Für eine linke Regierung?

20.09.2013, Lesezeit 6 Min.
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// Der SYRIZA-Kongress und die radikale Linke: Wiederholung reformistischer Fehler //

Das griechische „Bündnis der radikalen Linken“ (SYRIZA) ist nun eine richtige Partei geworden. Vom 10.-14. Juli 2013 fand in Athen der große Gründungsparteitag statt, der von allen KommentatorInnen einhellig als Erfolg der Mehrheit um Gallionsfigur Alexis Tsipras gewertet wird.

Es wurde entschieden, dass sich die Einzelorganisationen des Bündnisses in den kommenden Monaten auflösen. Und der inhaltliche Kurs wurde etwas angepasst: Statt Schuldenstreichung soll es beispielsweise eine „Neuverhandlung“ geben. Diese inhaltlichen Angriffe, wie auch die Attacken auf die interne Demokratie, sind natürlich ein herber Schlag gegen die linkeren Teile von SYRIZA. Die antidemokratischen Maßnahmen, im demokratischen Gewand präsentiert, stärken die rechte Führung, die den Apparat in Händen hält und stellen so die bisherige parlamentaristische Ausrichtung (die schon in der Herkunft als Wahlbündnis angelegt war) definitiv sicher. Der erste Parteitag von SYRIZA bedeutet eine klare Absage an die Illusionen von manchen radikaleren Gründungsorganisationen und neuen revolutionären AnhängerInnen, die seit dem Wahlerfolg 2012 zu SYRIZA strömten wie Motten zum Licht.

SYRIZA war von 4,6% bei den Wahlen 2009 auf erst 16,8 und dann 26,9% bei den beiden Wahlen im Jahr 2012 emporgeschnellt. Bei der zweiten Wahl wäre SYRIZA beinahe die stärkste Fraktion im Parlament geworden. Das beflügelte die Träume so mancher Teile der radikalen Linken: Eine objektive Entwicklung, die zur Machtfrage führe. „Alle zu SYRIZA, dort sind die Massen!“ Seit den Wahlen gab es eine Verdopplung der Mitgliederzahl, 500 neue Ortsgruppen sollen sich inzwischen gegründet haben – die linke Partei, die kurz vor der Regierungsübernahme steht, wirkt anziehend. Das Problem ist nur, dass das Mitgliederwachstum zum allergrößten Teil auf dem Wahlphänomen beruht, während sich die Präsenz von SYRIZA auf der Straße allen Berichten nach kaum erhöht hat.

Nun der Parteitag mit dreieinhalbtausend Delegierten. Während die Regierungskoalition aus konservativer ND, sozialdemokratischer PASOK und linker DIMAR kriselt (DIMAR trat im Juni aus der Koalition aus), macht sich SYRIZA – die juristisch jederzeit Neuwahlen erzwingen könnte – bereit für die Regierungsübernahme. Der Durchmarsch der reformistischen Tsipras-Führung beim Parteitag war ein Signal an die Bourgeoisie, keine Alpträume zu bekommen. Trotz allem konnte die „Linke Plattform“ mit etwa 30% mehr Sitze im Zentralkomitee erringen als zuvor. Doch selbst die revolutionären Linken skandalisieren nicht die Ausrichtung auf den bürgerlichen Staat.

Diese Linke Plattform von SYRIZA ist der neue rote Stern am zentristischen Horizont der radikalen Linken. Sie ist eine Zusammenarbeit aus dem „R-Project“ von der aus der Tradition Tony Cliffs stammenden trotzkistischen Gruppen DEA, Kokkino und APO, und der viel größeren linksreformistischen „linken Strömung“, die ursprünglich aus dem Lager von Tsipras kommt. In den Änderungsanträgen zum Grundlagenpapier stellte die Linke Plattform die Notwendigkeit der Schuldenstreichung heraus, forderte Verstaatlichung von Banken und wichtigen Unternehmen, stellte das mögliche Ausscheiden aus dem Euro in Aussicht und wollte festlegen, dass eine Regierung nicht mit Parteien des Establishments gebildet werden sollte.

