Gelbe Westen statt grüner Spritpreiserhöhung!

04.06.2021, Lesezeit 6 Min.
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Foto von Frederic Legrand - COMEO / Shutterstock.com

Die Grünen wollen den Spritpreis um 16 Cent ansteigen lassen – angeblich um das Klima zu schützen. Als Macron dies in Frankreich versuchte, brachten die Gelbwesten das Land ins Wanken. Warum die Benzinpreiserhöhung Quatsch ist und was es dagegen braucht.

Schon oft versuchten Regierungen, soziale Angriffe unter ökologischem Vorwand durchzusetzen. Der bekannteste Fall in den letzten Jahren dürfte die Gelbwestenbewegung in Frankreich sein. Sie begann, als der neoliberale Präsident Macron im November 2018 ankündigte, die Treibstoffabgaben für Benzin und Diesel zu erhöhen.

Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten: im November begann eine Massenbewegung mit radikalen Kämpfen, im ganzen Land besetzte sie Straßenkreuzungen lieferte sich Straßenschlachten mit der Polizei. Medien und bürgerliche Parteien reagierten schockiert und versuchten, die Gilets Jaunes als Faschist:innen und Klimawandelleugner:innen darzustellen. Viele Linke schlossen sich dem bedauerlicherweise an und übersahen den sozialen Hintergrund der Proteste.

Die Jahrzehnte des Neoliberalismus haben in Frankreich außerhalb der Stadtzentren eine soziale Wüste hinterlassen. Der öffentliche Nahverkehr wurde gekürzt, vielerorts steigt die Armut. Die, die einen Job haben, müssen zwangsweise mit dem Auto hinfahren. Von der Sozialistischen Partei oder den Konservativen nicht repräsentiert, herrscht vielerorts die Politikverdrossenheit. Als dann sogar der Transport mit dem Auto angegriffen wurde, platzte den Massen der Kragen und diese Wut explodierte auf der Straße. Nach massiven Protesten, Hunderten Verletzten und sogar Toten musste Macron die Erhöhung kippen. Sie lief trotzdem noch einige Monate weiter und hinterließ unter anderem eine zentrale Lehre: Ein ökologischer Wandel auf Kosten der Arbeiter:innen ist auf keinste Weise nachhaltig.

Und in Deutschland?

Hierzulande spielen sich die Grünen als Retter des Klimas auf und scheinen damit gut zu punkten. Ihre Umfragewerte schwanken, momentan liegen sie etwa gleichauf mit der Union. Ein Grund für diesen Trend dürfte das steigende Bewusstsein für ökologische Fragen sein, was sich in der Jugend mit Fridays for Future massenhaft auf der Straße zeigte.

Doch auch andere Parteien wollen mit vermeintlich klimafreundlichen Programmen punkten. Die Regierung sah sich dazu gezwungen, ein Klimagesetz vorzuschlagen, das vom Verfassungsgericht als unzureichend abgelehnt wurde. Die Union hat noch kein Wahlprogramm vorgelegt, während die SPD mit ihrem “Zukunftsprogramm” Klima an erster Stelle nennt.

Die Parteien sind sich in vielen Punkten uneins: Über die Schärfe von Umweltauflagen, über die Finanzierung einer Energie- und Transportwende und über die Steuersätze. Worin sich die bürgerlichen Parteien jedoch sehr einig sind, ist, dass die Kosten für den Kampf gegen den Klimawandel von “allen” getragen werden sollten. “Die Kosten sollen teils auch von den Verbraucherinnen und Verbrauchern getragen werden” meint Baerbock. In einer Gesellschaft, in der die Armut steigt und sich festigt, etliche von Arbeitslosigkeit bedroht sind und gleichzeitig die Reichen noch reicher werden, ist klar, wer “alle” und “die Verbraucher:innen” sind – nämlich die arbeitenden Massen.

Um den sogenannten “Strukturwandel” voranzutreiben, sollen Hunderttausende Stellen gestrichen werden, vor allem in der Auto- und Schwerindustrie. Das deutsche Kapital muss sich wieder international wettbewerbsfähiger machen und schließt dafür Betriebe. Ganze Regionen werden hierdurch in strukturelle Armut getrieben, wie wir es im Ruhrgebiet sehen können. Nordrhein-Westfalen ist das Gebiet mit der bundesweit höchsten Armutsquote. Auch in Ostdeutschland bleiben die von Kohl versprochenen “blühenden Landschaften” aus, ganz im Gegenteil sind Orte wie die Lausitz von Klimawandel und Arbeitsplatzabbau betroffen.

Durch die untragbaren Bahnpreise und die schlechten Anbindungen sind viele, besonders in ländlichen Regionen, auf das Auto angewiesen. Die allermeisten fahren keine Spritztouren, sondern zum Arbeiten und Einkaufen. Die Antwort der etablierten Parteien ist es, Verbrennermotoren unattraktiv zu machen und die Bevölkerung dazu zu bringen, Elektroautos zu kaufen. Ökologisch ist dies schon fragwürdig, zumal besagte Autos seltene Rohstoffe benötigen, wie Lithium, das mit einem enormen Wasserverbrauch aus südamerikanischen Salzwüsten gefördert werden soll.

Natürlich fühlen sich viele abgehängt, wenn eine Politikerin wie Annalena Baerbock ihnen weismachen will, dass sie auch noch mehr für ihren Transport zahlen sollen, während sie 25 Tausend Euro an Nebeneinkünften nachträglich abrechnete – eine Zahl, die vielen von uns astronomisch vorkommt.

Wenn so Klimapolitik aussieht, ist es nicht wunderlich, wenn viele der Arbeiter:innen, die im Gegensatz zu den Bossen von Siemens, e.on und Co ein Interesse an einer ökologischen Transformation haben, zum Widersacher gehen. Die AfD tritt mit der polemischen Zwischenüberschrift “Dem Klimawandel positiv begegnen” in ihrem Wahlprogramm (in dem sie den menschengemachten Klimawandel leugnen) für 2021 an. Dass sie ihre stärkste Wähler:innengruppe aus dem klassischen Industrieproletariat rekrutiert, dürfte nicht wundern, wenn sie als einzige Alternative gesehen wird.

Keine Kürzungen sondern Vergesellschaftung!

Wenn wir nicht wollen, dass die Arbeiter:innen zur AfD laufen, brauchen wir eine radikal andere Klimapolitik. Eine, die nicht den Interessen der Konzerne zu Gute kommt und uns die Kosten tragen lässt. Eine, die den Großkonzernen, die für die Mehrheit der Emissionen verantwortlich sind, entschlossen entgegentritt und für die Sicherung und den Ausbau unserer sozialen Rechte kämpft – und dafür, die Wirtschaft von uns Arbeiter:innen ökologisch zu planen.

Ein Beginn hierfür muss es sein, nicht das Autofahren teurer, sondern den öffentlichen Verkehr attraktiver zu machen – das heißt, massiv ausgebaut und kostenlos. Die Deutsche Bahn und andere Verkehrsunternehmen müssen vollständig enteignet und vergesellschaftet werden, unter Verwaltung der Beschäftigten. Der Ausbau soll von den Profiteur:innen der Privatisierung und den großen Kapitalist:innen finanziert werden. Das wäre ein Beginn für eine tatsächliche Verkehrswende, die ausgeweitet werden müsste auf Energiesektor und Industrie – und darüber hinaus auf die ganze Gesellschaft.

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