Frankreich: Macron will die Rentenreform per Dekret durchsetzen – vorbei an den Protesten und vorbei am Parlament

01.03.2020, Lesezeit 4 Min.
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Die französische Regierung hat am Samstag beschlossen, mittels des Verfassungsartikels 49 Absatz 3 per Dekret die verhasste Rentenreform durchzusetzen, gegen die seit Monaten Streiks und Mobilisierungen stattfinden. Angesichts dieses antidemokratischen Angriffs der Regierung ist es notwendig, sich auf der Straße und durch Streiks zu widersetzen. Die Gewerkschaften müssen einen Gegenangriffsplan aufstellen, um die Pläne von Macron zurückzuschlagen.

Am gestrigen Samstag verkündete der französische Ministerpräsident Edouard Philippe im nationalen Fernsehen die Anwendung von „Artikel 49.3 der Verfassung“, um die geplante Rentenreform der Macron-Regierung ohne Abstimmung im französischen Parlament durchzusetzen. „In Übereinstimmung mit Artikel 49 Absatz 3 der Verfassung von 1958 und nachdem ich die Genehmigung des Ministerrats am 29. Februar erhalten habe, habe ich beschlossen, die Verantwortung der Regierung für den Gesetzentwurf zur Einführung eines universellen Rentensystems zu übernehmen.“

Somit macht die Regierung ihre Drohungen wahr, das Rentenreformgesetz auch gegen Widerstände durchzusetzen, um ihren Zeitplan einzuhalten und die Annahme des Gesetzes in erster Lesung vor den Kommunalwahlen sicherzustellen. Damit umgeht sie nicht nur die Proteste und Streiks der vergangenen Monate, sondern auch das Parlament selbst, wo die Rentenreform noch debattiert wurde. Denn mit der Anrufung des Verfassungsartikels 49.3 kann die Regierung die Reform selbständig per Dekret durchsetzen, es sei denn, das Parlament ist mit einem Misstrauensvotum gegen die Regierung erfolgreich.

Der Einsatz dieses antidemokratischen Instruments scheint eine Verzweiflungsaktion einer Regierung zu sein, die nach mehr als zwei Monaten Protesten und einem historischen Streik der Transportarbeiter*innen geschwächt ist und nur wenige Alternativen in Sicht hat. Ihr aktueller, in öffentlichen Parlamentssitzungen debattierter Gesetzentwurf zur Rentenreform war schon mehr als 115 Stunden lang diskutiert worden, obwohl erst 7 von insgesamt 65 Artikeln geprüft wurden, zusätzlich zu Tausenden weiteren Änderungsanträgen der Abgeordneten.

Angesichts eines solchen Szenarios und um das Dekret zu rechtfertigen, erklärte Philippe: „Ich glaube nicht, dass sich unsere Demokratie ein solches Spektakel leisten kann“, und brachte die Absicht der Regierung zum Ausdruck, „dieser Episode der Nicht-Debatte ein Ende zu setzen“ und „eine Strategie der absichtlichen Behinderung durch eine Minderheit“ zu verhindern.

Den Widerstand auf der Straße organisieren! Die Gewerkschaften müssen einen Kampfplan vorschlagen!

Spontan versammelten sich am Samstagnachmittag mehr als tausend Menschen vor den Toren der Nationalversammlung, um gegen die autoritäre Entscheidung der Regierung Macron zu protestieren. Im ganzen Land fanden derartige Versammlungen statt, die zum Teil mit Tränengas von der Polizei angegriffen wurden.

Die Bewegung gegen die Rentenreform hat große Entschlossenheit und Langlebigkeit gezeigt, die insbesondere durch den historischen Streik der Streikenden bei der RATP und der SNCF gekennzeichnet ist.

Angesichts dieses „Putsches“ der Regierung, bei dem eine der antidemokratischsten Waffen der Fünften Republik eingesetzt wurde, ist es unerlässlich, eine Antwort auf den Straßen und in den Betrieben zu geben, die dieser bonapartistischen Offensive etwas entgegensetzen kann. Die Reaktion der Arbeiter*innenbewegung und der Jugend, die zum Teil immer noch mobilisiert sind, muss sofort erfolgen, durch die Methoden des Klassenkampfes, auf den Straßen und durch Streiks.

In diesem Sinne geht es darum, von den Gewerkschaftsführungen und von allen Organisationen der Arbeiter*innenbewegung zu fordern, diese neue Offensive gegen die demokratischen Rechte anzuprangern, die darauf abzielt, eine Reform durchzusetzen, die von der Mehrheit der Bevölkerung weitgehend abgelehnt wird. Mehr noch, es geht darum, einen Kampfplan vorzubereiten, der eine Bewegung aufbaut, um den unbefristeten Generalstreik gegen die Regierung durchzusetzen.

Dafür können wir nicht auf einen 24-Stunden-Streik am 31. März warten, wie ihn die Gewerkschaftsspitzen bisher planen. Im Gegenteil müssen die Mobilisierungen vom 5. März in der Hochschulbildung, vom 8. März und vom 14. März dazu dienen, eine Antwort zu entwickeln, die der Regierung tatsächlich die Stirn bieten kann.

Dieser Artikel basiert auf diesem Artikel von Révolution Permanente von gestern abend.

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