„Für uns ist der Kampf um das Klima und der Kampf um die Gesundheitsversorgung aufs Engste miteinander verbunden“

13.09.2023, Lesezeit 7 Min.
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Foto: Çağla Sahin

Rede von Liam und Kilian, Soziologiestudierende an der LMU München und Mitglieder von Waffen der Kritik, bei der Kundgebung in Solidarität mit der Hebamme Leonie gegen die Repression.

Er ist Liam, ich bin Kilian und wir machen die Rede zusammen. Wir sind beide Soziologiestudierende an der LMU München und Teil von Waffen der Kritik, der marxistischen Hochschulgruppe von Klasse Gegen Klasse. Wir sind auch GEW-Mitglieder und dort schon länger gewerkschaftlich aktiv.

Wir sind auch schon länger beim Solikomitee aktiv, haben es auch von Anfang an mit unterstützt, waren auch mit mehreren Kolleg:innen aus Neuperlach bei den unterschiedlichen Aktivitäten der Parteien, wo wir auch Druck ausgeübt haben, damit sie – nicht von sich heraus, aber als Reaktion auf den Widerstand – diese gewissen Zugeständnisse, die noch nicht erfüllt sind, umsetzen.

Eins vorweg: Die Repression vonseiten der Geschäftsführung gegen Leonie kommt von denselben Interessen wie die Repression gegen die Letzte Generation, die wir in der letzten Woche gesehen haben. Denn die Justiz, Polizei und politisch die Landesregierung der CSU und Freien Wählern, die jetzt gerade viel Wahlkampf machen, haben dies durchgeführt. Aber welche Interessen sind das? Die kapitalistischen Profitinteressen, wegen denen 30 Aktivist:innen in Präventivhaft sitzen, weil sie gegen die IAA protestiert haben, wo wir auch selbst dabei waren. Das sind dieselben Profitinteressen im Gesundheitssystem, die auf Kosten der Gesundheit von Menschen gehen. Alle Kritiker:innen dieser Verhältnisse sollen bestraft und isoliert werden. An ihnen versucht man Exempel zu statuieren, um jedwede Unzufriedenheit, aber vor allem jedwede Handlungen zu unterbinden.

Während Oberbürgermeister Dieter Reiter, Vorsitzender des Aufsichtsrats der München Klinik, die Polizei lobte „mit viel Einfühlungsvermögen agiert und deeskaliert zu haben“, wurden nicht nur dutzende Aktivist:innen in den Knast gesteckt. Nein: Auf der anderen Seite der brummenden Luxuskarren, für die die Stadt- und Landesregierung den roten Teppich ausgelegt haben, wurde einem Aktivisten von den Knüppeln der Polizei das rechte Ohr zerfetzt, was später im Krankenhaus genäht werden musste, wie die Taz berichtete. Es ist ein Skandal, dass wir hier nicht frei demonstrieren können, sondern sogar solche Mittel der Repression gegen Aktivist:innen eingesetzt werden.

Wir stehen heute in Solidarität mit unserer Genossin Leonie, die als Hebamme an der München Klinik arbeitet und sich mit ihrem Team dafür eingesetzt hat, die absolute Zerstörung der Geburtshilfe im Osten dieser Stadt zu stoppen. Doch wie konnte es dazu kommen? Die Ursache hierfür liegt in der Sparpolitik der Bundesregierung, der bayerischen Staatsregierung und der grün-roten Stadtregierung, die sich weigern, genug Geld für Gesundheit auszugeben und lieber Krankenhäuser und Geburtsstationen schließen.

Währenddessen scheffeln die Großkonzerne Milliardengewinne. Das hat Leonie auch schon gesagt und deshalb waren wir auch letzte Woche auf der Straße. BMW allein hat letztes Jahr einen Rekordgewinn von 23,5 Milliarden Euro gemacht. Das ist fast das Dreifache des gesamten Haushalts der Stadt München. Ein Drittel davon wird einfach an die Aktionäre ausgeschüttet, vor allem an die Familie Quandt, die eh schon ein Milliardenvermögen hat und nur weiter Geld ansammelt, während gleichzeitig in diesen essenziellen Sektoren, die für uns alle notwendig sind, gespart wird. Das ist eine Unverschämtheit!

Aber diese Regierungen wollen ihren Reichtum nicht antasten. Im Gegenteil wollen sie sie noch reicher machen. Deshalb subventionieren sie die Autoindustrie mit Milliarden, um 15 Millionen neue E-Autos zu bauen, und plündern dafür wertvolle Ressourcen in anderen Ländern wie Chile, Bolivien, Argentinien aus.

