FU Berlin: Welche Lehren aus Columbia?

13.07.2025, Lesezeit 6 Min.
1
Quelle: lev radin / Shutterstock.com

Die Proteste an der Columbia University gegen die Komplizenschaft am Völkermord in Gaza, vor über einem Jahr, inspirierten eine weltweite Studierendenbewegung in Solidarität mit Palästina. Nun stellt sich die Frage, wie weiter?

Wir haben diesen Artikel redaktionell überarbeitet, nachdem wir darauf hingewiesen wurden, dass dieser ursprünglich Falschdarstellungen enthielt.

Am vergangenen Dienstag, den 08.07.2025 fand an der Freien Universität Berlin die Diskussionsveranstaltung „Lehren aus Columbia – Wie Palästinasolidarität an den Unis gewinnen kann“ statt. Organisiert wurde sie vom Internationalistischen Bündnis,  dem Kommunistischen Studierendenbundes, der Studierendenorganisation der Gruppe Arbeiter:innenmacht sowie Studierendenbunds der Linkspartei SDS und Studis gegen Rechts statt. Der SDS und SgR sagten jedoch kurzfristig ab und waren somit nicht auf dem Panel vertreten.

Die Veranstaltung wurde durch Cameron Jones eröffnet, einem Studenten der Columbia Universität in New York, der dort in der Palästinabewegung aktiv ist.. Er erzählte von seinen Erfahrungen der ersten Besetzungen und Camps bis hin zu den Bildern, die um die Welt gingen und zu folgenden Aktionen an zahlreichen Universitäten anderer Länder geführt haben. Dabei wurde auf den Aufbau und die Struktur der bisherigen Proteste eingegangen und wie versucht wurde, die Bewegung über die Studierendenschaft hinaus auszuweiten und verschiedene aktivistische Communities zusammenzubringen.

Die Erfolge und weltweiten Auswirkungen der Protestbewegung, die sich an Columbia öffnete, stießen jedoch auch an ihre Grenzen. Es wurde nicht geschafft, eine große Masse zu organisieren, die eine Kraft hätte entfalten können, die Universität dazu zu zwingen, ihre geschäftliche und wissenschaftliche Komplizenschaft mit Israel abzubrechen. Dafür braucht es eine andere Organisationsform der Bewegung, demokratische und offene Versammlungen sowie Komitees, in denen mit breiten Teilen der Studierendenschaft sowie den Arbeitenden an den Universitäten gemeinsam diskutiert werden kann. Es gab an der Columbia einige Ansätze von Streiks und Arbeitsniederlegungen sowie Solidarität zwischen den Beschäftigten und der Studierendenbewegung. Auf diese hätte jedoch mehr eingegangen werden müssen. Denn die Beschäftigten in der Verwaltung, im Gebäudedienst sowie die Dozierenden sind zentral, um ein Druckmittel aufzubauen.

Georg Ismael von der Gruppe Arbeiter:innenmacht und dem Kommunistischen Studierendenbund diskutierte daraufhin die Bewegung an den Berliner Universitäten ein, die nach Columbia aktive Besetzungen, Camps und Protestaktionen organisierte. Auch hier zeigten sich jedoch die gleichen Symptome wie in den Studierenden-Protesten der USA. Durch die massive Polizeigewalt und staatliche Repressionen, sowie die Unklarheit über Zukunft und Auswirkungen der Proteste, zerfiel die Bewegung in zahlreiche Gruppierungen mit undefinierten Zielen. Zugleich wurden auch die Demos auf den Straßen immer kleinteiliger. Es kam zu weiteren Uneinigkeiten aufgrund von politischen Differenzen, so wenn es um die Frage der Rolle anderer Regime im Nahen und Mittleren Osten ging.

Während der brutale und anhaltende Genozid Israels von Tag zu Tag intensiviert wird, mit Aushungerungssstrategien und gezieltem Beschuss von Verteilzentren von Hilfsgütern, stellt sich die Frage umso dringender, wie die Kämpfe zu einem aussichtsreichen Ziel zusammengführt und strategisch langfristig aufgebaut werden können.

