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Gaëtan Gracia: „Es ist so, als ob das Schiff sinken würde und die Kapitalist*innen uns noch Rettungswesten verkaufen wollen“

13.05.2020, Lesezeit 8 Min.
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Gaëtan Gracia, Delegierter der CGT in der Luftfahrtindustrie, Mitglied der Revolutionär-Kommunistischen Strömung CCR in der Neuen Antikapitalistischen Partei und der Zeitung Révolution Permanente sprach bei der Internationalistischen Online-Kundgebung am 1. Mai über die Selbstorganisation der Arbeiter*innen und die Arbeiter*innenkontrolle über die Produktion im Kampf gegen die Pandemie und den Kampf für eine "Welt danach" im Interesse der Arbeiter*innen und nicht im Interesse der Kapitalist*innen.

Hallo Genoss*innen, hallo zusammen,

In Frankreich ist, wie ihr gesehen haben werdet, die Coronavirus-Krise kein Sturm aus heiterem Himmel. Wenige Tage vor Beginn der Ausgangssperre demonstrierten wir noch und hielten Vollversammlungen gegen die Rentenreform ab.

Seit 2016 haben wir eine Wiederbelebung des Klassenkampfes erlebt. Aber was ist 2016 passiert? Es war der Kampf gegen die Reform des Arbeitsgesetzes, die durchgesetzt wurde von einier Regierung, die sich links nannte, die Sozialistische Partei. Diese Reform war der letzte Akt in der Krise des Zwei-Parteien-Systems, das heißt der Krise des Systems der abwechselnden Mitte-Rechts- und Mitte-Links-Regierungen. Genau diese Krise wollte Macron lösen, indem er sich als realistische Alternative für die Wiederherstellung einer soliden Herrschaft der Bourgeoisie präsentierte.

Aber was man mindestens sagen kann, ist dass am Ende das Gegenteil passiert ist. 2018 haben wir einen großen Aufstand der Gelbwesten gesehen, die die Kreisverkehre und die großen Boulevards von Paris und anderen wichtigen Städten besetzten, und die zumindest für einige Wochen erreichten, dass die Angst die Seiten wechselte! Dieser große Aufstand steckte einen Teil der Arbeiter*innenbewegung an, wie wir später im großen Kampf gegen die Rentenreform sehen konnten.

All diese Ereignisse haben die Rückkehr des Klassenkampfes ermöglicht, unnd unsere Genoss*innen waren in diesem Prozess mittendrin. Ausgehend vom Kampf gegen die Rentenreform haben unsere Genoss*innen mit all ihrer Energie die Koordination zwischen der RATP und der SNCF aufgebaut, das heißt das fortgeschrittenste Phänomen der Selbstorganisation unabhängig von der Gewerkschaftsbürokratie. Die wichtigste Figur und Hauptsprecher dieser Koordination ist unser Genosse Anasse Kazib.

Es ist in diesem Kontext des Klassenkampfes, in dem sich die Regierung mit der Gesundheitskrise konfrontiert sieht. Und das Mindeste, was man sagen kann, ist, dass ihr Management katastrophal und sogar kriminell war.

Obwohl wir in einem Land mit Industrien wie Airbus, Renault und Peugeot-Citroën leben, waren wir unfähig, genügend Masken zu produzieren. So etwas Einfaches wie ein Stück Papier mit Gummibändchen. In einem Land, das angeblich das beste Gesundheitssystem der Welt hat, waren wir nicht in der Lage, die Krankenpfleger*innen mit Schutzkitteln auszustatten. Sie müssen sich stattdessen Müllsäcke überziehen und sind auf die Solidarität der Bevölkerung angewiesen, um ihre Arbeit machen zu können, das heißt Leben zu retten.

In diesem Land, und angesichts des katastrophalen Managements der Gesundheitskrise, hat die Regierung sich für die polizeiliche Bewältigung der Epidemie entschieden. Das hat sich in einer Eindämmung mit zweierlei Maß ausgedrückt. Warum zweierlei Maß? Weil in den armen Vierteln die Eindämmung nicht auf dieselbe Weise durchgesetzt wird. Von vorneherein werden sie doppelt bestraft. Unter den Bewohner*innen dieser Viertel breitet sich das Virus schneller aus. Nicht, weil sie die Eindämmung nicht respektieren, sondern weil die Mehrheit Arbeiter*innen „an vorderster Front“ sind, die in diesen Bedingungen arbeiten müssen. Doch als wenn das nicht ausreichen würde, sind sie auch Polizeimaßnahmen und starker Repression ausgesetzt. In diesen Vierteln ist die Wahrscheinlichkeit höher, von der Polizei geknüppelt als auf Covid19 getestet zu werden.

Diese Polizeirepression, die in letzter Zeit stärker in den Medien ist, ist nicht das Ergebnis einiger weniger ungehorsamer Personen in der Polizei, das haben wir immer wieder gesagt und lautstark wiederholt. Im Gegenteil ist es das Ergebnis der Methoden der Bevölkerungskontrolle, die eine lange Geschichte haben. Der französische Staat testete viele dieser Repressionsmethoden besonders im Algerienkrieg, bevor er sie auf sein Herrschaftsgebiet in Afrika und auf die Kontrolle der Banlieues ausweitete.