Deshalb ist für uns der Kampf um das Klima und der Kampf um die Gesundheitsversorgung aufs Engste miteinander verbunden: Er ist ein Kampf gegen die Profitinteressen des Kapitals. Direkt unmittelbar wäre es möglich, mit einer Sondersteuer auf die Gewinne der Münchner Konzerne und der Vermögenden die Unterfinanzierung von Gesundheit, Bildung, Sozialem und Verkehr in der Stadt auf einen Schlag zu beenden. Aber wir wollen und können dabei nicht stehen bleiben. Der einzige Weg, ein Gesundheitssystem im Dienst der Patient:innen und nicht im Dienst des Profits zu erreichen, ist derselbe Weg wie der, einen tatsächlichen ökologischen und sozialen Umbau der Wirtschaft zu erreichen: Indem wir den kapitalistischen Profit angreifen, die Großkonzerne unter Kontrolle von Arbeiter:innen, Patient:innen, Nutzer:innen enteignen.

Man sagt uns, das sei unrealistisch. Aber unrealistisch ist es, von den herrschenden Parteien irgendetwas anderes als Politik im Sinne der Konzerne zu erwarten. Die bevorstehenden Landtagswahlen zeigen das deutlich: CSU und Freie Wähler sind nicht nur an Kürzungen interessiert, der ganze Fall Aiwanger zeigt auch, dass rechtsextreme Äußerungen selbst an der Regierung kein Problem sind. Und dann wundern sie sich, dass die AfD stärker wird! Das alles sind Parteien, die die Rechte von Frauen, Arbeiter:innen, Jugendlichen und Migrant:innen angreifen. Aber auch SPD, Grüne, FDP können wir nicht wählen. Sie zeigen im Bund, für welche Politik sie stehen: Kürzungen, Kürzungen, Kürzungen, verschleiert durch ein paar angeblich progressive Gesetze, während sie tagtäglich der Agenda der Rechten hinterherlaufen. Und gerade mit Blick auf das Gesundheitssystem muss man sagen: Auch kein Vertrauen in die Linkspartei, die in Berlin und Bremen die Privatisierung und das Outsourcing von Krankenhäusern mitgetragen hat, ebenso Abschiebungen, Zwangsräumen usw. in allen Landesregierungen.

Auf Grundlage so einer Politik gewinnt die extreme Rechte an Boden. Deshalb ist für uns klar: Den Aufstieg der Rechten bekämpfen wir nur mit Organisierung: gegen die Rechten, gegen die Regierung, gegen das Kapital – unabhängig von den bürokratischen Führungen, die unsere Kämpfe immer wieder auseinanderdividieren und bremsen.

Genau dafür steht das geburtshilfliche Team in Neuperlach und unsere Genossin Leonie hier ganz vorne: sich nicht dem Schicksal der Pläne der Bosse und der Regierung zu ergeben, sondern unser Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen.

Wir stehen heute hier an Seite von Leonie und standen in den letzten Wochen und Monaten an Seite der Kolleg:innen von der Neuperlacher Geburtshilfe, dem Flughafen, der Straßenreinigung und anderen Sektoren während der TVöD-Runde. Wir sind der Überzeugung, dass wir als Studierende eine Gesellschaft ohne die Ausbeutung unseres Planeten, der Arbeiter:innen und des Klimakollaps nur an Seite der Beschäftigten erkämpfen können. Doch auch wir als Studierende, die an den Unis arbeiten, organisieren uns nun für einen Tarifvertrag im Rahmen der TVStud-Kampagne und eben in diesem, unserem Kampf wollen wir all diese politischen Fragen aufwerfen in gemeinsamen Streiks mit unseren Dozierenden und anderen Beschäftigten des TVL diesen Herbst.

Für uns heißt die Einheit von Studierenden und Beschäftigten, dass wir nicht an den Spaltungen und Grenzen, die uns die wenigen Besitzenden aufzwingen, stehen bleiben. Der Kampf um die Einheit heißt, dass wir uns gegen das Ausbaden der Krise auf unseren Schultern und der Stärkung der AfD und co. entgegenstellen und für eine revolutionäre Organisation der Arbeiter:innen streiten, die all den Schlägen, die unsere Bosse uns verpassen wollen, die Verteidigung entgegenstellt, aber auch klar und offensiv sagt, dass wir ihr System beseitigen werden.

Für diese Perspektive wollen wir natürlich auch alle einladen, sich am Aufbau einer solchen Kraft zu beteiligen, und natürlich auch sich am Solikomitee zu beteiligen.

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