Eine der Antworten die auf dem Panel dazu gegeben wurde ist die Boycott, Divest, Sanction (BDS) Kampagne, die sich nun an den größten Universitäten in Berlin, insbesondere an der FU aufbaut und dort Berichte zur Komplizenschaft zwischen Forschungen und institutionellen Anbindungen mit dem Israelischen Apartheidregimes ausgearbeitet hat. Dabei geht es darum, direkte Anknüpfungspunkte für Forderungen zu haben, die Bewegung zu verbreitern und mit konkreten Zielen dem weit verbreiteten Pessimismus entgegenzuwirken. 

Dieser Ansatzpunkt kommt vor allem aus einer Diskussion heraus, die sich mit dem Burnout und der Isolierung einzelner aktiver Aktivist:innen beschäftigt. Denn durch die fehlende strategische Ausrichtung und dem hohen Eskalationsgrad einiger Aktionen, sind viele Aktivist:innen in der Bewegung an einem Punkt, wo sie die sehr viel Arbeit investieren und wenig Ausblick auf direkten Erfolg haben und ebenso wenig die längerfristige Zukunft als Hoffnung wahrnehmen können. Dadurch sollen die Personen hinter BDS sich organisieren und eine erweiterte Perspektive bekommen.

Doch wir müssen uns Fragen an wen sich BDS eigentlich richtet und wer die Forderungen umsetzen soll? Was ist die strategische Ausrichtung der Kampagne?

Boykott und andere Optionen sind mögliche Aktionen der Zivilbevölkerung, gewaltfrei und direkt Einfluss auf Konsumverhalten zu legen. Die Organisation davon kann hilfreich sein und Leute in ihrer moralischen Überzeugung stärken. Doch eine längerfristige strategische Aussicht für die Befreiung Palästinas oder die direkte politische Kraft in Deutschland und den Universitäten kann BDS allein nicht geben. Georg ging dabei in seinem Vortrag ein, auf die Notwendigkeit als Aktivist:in sich immer auch als Organisator:in zu verstehen, also immer in direkter Auseinandersetzung im Alltag sein und versuchen, Leute zu überzeugen, sich auf die strategischen Fragen einzulassen.

Das sind gute Ansatzpunkte, sie sollten jedoch erweitert werden, um die Orte und Kämpfe, wo dieser Kampf strategisch noch effektiver werden kann. Das sind zuvorderst die Betriebe und dort vor allem die strategischen Sektoren, wie die Hafenarbeit und Logistik, in der eine Arbeitsniederlegung direkte Konsequenzen auf Waffenlieferungen und die globale Ökonomie haben und somit das Potential, die Forderungen nach einem Abbruch der Handelsbeziehungen mit Israel tatsächlich umzusetzen.

Dabei muss genauso die Gewerkschaftsführung kritisiert werden, diese stellt sich aktiv in den Weg der Beschäftigten die Arbeitsniederlegungen in Solidarität mit Hafenarbeitenden weltweit organisieren. So verwehrt sich die ver.di Leitung weiterhin den Genozid in Gaza als solchen zu benennen und stellt sich direkt gegen ihre Mitglieder die sich in diese Kämpfe einbringen.

Darüber und über die weitere strategische Ausrichtung der Palästina-Bewegung an den Universitäten sowie in den Betrieben sprechen wir am nächsten Dienstag zusammen mit einem palästinensischen Hafenarbeiter, der sich in ver.di für einen Stopp der Waffenlieferungen an Israel einsetzt. Mit Studierenden der Freien Universität Berlin, die aktiv in der Palästina Bewegung sind, sowie einem Genossen unserer argentinischen Schwesterpartei PTS, der sich dem Global March to Gaza angeschlossen hatte. 

Diskutiert mit uns über die Zukunft der Bewegung, für eine internationale Solidarität und den Klassenkampf!

Wie globalisieren wir die Intifada?

15.07.2025 16:00

Diskussionsveranstaltung

Galile@ an der Freien Universität Berlin

Otto-von-Simson-Str. 26, 14195 Berlin 

Mehr zum Thema