die Untersuchung ergab, dass in einer halben Stunde 90 Prozent der Aerosole entfernt werden konnten. Daher sehen die Forscher keine Gründe, warum man die Luftreiniger nicht im Klassenraum einsetzen sollte.

Doch der Einsatz solcher technischen Lösungen stößt bisher bei der Mehrheit der Landesregierungen auf Ablehnung. Aus einer aktuellen Umfrage des ARD-Magazins Monitor bei den Kultusministerien der Länder geht hervor, dass acht Bundesländer keine Anschaffung der Geräte planen und es ihren Schulträgern im Land auch nicht empfehlen wollen.

Warum wird der Einsatz solcher Geräte blockiert?

Die Anschaffung eines Luftreinigers kostet pro Klassenzimmer zwischen 1.000 und 3.000 Euro. Das ist den Bundesländern zu teuer. Die Bildungsministerin aus NRW hatte Ende August gesagt, sie halte viel von den Geräten, aber die Anschaffung für alle Klassenzimmer würde „Unsummen verschlingen“.

Wenn alle 100 Tausend Klassenräume, die nicht gelüftet werden können, mit einer Filteranlage ausgestattet werden, würde das ca. 200 Millionen Euro kosten. Würde man alle Klassenzimmer ausstatten wären es maximal 1 Milliarde Euro. Sind sichere Schulen das nicht Wert?

Im Vergleich dazu investierte der Bund allein in die Rettung der Lufthansa 9 Milliarden Euro. Für die gesamte deutsche Wirtschaft wurde ein Stabilisierungsfonds mit 100 Mrd. Euro Kapitalmaßnahmen, 400 Mrd. Euro Bürgschaften und 100 Mrd. Euro für beschlossene KfW Programme aufgelegt.

Wenn wir das Rechenspiel weiterführen, kommen wir zu dem Ergebnis, dass mit den Geldern für Lufthansa 45 mal 100 Tausend Klassenräume mit dem nötigen Gesundheitsschutz hätten ausgestattet werden können.

Um die drohende Insolvenz der Lufthansa abzuwenden wurden in der Tat Unsummen verschlungen. Die Finanzierung ist ein Freifahrtschein für die Aktionäre. Außer ein paar Umweltauflagen für die Erneuerung der Flotte gibt es so gut wie keine Bedingungen. Es wird also keine demokratische Kontrolle für eine Ausrichtung im Interesse der Menschen geben. Wenn die Lufthansa-Maschinen wieder in der Luft sind, werden die Profite wieder in die Taschen der Aktionäre und Manager fließen. Zudem kündigt das Unternehmen 22.000 Entlassungen an. Die Beschäftigten zahlen damit die doppelte Rechnung für die Rettung des Unternehmens. Einmal mit ihren Steuern und einmal mit ihrer Arbeitslosigkeit.

Das Bildungssystem dagegen ist unterfinanziert und leidet am Sparkurs der Regierung. Die Schulen sind marode und es fehlt an Ausstattung. Die Klassen sind überfüllt, weil es an Lehrkräften und Betreuungspersonal mangelt. Nicht einmal die nötigen Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit werden umgesetzt.

Die Pandemie hat gezeigt, wer das System am Laufen hält. Und wie wir uns denken können sind es nicht die Aktionäre von Lufthansa. Es sind die Arbeiter:innen des kaputt gesparten öffentlichen Sektors. Es sind Lehrer:innen, Pflegekräfte, Busfahrer:innen und Erzieher:innen. Der Streik im öffentlichen Dienst zeigt, dass die Beschäftigten ihre prekäre Lage nicht länger akzeptieren. Auch die faulen Kompromisse der Gewerkschaftsführung und der Arbeitgeber:innen werden die Unzufriedenheit nicht eindämmen. Wenn der Staat nicht einmal bereit ist Lüftungsanlagen zur Verfügung zu stellen, wird aus dem Warnstreik ein Sturm!

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