Die Gruppe Xekinima, die wie die SAV in Deutschland zum CWI gehört, „unterstützt aktiv den linken Flügel von SYRIZA“[1] und ruft andere Linke außerhalb von SYRIZA dazu auf, es ihr gleichzutun. Abseits des Aufrufs an die „radikale und einheitsorientierte Linke“ besteht der programmatische Beitrag zur Debatte aus den Forderungen der Verweigerung der Schuldenzahlung, der Kontrolle von Kapitalverkehr und Außenhandel und der „Verstaatlichung der Banken und der strategischen Sektoren der Wirtschaft, der Etablierung von gesellschaftlicher und Arbeiterkontrolle und -verwaltung.“

Getreu dem Aufruf von Xekinima unterstützen auch viele andere internationale revolutionäre Organisationen (wie z.B. die „Vierte Internationale“ der deutschen Gruppen RSB und isl) den linksreformistischen Flügel von SYRIZA, indem sie nach Positionen für die regierende SYRIZA suchen, mit denen sich eine „Dynamik der Radikalisierung und Politisierung entwickeln könnte.“[2] Auch der Artikel der GAM diagnostiziert „die Notwendigkeit der politischen Arbeit in SYRIZA“, sieht beim „R-Projekt“ die „Schlüsselrolle“ und eine der „zwei Klassenlinien“ in der Partei, deren Kampf sich „unvermeidlich […] verschärfen und letztlich den Rahmen von SYRIZA sprengen wird.“[3]

Die radikale Linke in und um SYRIZA führt die Diskussion auf der Ebene, was SYRIZA nach der Regierungsübernahme zu tun hätte, um wirklich sozialistisch zu sein. Zweifellos wichtige Fragen und Positionen, wie die Schuldenfrage, die Verstaatlichung oder die Mobilisierung der Massensektoren werden verschiedenst gegen den Angriff von Tsipras‘ und Co. verteidigt.

Scharf wird dabei interessanterweise die Frage diskutiert, mit wem die „Links-“, „Anti-Kürzungs-“ oder „ArbeiterInnenregierung“ machbar wäre. Jedoch stellt niemand in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung, dass mittels des bürgerlichen Staatsapparats niemals eine revolutionäre Bewegung geführt werden kann! Die radikale Linke in und um SYRIZA diskutiert darüber, wie sich SYRIZA an der Spitze des kapitalistischen Staates verhalten sollte. Man meint, der chilenische Präsident Salvador Allende, dessen Sturz 1973 sich gerade zum 40. Mal jährt, könne glatt mitdiskutieren. Nur die GAM gibt, als sie die Schwächen der Linken in SYRIZA (von „a“ bis „e“) aufzählt, unter Punkt „d“ bekannt, dass die „Frage der Linksregierung […] v.a. von der Führung als rein parlamentarisches Unterfangen diskutiert“ würde, und „Kampforgane der Klasse“ notwendige Stützen einer „Linksregierung“ wären.[4]

Dies ist jedoch nicht eine Frage unter vielen, sondern die zentrale Frage: die Klassenlinie, die Unabhängigkeit der ArbeiterInnenklasse vom politischen Rahmen der Bourgeoisie. Es kann keine ArbeiterInnenregierung geben, wenn die Schaffung der notwendigen Voraussetzungen, nämlich Organe der Selbstorganisation der Klasse, der Selbstverwaltung und auch -verteidigung jenseits des bürgerlichen Staates dieser nicht vorangehen. Wenn die revolutionäre Linke dies nicht begreift, wird sie sich nicht als revolutionär erweisen können.

Fußnoten

[1]. Xekinima: Griechenland: Nach dem ersten Parteitag von SYRIZA.

[2]. Tino P.: Differenzierungen in Syriza.

[3]. Martin Suchanek: Eine „neue“ reformistische Partei macht sich für die Regierung reif.

[4]. Ebd.

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