Wie wir sehen können, setzen MEDEF, der Verband der Bosse, und die Regierung ihre Politik durch und bereiten vor allem ihre „Welt danach“ vor. Dagegen müssen wir für unsre eigenen Lösungen kämpfen, um unsere eigene Welt danach durchzusetzen. Eine Welt, die nicht ihre ist, die nicht durch Knüppel und allgemeine Überwachung durchgesetzt wird. Eine Welt danach, die nicht aus Arbeitslosigkeit für die einen und doppelte Arbeit für die anderen geprägt ist. Ich sag’s nochmal, wir müssen für unsere eigene Welt danach kämpfen.

In der Luftfahrtindustrie, dem Sektor, in dem ich arbeite, haben wir Mitte März gekämpft, um die meisten unserer Fabriken zu schließen. Denn wir waren der Ansicht, dass es nicht lebensnotwendig ist, Flugzeuge für Fluggesellschaften zu produzieren, deren Flugzeuge sowieso am Boden bleiben müssen.

Wir haben gesehen, wie Airbus und die Regierung schnell versucht haben, die Werke wieder zu öffnen, auch wenn dies bedeutete, Hunderttausende von Masken zur Wiederaufnahme der Produktion zu verwenden, anstatt sie den Pfleger*innen an vorderster Front zu geben. Angesichts dessen erhoben wir unsere Köpfe mit einer zentralen Losung: der Arbeiter*innenkontrolle.

Das heißt, für uns sind es die Arbeiter*innen selbst, die die Hygienemaßnahmen kontrollieren müssen. Wir haben kein Vertrauen in unsere Bosse. Für uns sind es die Arbeiter*innen, die die Geschäftsbücher kontrollieren müssen, die Konten der Unternehmen, insbesondere der Unternehmen, die Schwierigkeiten geltend machen, um Entlassungen zu rechtfertigen.

Für uns sind es die Arbeiter*innen selbst, die kontrollieren müssen, was wir produzieren sollten und was nicht, und was angesichts der Pandemie nützlich ist. Dieser letzten Frage, der der Umstellung der Produktion, haben wir eine große Bedeutung gegeben. Wir sagten, dass wir stolz wären, dass wir in der Lage wären, künstliche Beatmungsgeräte, Masken, Desinfektionsgel und alles andere herzustellen, was angesichts der Pandemie von Nutzen sein könnte.

Unsere Chefs haben sich immer taub gestellt. Erst heute sprechen einige Bosse des Sektors zynisch davon, einen Teil der Produktion auf die Herstellung von Masken umzuorientieren. Aber seien wir uns sicher: Sie tun es mit ihrer eigenen Logik, das heißt einer kapitalistischen Logik, denn nun sprechen sie davon, Masken in Kiosken für 5 Euro zu verkaufen, womit sie ein gutes Geschäft machen könnnen! Wir sagen es deutlich: Das ist kriminell! Wir wollen eine ganz andere Umstellung der Produktion. Das ist ihre kriminelle Logik, als wenn ein Schiff sinken würde und die Kapitalist*innen uns auch noch Rettungswesten verkaufen wollen!

Wir wollen die Produktion nicht auf diese Weise umstellen. Wir wollen nicht an den Meistbietenden verkaufen, sondern Beatmungsgeräte, Desinfektionsgel, Masken und so weiter für alle produzieren, die es brauchen.

Um ein Beispiel zu geben: Die Politik des französischen Imperialismus besteht darin, die Ressourcen Afrikas zu plündern, mit dem Ergebnis, dass Millionen von Menschen nur über einige Dutzend Beatmungsgeräte verfügen. Im Gegensatz dazu wären wir stolz darauf, Beatmungsgeräte en masse herzustellen, sei es für französische oder afrikanische Arbeiter*innen, ohne Unterschied und ohne Grenzen.

Genoss*innen, unsere einzige Grenze ist eine Klassengrenze. Wir sagen es laut und deutlich, vor allem in einer Zeit, in der die Spannungen zwischen den Staaten immer stärker werden. Wir stellen uns gegen jede Form von Patriotismus, ob er sich nun links nennt wie im Fall von Mélenchon, oder eindeutig reaktionär wie im Fall von Marine Le Pen.

Unsere Politik ist der Internationalismus und der Antiimperialismus aller Arbeiter*innen. Mit dieser Logik kämpfen wir in Frankreich für den Aufbau einer großen revolutionären Partei, die Aktivist*innen und Strömungen aus verschiedenen Traditionen und mit unterschiedlichen Hintergründen zusammenbringt. Innerhalb der Neuen Antikapitalistischen Partei NPA kämpfen wir für diese Perspektive, beginnend mit der Neugruppierung der NPA und Lutte Ouvrière, ausgehend von einer Debatte, die Lehren aus den Erfahrungen des Klassenkampfes der letzten Jahre zieht. Aber wir kämpfen für eine Partei, die es versteht, darüber hinaus die Gewerkschafter*innen und die Arbeiter*innen, die sich seit 2016 mobilisieren, zusammenzubringen, genauso wie einen Sektor der Gelben Westen, Aktivist*innen aus den Arbeiter*innenvierteln, Jugendliche, Frauen und all jene, die sich heute als antikapitalistisch verstehen. Wir glauben, dass es möglich ist, eine Partei aufzubauen, die eindeutig ein revolutionäres Programm und eine revolutionäre Strategie hat und die für den Kommunismus kämpft, d.h. für eine Welt danach, die im Dienste unseres Lebens und nicht im Dienste ihrer Profiten organisiert ist.

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