G20: Die Angst der Herrschenden

06.07.2017, Lesezeit 5 Min.
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Was ist der politische Sinn hinter der schier uferlosen Aufrüstung der Polizei und Paramiltärs in Hamburg? Warum eine solche Eskalation angesichts von ein paar Schlafzelten? Besonders die letzten Tage lassen allzu vieles über die derzeitige Psychologie der Bourgeoisie und ihrer bewaffneten Einheiten durchblicken.

Im Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichtes zum Verbot von Demonstrationen auf dem Heiligengeistfeld und im Gängeviertel heißt es:

Die Allgemeinverfügung sei rechtmäßig, da mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sei, dass es ohne das in der Allgemeinverfügung geregelte, zeitlich und räumlich begrenzte Versammlungsverbot zu einem Schaden für die körperliche Unversehrtheit und das Leben sowohl der Teilnehmer des G20-Treffens als auch der Versammlungsteilnehmer und unbeteiligter Dritter und darüber hinaus auch zu einem Schaden für die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland kommen würde.

Darum geht es also. Die „auswärtigen Beziehungen” der BRD. Es war von vornherein klar, dass diese Demonstrationen verboten bleiben sollten, inmitten der juristischen Schlachten ein weiteres politisches Urteil der Klassenjustiz. Im diesem Falle liege eine „besondere Gesamtgefahrenlage” vor, die sich u.a. aus den „begrenzt vorhandenen Polizeikräften” (!!!) ergebe … Es ist schwer, hier juristischen Zynismus von politischem Schwachsinn zu unterscheiden.

Doch selbst die Camps oder Demonstrationen, die scheinbar nicht verboten wurden, wurden von der Polizei in den vergangenen Tagen schonungslos angegriffen. Die Geschehnisse im Camp von Entenwerder entlarvten einmal mehr das heuchlerisch-liberale Narrativ von einem demokratischen Rechtsstaat, dass die vollziehende Gewalt (hier Polizei) an Gesetz und Recht gebunden sei. Alles Schall und Rauch, wie wir am Sonntag sehen konnten. Die Aussicht auf eine Klage, wonach der Polizeieinsatz rechtswidrig war? Nützt herzlich wenig. Und bringt erst recht gar nichts bei einem Mann, der für die berüchtigte „Hamburger Linie” berühmt ist und schon in der Vergangenheit etliche Einsätze leitete, die im Nachhinein als rechtswidrig eingestuft wurden: Gesamteinsatzleiter Hartmut Dudde.

Der Wachhund der Bourgeoisie

Es besagt schon einiges, dass ein Protofaschist wie er zum Gesamteinsatzleiter ernannt wurde. Steil aufgestiegen unter dem Rechtspopulisten und Kriminellen Ronald Schill, ist Dudde bekanntlich eher dafür, die Sache richtig eskalieren zu lassen. Nun, er wird sich anlässlich der G20-Porteste gedacht haben: „Meinetwegen, einer muss der Bluthund werden.”

Tagelang durften auf den Camps nicht einmal Schlafzelte aufgebaut werden, geschweige denn übernachtet oder geduscht werden. Selbst Kartoffeln und Zwiebeln wurden am Dienstag kurzzeitig beschlagnahmt. All das sind keine Anekdoten, sondern tägliche Repressionen gegen die Aktivist*innen vor Ort. Warum diese Schikanen? Warum in dieser Härte, wo es doch nur um Schlafzelte ging und die massenhaften Proteste erst noch beginnen werden?

Einerseits könnte mensch argumentieren, dass der Staat schon von Anfang Härte und Durchsetzungsvermögen zeigen will. Andererseits führte dies zu einer Solidaritätswelle, wo selbst die Kirche in St. Pauli ihre Flächen den Campenden zur Verfügung stellte. Ein gewaltiger Schuss nach hinten für den Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), dessen Rücktritt schon gefordert wird. Das nervöse und in erster Linie übertriebene Handeln der Staatsmacht zeigt vor allem eins: ihre tiefe Angst.

Es wäre eine tiefe Blamage für das deutsche Regime, sollte der Gipfel unterbrochen oder gar abgebrochen werden. Der massive Einsatz der Ordnungskräfte soll also das Treffen der G20 selbst schützen und verhindern, dass der Protest wirksam wird in seiner Ablehnung der G20 als Institution. Fieberhaft wird also jeder noch so nichtige Grund als Anlass genommen, um repressiv gegen Aktivist*innen vorzugehen – und das nicht irgendwie! Hausdurchsuchungen mit gezogener Maschinenpistole, sofortiger Wasserwerfereinsatz gegen das „Cornern” sowie das brachiale Einbrechen in die Camps sind Beweise für die Nervosität des Staates, welche in diesen Tagen immer greller zum Vorschein kommt.

Das alles ist nicht neu. Die Bourgeoisie wird jedes Mal bei den Aktionen der Massen aufgeschreckt und scheut sich nicht, ihr gesamtes Arsenal der Repression zur Verfügung zu stellen. Ebenso wenig neu, dass sie dabei einen menschenverachtenden Bluthund einsetzt, der sich vor allem durch eines auszeichnet: seine Skrupellosigkeit.

Ein historisches Beispiel

Die wohl größte Welle der Propaganda gegen die ausgebeuteten und unterdrückten Massen erschien im Jahre 1919, als im gemeinsamen Verbund die imperialistischen Bourgeoisien gegen die neue proletarische Sowjetmacht zu Felde zogen. Keine Kosten und Mühen waren ihnen zu gering, um gegen dieses Beispiel für die internationale Arbeiter*innenklasse vorzugehen. Doch besonders Lenin reagierte geradezu mit einer „hanseatischen Gelassenheit”: In seinem Buch „Der linke Radikalismus” unterstrich er, dass trotz aller negativen Propaganda die Bourgeoisie letztlich für die Bolschewiki arbeitete, da sie dazu beitrug, dass die Ideen des Bolschewismus unter den Massen lebendig blieben.

Auch wir können der tollwütigen Bourgeoisie in gewisser Weise danken: Mit ihrer ständigen Hetze und ihren Skandalen sorgten sie letztendlich mit dafür, dass der G20-Protest immer populär blieb und immer mehr Menschen in seinen Bann zog. Das Ergebnis ist eine Stadt, die hochpolitisiert und sich in ihrer Ablehnung gegen diesen Gipfel einig ist. Eine Stadt, die wie elektrisiert ist und in der in den nächsten drei Tagen die größten Massenproteste der jüngeren Geschichte Deutschlands stattfinden werden.

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